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Umstrittene Saufänge in Main-Spessart: Mit der Falle auf Wildschweinjagd

Wildschweine sind auf dem Vormarsch. Das belegen Zahlen: Wurden in Bayern 1992 nur knapp 13.000 Schwarzkittel erlegt, waren es im Jagdjahr 2020/21 exakt 78.039, ein Anstieg um rund 600 Prozent. Als Grund gelten die durch den Klimawandel milderen Winter sowie das reichhaltige Nahrungsangebot auf landwirtschaftlichen Flächen.

Dabei gilt: Unterfranken ist Wildschweinhochburg. Gut ein Viertel aller bayernweit erlegten Wildschweine wurden im vergangenen Jagdjahr zwischen Steigerwald und Spessart zur Strecke gebracht. Exakt 7566 beispielsweise im Landkreis Main-Spessart.

Doch die ungebrochen hohe Schwarzwilddichte könnte schnell zum Problem werden. Dann nämlich, wenn sich die in Teilen Osteuropas schon länger grassierende Afrikanische Schweinepest in Deutschland ausbreiten sollte. Um die Wildschweindichte und somit das Ausbreitungsrisiko zu senken, kommt nun vermehrt ein neues und in Teilen der Jägerschaft heiß diskutiertes Mittel zum Einsatz: Saufänge.

Bau zu Schulungszwecken

Die Forstschule in Lohr hat zu Schulungszwecken als eine der ersten in Unterfranken eine solche "Wildschweinfalle" gebaut. Der Betrieb läuft gerade an. Bislang ist noch kein Wildschwein in die Falle getappt. Das will Sascha Walter ändern. Der 52-jährige Förster unterrichtet an der Forstschule unter anderem Jagdrecht und betreut den neuen Saufang.

Das rund 25 Quadratmeter große, massiv eingezäunte Oval steht im Lehrrevier, welches die Forstschule für die Jagdausbildung ihrer Schülerinnen und Schüler vom Staatsforst gepachtet hat. Die Funktionsweise ist schnell erklärt: Durch Leckereien wie Mais oder Birnen werden die Wildschweine in den Saufang gelockt. Sobald sich in der Falle etwas bewegt, schickt eine Überwachungskamera Bilder auf das Smartphone von Walter. Der wiederum kann per Smartphone die Klappe am Saufang entriegeln. Die Wildschweine säßen dann in der Falle.

Erlegung nur in der Nacht

Danach, so schildert Walter das Prozedere, welches sich ausschließlich in der Nacht abspielt, würde er zum Saufang fahren, sich ausgestattet mit Kleinkaliber-Gewehr und einem starken Strahler auf einen Hochstand stellen – und die Wildschweine angefangen beim größten Tier der Reihe nach erschießen. Es ist ein Szenario, das es seit einigen Jahren vermehrt gibt. Allein in Bayern existieren nach Walters Aussage mittlerweile über 100 solcher Saufänge, in Unterfranken bislang allerdings gerade mal eine Handvoll.

Ein jeder Saufang muss von den an den Landratsämtern angesiedelten unteren Jagdbehörden genehmigt und vor Inbetriebnahme abgenommen werden. In Main-Spessart wurden nach Auskunft des Landratsamtes bislang drei Saufänge genehmigt, neben dem der Forstschule noch zwei in einem verpachteten Jagdrevier im nordwestlichen Landkreis. Im Kreis Aschaffenburg wurde bislang noch kein einziger Saufang beantragt, im Kreis Miltenberg zwei, die jedoch laut Mitteilung des Landratsamtes nicht mehr in Betrieb sind. Der Forstbetrieb Arnstein der Bayerischen Staatsforsten betreibt seit Kurzem im Landkreis Würzburg einen Saufang, hat damit bislang nach eigenen Angaben aber ebenso wie die Lohrer Forstschule noch kein Wildschwein gefangen.

Zur Bauweise solcher Saufänge gibt es laut Landratsamt Main-Spessart detaillierte Vorgaben, beispielsweise die, dass der Zaun mindestens 1,8 Meter hoch sein muss und keine Verletzungsgefahr von ihm ausgehen darf. Diejenigen, die einen Saufang betreiben, müssen überdies ihre Sachkunde nachweisen.

Darüber, ob solche Wildschweinfallen eine sachgemäße Art der Bejagung sind, wird in Jäger- und Tierschutzkreisen teils hitzig diskutiert. Die Vorstellung, dass in einem Gehege gefangene Tiere der Reihe nach erschossen werden, lässt manche erschaudern.

Sascha Walter jedoch mahnt zu Sachlichkeit. Vor dem Hintergrund der Schweinepest sei es die klare Vorgabe der Bundesregierung, dass die Wildschweinbestände ausgedünnt werden sollen. Es sei Aufgabe und Verantwortung der Jäger, diesen Auftrag zu erfüllen. "Wenn wir die Population nicht absenken, macht es irgendwann die Krankheit", sagt Walter. Bislang sei mit der klassischen Jagd die Trendwende bei den Wildschweinbeständen nicht gelungen.

Um die Bestände effektiver bejagen zu können, hatte der Gesetzgeber zuletzt bereits die lange verbotene Nachtsichttechnik für die Wildschweinjagd freigegeben. Doch die Bestände sind nach wie vor hoch. Der Saufang sei vor diesem Hintergrund ein ergänzendes Mittel, so Walter. Das sieht auch das Bayerische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten so. Saufänge seien effizient und sorgten für vergleichsweise geringen Jagd- und Störungsdruck für die Tiere.

Unter Jägern gehen die Meinungen weit auseinander

Unter Jägern gehen die Meinungen dazu weit auseinander. Das zeigen auch Aussagen zweier Jagdfunktionäre aus der Region. Der Partensteiner Stephan Amend, Vorsitzender der Kreisgruppe Lohr des Bayerischen Jagdschutzvereins (BJV), bekennt, "kein Freund" von Saufängen zu sein. Er hält sie für tierschutzrechtlich bedenklich und kaum vereinbar mit der Waidgerechtigkeit, also dem Ehrenkodex vieler Jäger.

Aus Amends Sicht braucht es im Spessart keine Saufänge, da Jäger hier auch mit klassischem Einzelansitz und Drückjagden gute Wildschweinstrecken erzielten. Ihm, so Amend, erscheine im Vergleich zum Saufang der Einsatz der Nachtsichttechnik als probateres Mittel.

Ganz anders sieht das der Frammersbacher Jochen Raue, Bezirksvorsitzender des Ökologischen Jagdvereins (ÖJV). Er hält Saufänge für ein "legitimes Mittel" zur von der Politik geforderten Reduktion der Wildschweinbestände. Saufänge habe es schon früher gegeben, sagt Raue. Wenn sie richtig betrieben würden, seien sie auch tierschutzkonform. Das sieht auch Walter so. Denn anders als bei Drückjagden, wo Wildschweine immer wieder angeschossen werden und verletzt flüchten, könne man im Saufang einen Fehlschuss korrigieren. Wie es ihm im Moment des Erlegens der im Saufang gefangenen Tiere ergehe, wisse er freilich noch nicht, sagt Walter. Bislang haben sich lediglich Dachs und Waschbär an den ausgelegten Futtergaben sattgefressen.

Seit einigen Tagen pausiert Walter mit dem Anfüttern. Grund: Im Spessart hat die Eichelmast begonnen. Die von den Bäumen herabfallenden Früchte sind die Leibspeise der Wildschweine. Dabei gilt: Je stärker die Eichelmast, desto höher die Vermehrungsrate der Schwarzkittel.