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US-Journalist Evan Gershkovich in Geiselhaft: Putins Ablenkunsmanöver

Die russische Offensive in der Ukraine ist ein Misserfolg. Der Kreml-Chef reagiert wütend – und offenbart damit, wie es um die Stimmung im Kreml steht.

Wladimir Putin verliert offenbar immer mehr die Nerven. Darauf deutet zumindest dieser Vorfall von Donnerstag hin: Der russische Geheimdienst FSB verhaftete den US-Journalisten Evan Gerschkowitsch. Ihm drohen nun 20 Jahre Straflager wegen Spionage.

Der 32-Jährige ist zur politischen Geisel des russischen Regimes geworden. Das ist nicht nur eine Schande. Es zeigt auch, wie schwach der Kremlchef mittlerweile ist.

Für Putin ist die Verhaftung der nächste Schritt auf dem Weg zu einem Terrorschurken. Er hat nicht nur die Ukraine überfallen, ist für die zahlreichen Todesopfer und die Entführung ukrainischer Kinder verantwortlich. Nun geht er auch gegen westliche Journalisten vor, die noch frei aus Russland berichten. Das ist eine weitere Zensur. Denn während der Kreml Kritiker des russischen Angriffskrieges verhaften oder niederknüppeln ließ, konnten westliche Medien noch aus Russland berichten. Das könnte nun vorbei sein.

Klar: In Putins wirrem Weltbild sind Journalisten ohnehin Agenten. Doch die Verhaftung von Gerschkowitsch zeichnet die Karikatur eines Präsidenten, der rachsüchtig ist und immer mehr in Bedrängnis gerät. Die Verhaftung ist vor allem eines: ein Ablenkungsmanöver.

Feigenblatt für militärische Misserfolge

Der Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein, die Nerven in Moskau scheinen blank zu liegen. Seit Herbst 2022 versuchen die russische Armee und die Wagner-Söldner verbissen und unter Inkaufnahme von hohen Verlusten Bachmut einzunehmen. Ohne Erfolg. Im Gegenteil: Russische Militärblogger warnen vor einer großen ukrainischen Gegenoffensive. Ein Schlag ins Gesicht für die Großmachtfantasien des russischen Präsidenten.

Evan Gerschkowitsch ist Reporter für das "Wall Street Journal" und berichtet über Russland und die Ukraine. Zuvor war er Reporter für die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) und "The Moscow Times" tätig. Gerschkowitsch lebt seit sechs Jahren in Moskau und ist beim russischen Außenministerium als Journalist akkreditiert. Er recherchierte zuletzt zur Söldnertruppe Wagner und zum Krieg in der Ukraine.

Das bringt Putin in Erklärungsnot. Er wütet, droht, tauscht Generäle aus. Aber das hilft bislang nichts. Auch deswegen hält er verbissen an einem Narrativ fest: Die russische Armee kämpfe in der Ukraine gegen den kollektiven Westen. Ein billiger Erklärungsversuch für die russischen Misserfolge, aber Putin muss diese Erklärung eben auch mit Taten unterfüttern. Deshalb ist die Verhaftung zugleich ein innenpolitisches Signal an die eigene Bevölkerung im Konflikt mit dem Westen.

Das russische Vorgehen gegen den Journalisten zeigt jedoch auch ein großes Problem für den Westen in diesem Konflikt: Putin ist ein gewissenloser Kriegsverbrecher, gegen den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag vollkommen zu Recht einen Haftbefehl erlassen hat. Mit einem Geiselnehmer kann allerdings nur schwer verhandelt werden.

Klar ist: Gerschkowitschs Verhaftung ist ein Feigenblatt für Putins Schwäche. Diese Erkenntnis hilft dem US-Journalisten und seinen Angehörigen allerdings wenig. Um das russische Regime für die Öffentlichkeit im Westen transparenter zu machen, hat er in der Ukraine und zu dem Treiben der Wagner-Söldnergruppe recherchiert. Ihm gebührt dafür Dank. Doch nun drohen ihm Gefängnis und Folter. Deshalb muss sich der Westen nun kollektiv für seine Freilassung einsetzten.