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Verfassungsgericht setzt Praxis aus - Schluss mit Vorab-Infos an ausgewählte Journalisten

Die Methode war umstritten: Jahrelang gab das Bundesverfassungsgericht Informationen über wichtige Entscheidungen schon am Vorabend der Verkündung an einen exklusiven Zirkel von Journalisten (Justizpressekonferenz). Eine Ungleichbehandlung von Journalisten, zumal fast die Hälfte für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeitet.

Nun die Wende: Nach Unterlassungsforderungen von BILD und „Tagesspiegel“ stellt Karlsruhe diese Praxis vorerst ein!

Am Dienstag gab das höchste deutsche Gericht bekannt: „Im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren eingetretenen Veränderungen des Umfelds überdenkt das Bundesverfassungsgericht gegenwärtig seine gesamten Kommunikationsstrukturen und -abläufe.“ Vor diesem Hintergrund soll die „Vorabinformationspraxis“ zunächst bis Ende September nicht angewendet werden.

Zuvor hatten BILD und „Tagesspiegel“ das Bundesverfassungsgericht zur Unterlassung der „Vorabinformationspraxis“ aufgefordert, hilfsweise zu gleichberechtigtem Zugang zu diesen „Vorabinformationen“. Die Frist endet am 29. März.

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hegte bereits in einem Gutachten deutliche Zweifel daran, dass Karlsruhe neutral handelt, wenn es ausgewählte Journalisten bevorzugt.

Der Deutsche Journalisten-Verband begrüßt das Aussetzen der Ungleichbehandlung: „Das ist ein voller Erfolg für Tagesspiegel und BILD, die sich beharrlich für die Gleichbehandlung aller Journalistinnen und Journalisten durch das Bundesverfassungsgericht eingesetzt haben. In der Praxis kommt es jetzt darauf an, dass die Verfassungsrichter die Journalisten angemessen informieren, damit über wichtige Entscheidungen aus Karlsruhe zeitnah und umfassend berichtet werden kann.“

Bisher ist es so, dass Journalisten der Justizpressekonferenz am Vorabend der Verkündung wichtiger Entscheidungen an der Pforte des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe Pressemitteilungen zu wichtigen Entscheidungen erhalten.

▶︎ Vorstellbar wäre, dass die Karlsruher Richter die Pressemitteilungen allen interessierten Journalisten gleichermaßen zukommen lassen: per E-Mail, aber mit deutlich weniger zeitlichem Vorsprung.

Bedeutet: Mehr Gleichberechtigung von Journalisten am Bundesverfassungsgericht.

„Ein absolut überfälliger Schritt“, kommentiert Verfassungsrechtler Prof. Volker Boehme-Neßler (60, Universität Oldenburg): „Die Praxis, ausgewählte Journalisten früher als alle anderen über Urteile zu informieren, war eklatant verfassungswidrig. Es gab dafür keinen überzeugenden sachlichen Grund.“

Das Grundgesetz garantiere die Freiheit der Presse. Keine staatliche Institution dürfe einzelne Journalisten bevorzugen. Denn dann bestehe die Gefahr, dass unkritische, freundliche Journalisten bevorzugt werden. „Das Grundrecht der Pressefreiheit steht aber allen Journalisten zu, auch und gerade den kritischen, die vielleicht nicht Mitglied der Justizpressekonferenz sind.“