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Verkehrstalk bei Anne Will: "Wir müssen überall schneller werden"

Die Ampelkoalition hat sich die Verkehrswende zum Ziel gesetzt. Darum will sie schnell klimaschonende Infrastruktur ausbauen. Braucht man dafür zehnspurige Autobahnen? Ja, sagt die FDP, und Fraktionschef Dürr verteidigt bei Anne Will die entsprechenden Pläne des Verkehrsministeriums. Grünen-Chefin Lang hält dagegen.

In der Ampelkoalition gibt es immer noch dicke Luft. Denn die seit 2021 geplante Verkehrswende scheint im Stau zu stecken. Es geht kaum voran bei der Erneuerung der Bahn-Infrastruktur. Gleichzeitig plant die FDP den Ausbau von Autobahnen auf bis zu zehn Spuren. Damit sind die Grünen nicht einverstanden. Nimmt man es genau, wird der Autobahn-Ausbau im Koalitionsvertrag auch nur indirekt gefordert. Anne Will spricht mit ihren Gästen, unter anderem aus der "Ampel", am Sonntagabend in der ARD über die Verkehrswende. Einigkeit herrscht dabei immerhin in einem Punkt: Alles muss schneller gehen.

Das trifft laut FDP-Fraktionschef Christian Dürr sowohl auf den Autobahn-Ausbau als auch auf die Erneuerung des Schienennetzes zu. "Wir haben überall steigende Verkehre", betont er. "Wir haben Engpässe bei der Schiene, aber auch bei den Autobahnen. Das merken die Menschen, die jeden Morgen im Stau stehen." Dürr fordert: "Grünes Licht für alle Verkehrsprojekte, die wir brauchen, damit in Deutschland weniger Stau ist und die Menschen schneller vorankommen."

Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang will vor allem beim Schienenausbau vorankommen. In Zeiten der Klimakrise müsse man auf klimaschonende Infrastruktur setzen, während Autobahnen die Krise weiter anheizen würden, gibt sie zu bedenken.

"Staus sind nicht klimaschonend"

Aber die Autobahnen seien Lebensadern der Wirtschaft, und viele Bürger seien auf sie angewiesen, kontert der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Thorsten Frei. Auch er ist für den Ausbau und vor allem die dringende Reparatur von Autobahnen: "Wenn Sie Umleitungen wegen kaputter Straßen haben, wenn Sie Staus haben, dann ist das nicht unbedingt klimaschonend", so der Politiker. Schon in den letzten Jahren sei aber auch das Schienennetz der Bahn ausgebaut und modernisiert worden. Jetzt sei eines wichtig: "Wir müssen schauen, dass wir schneller planen, genehmigen, umsetzen können." Was man umsetzen wolle, habe man 2016 im Bundesverkehrswegeplan festgelegt.

Der beinhalte aber Planungen, die um Jahrzehnte veraltet seien, bemängelt Lang. Viele davon kämen aus einer Zeit, in der die Klimakrise noch kein großes öffentliches Thema gewesen sei. "Sich darauf auszuruhen, ist nicht richtig", sagt die Grünen-Politikerin. "Wir müssen schauen, wo wir die Aufgaben der Klimakrise anpassen, und das zu einer Zeit, wo die Bundesregierung die Klimaziele im Verkehr massiv reißt. Wir müssen darüber reden, welche Maßnahmen wir zum Klimaschutz brauchen, aber nicht über acht- oder zehnspurige Autobahnen."

"Bisherige Äußerungen weit weg vom Menschen"

Mobilitätsexpertin und Podcasterin Katja Diehl wirft einen ganz anderen Gedanken ein. Die bisherige Diskussion sei viel zu weit weg von den Menschen, kritisiert sie. Sie spricht sich für eine Liberalisierung bei der Wahl der Verkehrsmittel aus. Gerade auf dem Land würden viele Menschen gerne auf das Auto verzichten. Sie sei keine Gegnerin von Kraftfahrzeugen, aber: "Ich habe was gegen das Auto, so wie wir es im Moment nutzen: 45 Minuten am Tag, mit nur einer Person an Bord. Das kann effizienter laufen." Sie setzt sich zum Beispiel für Carsharing-Projekte ein. "Wir müssen lernen, ein Auto zu benutzen, statt es zu besitzen", verlangt die Expertin.

Das hat übrigens in Deutschland schon mal gut funktioniert: 1979 stieg der Benzinpreis erstmals auf umgerechnet 50 Cent pro Liter, und überall im ländlichen Bereich bildeten sich Fahrgemeinschaften. Autos mit vier Insassen waren die Regel, nicht die Ausnahme.

Mit dem Ausbau von Autobahnen ist Diehl überhaupt nicht einverstanden. "Mehr Autobahnen gegen den Stau zu bauen ist so, als würde man den Gürtel lockern, um abzunehmen." Das sei eine rückwärtsgewandte Politik. Sie verlangt, vor allem Menschen in den Fokus zu nehmen, die mit dem Zug fahren, radeln oder zu Fuß gehen.

Frei kritisiert 49-Euro-Ticket

Während Frei besonders im ländlichen Bereich auf den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs setzt, kritisiert er gleichzeitig die Einführung des 49-Euro-Tickets. "Das ist toll für die Ballungsräume, aber schlecht für die ländlichen Räume, wo man erstmal Verbindungen haben muss." In einigen ländlichen Bereichen könne die Einführung des "Deutschlandtickets", wie es Dürr lieber nennen würde, sogar zur Einstellung einzelner Verbindungen führen. Immerhin müssten die Bundesländer zur Subventionierung des Billigtickets 1,5 Milliarden Euro beisteuern. "Und es gibt viele, die das nicht können", meint Frei.

Das fürchten die beiden Ampelpolitiker nicht, und am Ende der Sendung fasst Lang zusammen: "Was wir hinbekommen müssen, ist eine bezahlbare Mobilität und eine Angebotsausweitung. Beides ist möglich. Wenn wir das schaffen, werden wir bei der Klimaneutralität einen großen Schritt vorankommen."