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Vip Vip, Hurra!: Dürfen Nepo-Babys über ihr Leben jammern?

Lily-Rose Depp und Lilly Krug stehen im Rampenlicht. Wenn der Nachwuchs von Promi-Eltern in deren Fußstapfen tritt, schauen wir mit Argusaugen hin. Über die sogenannten "Nepo-Babys", Vitamin B und die Frage: Wie wichtig ist (noch) Talent?

Deutschland spricht über "Bademäntel", in China gehen die Menschen wegen der strengen Corona-Politik tausendfach auf die Straßen und auf Twitter diskutieren User, die wegen Elon Musk noch nicht zu Mastodon abgewandert sind, über Leute, die mutmaßlich "nicht mehr alle Tassen im Schrank" haben. Kurzum: Auch zwischen den Jahren, wo es doch zumindest ein wenig besinnlicher zugehen sollte, gibt es Themen, die die Leute unverzüglich in Wallung bringen.

Deswegen möchte ich, liebe Leserinnen und Leser, heute über ein Thema mit Ihnen sprechen, das ganz besonders polarisiert: "Nepo-Babys". Der Berliner würde jetzt vermutlich fragen: "Was'n ditte?" Vielen ist die Thematik eher unter dem Begriff Vetternwirtschaft (Nepotismus) bekannt. "Nepo-Baby" ist eine diskreditierende Beschreibung für Kinder berühmter Leute. Oft auch als Gören bezeichnet, die mit "dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden". Sie leben oft im Luxus und haben verständlicherweise automatisch einen vereinfachten Zugang zur Showbranche. Sie ergattern Filmrollen, weil Mama oder Papa Schauspieler sind und treten - so oft der Vorwurf - vollkommen talentfrei in die Fußstapfen ihrer berühmten Eltern.

Sicherlich wird es dem Thema, das gerade wieder eine Debatte entfacht, nicht gerecht, wenn man Kritik auf den Neidfaktor herunterbricht, frei nach dem Motto: "Du bist ja nur neidisch, dass du nicht die Tochter von Veronica Ferres bist und nicht auf dem berühmten 'Wetten, dass..?'-Sofa neben John Malkovich sitzen darfst!"

"Du hast keine Ahnung, wie viel man kämpfen muss"

Vorurteile kochen schnell hoch, und ich möchte hier alles andere als eine Lanze für "Nepo-Babys" brechen, aber ein Perspektivwechsel ist für jede Debatte gut. Grob vereinfachtes Beispiel: Lily-Rose Depp, Tochter des Schauspielers Johnny Depp und der französischen Sängerin Vanessa Paradis zierte kürzlich das Cover eines bekannten Modemagazins. Dabei trug sie sündhaft teure Klamotten, ließ sich in einem Interview aber aus, weil sie immer nur als "die Tochter von" angesehen werde und dabei doch so "hart" für ihren Erfolg arbeite.

Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Nachwuchs berühmter Leute in deren Schatten steht. Sie werden stets verglichen, vor allem, wenn sie in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. So musste sich beispielsweise Sarah Biasini, Tochter der 1982 verstorbenen Schauspiellegende Romy Schneider, oft nachsagen lassen, dass ihre Mutter aber "viel schöner" als sie gewesen sei.

Dass die Tochter von Johnny Depp nun in einem Interview ihr Leid klagte, entfachte im Netz einen Shitstorm. Vittoria Ceretti, ein Model, das sich ihren Erfolg, wie sie selbst sagt, über Jahre ganz allein und hart erarbeiten musste, flog ob des Depp'schen Klagelieds sprichwörtlich die Hutkrempe weg. Lily-Rose würde nie nachvollziehen können, was es bedeutet, sich beispielsweise kein Rückflugticket leisten zu können. Selbst, wenn sie nicht erfolgreich wäre, müsste sie sich keinerlei Sorgen machen und könne auf Papis Sofa in Malibu ihr Leben genießen. So schrieb ihre Kritikerin: "Du hast keine Ahnung, wie viel man kämpfen muss, damit die Leute einen respektieren. ES DAUERT JAHRE. Du kriegst es gratis ab dem ersten Tag."

Neid-Geplänkel oder berechtigte Kritik?

Für den einen mag die sogenannte Nepo-Baby-Debatte ein Sturm im Wasserglas sein, ein Neid-Geplänkel, ein künstlich hochgepushtes Echauffiertsein, für den anderen aber ist es eine berechtigte Kritik, die viel zu lange viel zu leise war. Interessant in diesem Zusammenhang ist folgende Frage: Müssen Kinder berühmter Eltern härter für Anerkennung arbeiten oder weniger?

Sofia Coppola, Tochter von Francis Ford Coppola, steckte für ihre Rolle in "Der Pate III" beispielsweise so viel Kritik und Häme ein, dass sie ihre Schauspiel-Karriere an den Nagel hing. Heute ist sie als Regisseurin sehr erfolgreich. Die Töchter von Til Schweiger, die oft Rollen in seinen Filmen besetzen, gelten bei vielen Film-Kritikern als vollkommen talentfrei. Und Leni Klum sagt man nach, sie sei für ein Model viel zu klein und ergattere all die tollen Fotoshootings nur, weil sie die Tochter von "Germany's next Topmodel"-Mama Heidi ist.

Natürlich ist das alles auch Gossip und einem gewissen Voyeurismus geschuldet, dass dem Promi-Nachwuchs ein ganz besonderes Interesse gilt. Und klar, wird der Flurtratsch bisweilen hämisch. Auch dann, wenn Kinder sogar den Namen ihrer berühmten Eltern ablegen, um es "allein" zu schaffen.

Liza Minnelli, Demut und Privilegien

Peinlich aber wird es, wenn der Nachwuchs von großen Marken und Firmen protegiert wird, nur weil sie "die Töchter oder die Söhne von" sind, egal ob talentiert oder nicht. Doch es ist auch damit vergleichbar, wenn Regisseure plötzlich ihre Rollen nicht mehr mit Schauspielern, sondern mit Influencern besetzen, weil sie sich von deren Reichweite einen größeren kommerziellen Erfolg erhoffen und dabei Laientheater billigend in Kauf nehmen.

Die Nepo-Debatte bietet viel Platz zum Philosophieren. Denn genau genommen sind auch Schauspielgrößen wie Liza Minnelli, Michael Douglas oder Isabella Rossellini "Nepo-Babys". Bei aller Kritik sollte man aber nie vergessen: Niemand kann etwas für die Familie, in die er hineingeboren wurde. Die einen sind "privilegiert", die anderen müssen doppelt und dreifach ackern und dennoch bleiben Türen oft verschlossen.

Es scheint auch ein Stück weit dem Zeitgeist geschuldet, dass Talent und Qualität sich eben nicht mehr zwangsläufig durchsetzen, sondern gute Beziehungen, Geld und Vitamin B. Gut sind Demut und die Dinge nicht als selbstverständlich zu erachten. Zu kurz gefasst aber ist es, jedwede Kritik als Neid-Debatte abzuschmettern. Dürfen "Nepo-Babys" über ihr vermeintlich "schweres Leben" jammern? Wie ist Ihre Meinung dazu?