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Von Lula hängen gelassen: Scholz' Werbetour erreicht ihr Ziel nur fast

Drei Länder in vier Tagen: Argentinien, Chile, Brasilien. Bundeskanzler Olaf Scholz ist das erste Mal als Regierungschef in Südamerika unterwegs. Es geht vor allem um den Ausbau der Beziehungen, politisch und wirtschaftlich - über eine schwierige Mission mit Hindernissen.

Es ist eine bemerkenswerte Situation, weil man sie mit Olaf Scholz so noch nie erlebt hat. Die Pressekonferenz des Kanzlers und des brasilianischen Präsidenten Lula de Silva läuft schon eine ganze Weile, als Scholz einen Schritt neben sein Pult tritt und seinen außenpolitischen Berater zu sich heranwinkt. Die beiden Männer sprechen ganz kurz, dann stellt sich der Kanzler wieder hinter das Rednerpult und hört dem brasilianischen Präsidenten zu. Was ist geschehen? Übersetzungsgerät ausgefallen? Eine wichtige Nachricht? Es ist eine außergewöhnliche Szene, am Rande einer außergewöhnlichen Pressekonferenz.

Denn der Auftritt von Lula da Silva ist einigermaßen bizarr, vor allem als es um das Thema Ukraine geht. Er gibt dem Land eine Mitschuld am Angriffskrieg Russlands. "Ich glaube, Russland hat den klassischen Fehler begangen, in das Territorium eines anderen Landes einzudringen", sagte er. "Aber ich denke immer noch: "Wenn einer nicht will, streiten zwei nicht." Gleich zwei Mal zitiert er dieses brasilianische Sprichwort. Außerdem bringt er sich selbst und China als Vermittler ins Spiel. "Ich schlage vor, einen Club von Ländern zu gründen, die den Frieden auf diesem Planeten schaffen wollen." Der Bundeskanzler steht mit scholz-typischer, ausdrucksloser Mine neben dem brasilianischen Politiker, hört zu und hält dagegen. Er betont, dass es keinen Frieden über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben könne, dass Russland mit seinem imperialistischen Krieg nicht durchkommen dürfe.

Und da kommt die Anfangsszene wieder ins Spiel. Scholz hat sich bei seinem außenpolitischen Berater Jens Plötner rückversichert, ob er seine Haltung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Das ist untypisch für Olaf Scholz, erst recht mitten in einer Pressekonferenz. Und es zeigt eben auch: Da ist manches nicht so gelaufen, wie es sich der Kanzler vorgestellt hat.

"Ihr habt gefehlt, lieber Lula"

Denn eigentlich war die Vorfreude auf das Treffen mit Lula groß, Brasilien sollte das Highlight sein auf der Lateinamerikareise des Kanzlers. "Ihr habt gefehlt, lieber Lula", sagt Scholz zu Beginn der Pressekonferenz. Er buhlt um die Gunst des brasilianischen Präsidenten, will ihn von seinem Kurs in der Ukrainepolitik überzeugen und davon, wer für diesen Krieg verantwortlich ist: Wladimir Putin. Diese Ziele hat Scholz offensichtlich verfehlt. Obendrein bekommt er gleich mehrere Absagen von Lula: Ein "Nein" zur Lieferung von Panzermunition und bei dem von Scholz ins Leben gerufenen Klimaclub will der Brasilianer auch nicht mitmachen.

Das ist auf den ersten beiden Stationen der Lateinamerikareise besser gelaufen. Argentinien tritt dem Klimaclub bei, Chile will sogar gemeinsam mit Deutschland eine Führungsrolle übernehmen. In Chile geht es in erster Linie um Rohstoffe, Das Land hat Kupfer und vor allem Lithium, was für die Batterien in Elektroautos dringend benötigt wird. Scholz ist vor allem in Chile, aber auch in Argentinien auf Werbetour. Deutschland will unabhängiger von China werden und braucht deshalb neue Partner. Aber auch hier gibt es ein Problem: Ausgerechnet China hat den chilenischen Markt längst erobert und ist der große Player im Lithium-Geschäft. Deutschland will mit fairen Bedingungen und umweltfreundlichen Technologien gegenhalten. Ungewiss, ob das auch wirklich gelingt.

Scholz selbst zieht positives Fazit

Zurück nach Brasilien. Am letzten Tag macht der Bundeskanzler noch einen Stadtrundgang durch die Hauptstadt Brasilia, steht da, wo vor wenigen Wochen tausende den Kongress und den Sitz des Präsidenten gestürmt haben. Die Spuren sind noch sichtbar. Kaputte Scheiben, zerstörte Toiletten, überall Absperrungen. Während Scholz über den Platz vor dem Regierungssitz läuft, schallt von drinnen die markante Stimme von Lula da Silva, der dort eine Pressekonferenz zu geben scheint.

Beide Seiten hatten einen Tag zuvor - am späten Abend nach dem bizarren gemeinsamen Auftritt - noch eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der der Krieg in der Ukraine sehr viel deutlicher verurteilt wird, als Lula das in der Pressekonferenz getan hat. Und trotzdem bleibt von Scholz' Brasilienbesuch vor allem eines hängen, Lula hat den deutschen Kanzler ziemlich hängen lassen.

Olaf Scholz zieht freilich ein sehr viel positiveres Fazit. Er spricht von einer erfolgreichen Reise und von einem wichtigen Beitrag zur Neupositionierung Deutschlands "in einer Welt, die sich rasant ändert, in der wir mit anderen überall in der Welt gute Beziehungen haben müssen und nicht nur auf uns selber schauen dürfen", wie er erklärt. Das dürfte eine langwierige Mission für den Kanzler werden - und wie diese Reise nach Lateinamerika gezeigt hat, obendrein eine schwierige.