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Vorsorge: Behindertentestament: Vorsorge statt Erbverlust

Wer einem behinderten Verwandten etwas vererben will, sollte ein Behindertentestament verfassen. Sonst kann dies zur Nullnummer werden

Was wird, wenn ich einmal nicht mehr bin? Mit dieser Frage sollten sich die Angehörigen von behinderten Menschen gezielt befassen – unter anderem dann, wenn sie ihnen etwas vermachen möchten. Denn gerade wenn die Verwandten in einer Einrichtung leben oder Pflege-, Eingliederungshilfe oder Sozialleistungen in Anspruch nehmen, gibt es einige wichtige Punkte zu beachten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Bedachten am Ende leer ausgehen.

Ab einer bestimmten Erb-Höhe werden bis dahin bezogene Sozialhilfeleistungen und Eingliederungshilfe erst mal eingestellt und die Kosten für Pflege, Heimkosten oder Teilhabe-Leistungen fortan durch das Erbe finanziert. Erst wenn dieses bis auf das erlaubte Schonvermögen von 10.000 Euro (seit 1.1.2023) aufgebraucht ist, fließen die staatlichen Leistungen wieder. De facto hätte der behinderte Angehörige nahezu keinen Mehrwert oder Vorteil von seinem Erbe und könnte nichts davon für persönliche Bedürfnisse verwenden.

Mit einem Behindertentestament kann man dies umgehen und dafür sorgen, dass der Angehörige über dem Sozialhilfeniveau versorgt wird. Vorausgesetzt, dieses wurde formell richtig erstellt. Da der Text auf die individuelle Situation des Betroffenen zugeschnitten sein muss, ist es nicht ratsam, auf eine Muster-Vorlage aus dem Internet zurückzugreifen. Denn die Formulierungen sollten so konkret wie möglich sein, um eventuellen Anfechtungen vorzubeugen. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, sollte ein Fachmann das Behindertentestament auf inhaltliche und juristische Korrektheit hin überprüfen – beispielsweise ein Anwalt für Erbrecht. Eine rechtliche Erstberatung kostet im Schnitt um die 225 Euro. Zudem kann es sinnvoll sein, das fertige Dokument im Anschluss von einem Notar beglaubigen zu lassen.

Besonderheiten beachten

Beim Verfassen des Testaments gilt es einige spezifische Punkte zu beachten: Zunächst einmal muss der Erblasser einen Testaments-Vollstrecker bestimmen, der die Erträge aus dem Erbe verwaltet, und zwar bis zum Tod des Begünstigten. Im Idealfall sollte das eine Vertrauensperson sein. Der Testaments-Vollstrecker kann dem Menschen mit Behinderung kleinere Summe auszahlen, die aus Erb-Erträgen stammen, beispielsweise aus Mieteinnahmen oder Zinsen.

Leserfrage

Wir sollen ein Erbe antreten und sind nicht sicher, ob das Vermögen oder die Schulden überwiegen. Sollen wir es lieber ausschlagen?

Allerdings muss im Behindertentestament genau formuliert sein, wofür die Beträge fließen dürfen – etwa für Kleidung, Urlaube, Geburtstagsgeschenke, Hobbys oder medizinische Leistungen und Therapien, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Für den Fall der Fälle bietet es sich an, einen oder mehrere Ersatz-Testaments-Vollstrecker zu benennen. Wichtig zu wissen: Ein rechtlicher Betreuer darf nicht als Testaments-Vollstrecker fungieren, sondern würde diesen kontrollieren.

Vor- und Nacherbschaft anordnen

Ein weiterer Punkt, der bei einem Behindertentestament wichtig ist, ist die Benennung eines Vor- und Nacherben. Hierbei nimmt der behinderte Verwandte die Rolle des Vorerben ein. Die erklärte Funktion eines Vorerben: das Erbe für den im Behindertentestament erwähnten Nacherben zu bewahren. Der Nacherbe erbt nach dem Tod des Vorerben. Damit wird der Vorerbe temporär zwischen Erblasser und Nacherbe zwischengeschaltet. Er darf nicht selbstständig über das Erbe verfügen, keine Grundstücke oder Immobilien verkaufen oder eigenständig Geschenke aus der Erbmasse anordnen. „Aus diesem Grund kann das Erbe auch nicht als Vermögen im Sinne der Anspruchsprüfungen auf Sozialleistungen gelten“, bringt Rechtsanwalt Chris Mohr es auf den Punkt. Das heißt: Dieses Konstrukt verhindert, dass Sozialträger Zugriff auf das Erbe haben. Was dem Vorerben aber immerhin zusteht, sind anfallende Erträge, etwa Zinsen, die der Vorerbe nutzen darf.

Ein weiterer Vorteil: Der behinderte Familienangehörige vererbt nach seinem Tod pro forma nichts selbst. Denn der Nacherbe beerbt juristisch gesehen nicht den Vorerben, sondern den ursprünglichen Verfasser des Testaments. Das verhindert, dass aus seinem Nachlass Sozialhilfekosten zurückgezahlt werden müssen.

Die Vorerbschaft muss im Testaments-Text immer als ‚beschränkte Vorerbschaft‘ angeordnet werden. In diesem Zusammenhang explizit erwähnen: Der Vorerbe ist nicht von den Beschränkungen der Paragrafen 2113 ff. des BGB zu befreien.

Beim Erben und Vererben sollte man Fehler vermeiden

Viele Menschen kümmern sich zu Lebzeiten nicht darum, wie ihr Vermögen nach dem Tod verteilt werden soll. Sie überlassen es der nächsten Generation, die Erbschaft zu regeln. Doch das birgt große Streitgefahr. Welche Fehler man vermeiden sollte

Wichtig ist es auch, dass der Erbe mit Behinderung etwas mehr als den Pflichtteil bekommt. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass Träger der Sozialleistungen und Eingliederungshilfe Ansprüche anmelden und auf vorhandenes Erbmasse-Vermögen zugreifen können. Bei einem Pflichtteil wäre dies möglich. Aus diesem Grund ist es auch keine gute Idee, den behinderten Angehörigen zu enterben. Denn dann würde ihm dieser Pflichtteil rechtlich zustehen und müsste bis zum Erreichen des Schonvermögens für den Lebensunterhalt eingesetzt werden.

Das Behindertentestament ist die sicherste Methode, behinderte Familienangehörige über den Tod hinaus zu versorgen. Sofern es korrekt und unmissverständlich formuliert ist, ermöglicht es der behinderten Person, Teile aus dem Erbe für seine persönlichen Bedürfnisse zu verwenden, ohne dass andere Sozialleistungen entfallen. Dadurch kann der Lebensstandard unabhängig von Sozialleistungen verbessert werden und damit die Lebensqualität. Wer sich ausführlicher informieren möchte, findet auf der Homepage des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (BVKM) zwei Broschüren zum Thema: Erstens: Vererben zugunsten behinderter Menschen

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