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Waffen, Leichen, Folterkeller: Was die Russen nach dem Rückzug hinterlassen

Was erleben die ukrainischen Soldaten in den befreiten Gebieten? Manche von ihnen teilen ihre Eindrücke in den sozialen Medien. Das Internet ist voll mit Bildern, die unterschiedlicher kaum sein können. Während auf den einen Freudentränen fließen, zeugen die anderen von Verbrechen der Besatzer.

Es herrschen Hoffnung und Erleichterung in den befreiten Gebieten der Ukraine. Zumindest, wenn man den unzähligen Fotos und Videos glaubt, die in den vergangenen Wochen in den sozialen Netzwerken auftauchten. Sie ähneln einander: Darauf zu sehen sind ukrainische Soldaten, die im jeweiligen befreiten Ort die russische Trikolore niederreißen, sie zertreten und durch die ukrainische Flagge ersetzen.

Auch Videos, die zeigen, wie die ukrainischen Soldaten in den zurückeroberten Orten empfangen werden, ähneln einander. Es sind rührende Bilder, die nach monatelanger Besatzung entstehen. Bilder, die zeigen, wie die zumeist älteren Menschen aus ihren zum Teil zerstörten Häusern zunächst unsicher auf die Straße gehen - um dort ihre Befreier zu begrüßen. Die einen schenken den Soldaten Blumen, die anderen umarmen sie einfach und weinen. Die Freude der Einwohner und der Stolz der Befreier sind in diesen Videos kaum zu übersehen.

Seit Wochen rücken die ukrainischen Soldaten im Osten und Süden des Landes weiter vor, nahezu jeden Tag werden neue Orte zurückerobert. Dort erwarten sie allerdings nicht nur die erleichterten Einwohner, sondern auch Zeugnisse des Grauens, die die Besatzer mancherorts hinterlassen. Während man nach dem Massaker von Butscha noch darauf hoffen konnte, dass es ein Einzelfall bleibt, ist spätestens seit dem Rückzug der Russen aus der Region Charkiw klar: Putin lässt seine Armee nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten, quälen und ermorden. Zahlreiche Folterkeller und Massengräber, die die Russen hinterlassen, sind ein Beweis dafür.

Kiste mit vermeintlichen Goldzähnen in Folterkeller entdeckt

Während der Schock nach der Entdeckung von mehr als 400 Leichen in Isjum noch tief sitzt, machen die Polizisten in dem vor wenigen Tagen befreiten Dorf Pisky-Radkiwski im Osten der Oblast Charkiw nun einen weiteren irritierenden Fund. In einem Folterkeller stoßen die Ermittler auf eine Kiste voller vermeintlicher Goldzähne. Die Anwohner hätten andauernd Schreie gehört und nun die Behörden auf die Folterstätte aufmerksam gemacht, teilte Serhij Bolwiniw, Leiter der Ermittlungsabteilung der Nationalen Polizei in der Region Charkiw, mit. Ihm zufolge sollen der Polizei zudem Beweise vorliegen, dass dort Menschen auch lebendig begraben worden seien.

In Anspielung auf die im Zweiten Weltkrieg im Konzentrationslager Auschwitz gefundenen Kisten voller Goldzähne, die den Gefangenen vor ihrer Ermordung gezogen wurden, nannte das ukrainische Verteidigungsministerium den Fund ein "Mini-Auschwitz". Eine problematische Holocaust-Analogie - und offenbar auch eine Falschinformation: Laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung stammen die in Pisky-Radkiwski gefundenen Zähne nicht von Toten, sondern von Patienten eines örtlichen Zahnarztes. Der Mediziner erzählte den Reportern, die Russen hätten die Edelstahlkronen aus seiner Praxis geklaut, weil sie sie zunächst für echtes Gold hielten. Mutmaßlich habe man der Bevölkerung damit Angst machen wollen.

Russland "liefert" mehr Waffen als Partnerländer

Bei ihrem überstürzten Abzug lassen die Russen nicht nur Beweise ihrer Kriegsverbrechen, sondern auch massenweise Waffen und Munition zurück - zum Vorteil der Ukraine. In den sozialen Medien findet man in diesen Tagen unendlich viele Fotos und Videos, die ukrainische Soldaten vor ihren Trophäen zeigen. Ein eigens für diese Aufnahmen aufgesetzter Twitter-Account "Ukraine Weapons Tracker" wird nahezu stündlich aktualisiert.

Im Internet spotten die Ukrainer inzwischen über den "russischen Lend Lease" und spielen dabei auf das Leih- und Pachtgesetz an, das in den USA im Zweiten Weltkrieg verabschiedet wurde, um US-Kriegsgerät an die Alliierten zu liefern. Spätestens nach der erfolgreichen Offensive in der Region Charkiw wurde Russland tatsächlich zum größten "Waffenlieferanten" für Kiew. Nach einer Recherche des ukrainischen "Forbes" erhielt die Ukraine bis Ende September fast 400 Panzer, 700 gepanzerte Fahrzeuge und 170 Artilleriesysteme als Trophäen - kein einziges Partnerland lieferte laut dem Bericht mehr.

Tote Kameraden zurückgelassen und vermint

In den sozialen Medien werden aktuell auch oft Fotos des berühmten ukrainischen Fotografen Evgeniy Maloletka geteilt, der im März durch seine erschütternden Reportagen aus dem belagerten Mariupol weltbekannt wurde. Jetzt ist Maloletka mit seiner Kamera im befreiten Osten des Landes unterwegs. Seine bewegenden Bilder zeigen Zerstörung, die die Besatzer angerichtet haben, und die traumatisierte Bevölkerung: Kinder spielen mit Raketenteilen während Erwachsene eine zerstörte hölzerne Schule auseinanderbauen, um für den Winter genug Brennholz zu haben.

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Mehrere verminte Leichen russischer Soldaten liegen auf einer Straße bei Lyman.

(Foto: AP)

Eine Bilderserie zeigt auch eine Straße bei Lyman, das vor kurzem durch die ukrainische Armee zurückerobert wurde. Die Straße ist gesäumt von den Leichen russischer Soldaten - statt ihre Toten mitzunehmen, verminten die Russen die Körper ihrer Kameraden. Viele Nutzer kommentieren die Fotos ironisch mit dem Spruch "Wir lassen die Unseren nicht zurück". Den Slogan verwendet eigentlich die russische Propaganda, um den Überfall auf die Ukraine und die Annexion russischsprachiger Gebiete zu rechtfertigen. Angesichts der aktuellen Bilder bekommt der Spruch aber eine neue Bedeutung.