Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Waisenkind, Sozialhilfe, Pflegefall in der Familie: Pforzheimer erzählt von schwerem Schicksal – und wie ihm hier geholfen wird

Pforzheim. „Immer, wenn ich Hilfe brauche, weiß ich, dass ich mich melden darf“, sagt Nils A.. Der 32-Jahre alte Pforzheimer ist um diese Gewissheit seit vielen Jahren mehr als dankbar. „Dadurch, dass wir uns schon so lange kennen, bedarf es gar nicht viel Zeit, wenn Hilfe benötigt wird“, erklärt Ute Fiedrich, Abteilungsleiterin soziale Arbeit und stellvertretende Kreisgeschäftsführerin Deutsches Rotes Kreuz. „Hilfe gibt es aber nur, wenn ich weiß, dass alles rechtens ist.“

Nils lebt von Sozialhilfe. Er hat weder einen Schulabschluss, noch eine abgeschlossene Ausbildung. „Das konnte ich damals nicht leisten“, so der 32-Jährige heute. Die Eltern sind schon lange tot. Bis zum 15. Lebensjahr war Nils in einem Kinderheim untergebracht. „Ich war ein schwieriges Kind. Aus dem Heim bin ich abgehauen.“ Er habe gemacht, was er wollte. Nils hat nur noch seinen Bruder Jan als feste familiäre Bezugsperson. Der hat das Down Syndrom und ist in einer Einrichtung in Schwäbisch Gmünd untergebracht. Der schwerstbehinderte 34-Jährige ist immer wieder auch in Pforzheim.

„Wir telefonieren täglich und wenn Jan sagt, dass er zu mir kommen mag, dann hole ich ihn in Schwäbisch Gmünd ab“, so Nils. „Ich bin immer für ihn da.“

Genau dann ist der Pforzheimer auf Hilfe angewiesen. Denn dann muss der 32-Jährige Fahrkarten für den Zug kaufen: 38 Euro reine Fahrtkosten fallen dann für ihn an. Der Bruder reist aufgrund der Schwerstbehinderung kostenfrei. Wenn der Zug voll ist, müssen die Brüder auf den Nächsten warten. „Mein Bruder braucht einen Sitzplatz.“ Sonst würde er zu nervös werden. Doch nicht nur das Zugticket sei Luxus.

„Dazu kommen die Kosten für Lebensmittel und den täglichen Bedarf für die Zeit in der Jan dann in Pforzheim ist“, so Fiedrich weiter.

Sobald Nils eine Zusage der stellvertretenden Kreisgeschäftsführerin erhalten hat, informiert er seinen Bruder. „Dann kann ich ihn aus dem Heim holen“, berichtet er. Jan und Nils treffen sich dann auf dem Bahnhof von Schwäbisch Gmünd. „Das Heim bringt ihn zur Station, wo ich ihn dann übernehme.“

DRK Kleiderspende
Ute Fiedrich, Abteilungsleiterin Soziale Arbeit beim Roten Kreuz, kennt Nils A. seit vielen Jahren und hilft mit Lebensmittelgutscheinen von „Menschen in Not“, wenn Nils A. (Name geändert) Besuch von seinem schwerstbehinderten Bruder bekommt und doppelte Ausgaben tragen muss

Auf Weihnachten freut sich Nils schon jetzt. Er will Jan am 20. Dezember abholen und mit ihm dann die Weihnachtsferien bis zum 6. Januar verbringen. „Wir brauchen nicht viel, aber wir haben dann uns.“ In der Zwei-Zimmer-Wohnung wird es dann eng werden. „Jan schläft im Schlafzimmer“, berichtet Nils. „Ich richte mir, solange er da ist, die Couch als Nachtlager.“ Die beiden sind dann ein eingespieltes Team: Nils hilft Jan beim Anziehen und Duschen. Alleine in der Wohnung lassen kann er ihn nicht. „Zum Einkaufen nehme ich ihn mit“, erzählt Nils.

Bis vor einigen Jahren hätten die Brüder noch Verwandte in der Stadt gehabt. „Dann haben wir gemeinsam Weihnachten gefeiert.“ Inzwischen seien aber alle verstorben. Die Brüder werden jetzt die gemeinsame Zeit nutzen, um zusammen Fernseh-Weihnachts-Shows zu schauen. „Natürlich gehen wir auch Fußballspielen. Jan kann zwar nicht schnell rennen, aber er ist mobil genug, um gut zu schießen.“ Auch Freunde besuchen wird dann auf dem Programm stehen. „Oder wir machen mal einen Grillabend, wenn es finanziell möglich ist.“ Nur daheim rumsitzen sei nicht ihres.

DRK Kleiderspende
Igitt: Mit Schmeißfliegen besetzte Kleidung liegt als „Spende“ vor der Tür.

„Es ist wichtig, dass die Brüder ein bisschen Geld haben, wenn sie hier zu zweit sind“, sagt Ute Fiedrich. „Sie müssen Lebensmittel kaufen und sich versorgen können.“ Deshalb hat die Abteilungsleiterin Nils animiert, bei der Krankenkasse nachzuhaken. „Denn das Heim bekommt ja das Geld auch, wenn Jan nicht dort ist.“ Und siehe da: Ab dem kommenden Jahr erhält Nils rückwirkend Betreuungsgeld von der Krankenkasse zurück. „Ich muss es vorstrecken, der Krankenkasse Belege schicken und dann erhalte ich es rückwirkend aufs Konto überwiesen“, freut er sich. „Pro Tag neun Euro.“

Ausschlag gegeben hat eine 14-tägige Schließung der Werkstatt in Schwäbisch Gmünd, in der Jan arbeitet. „So einfach kann man es sich nicht machen.“ Nils könne nicht alle Kosten alleine tragen.

„Nils Leben war nicht ganz so einfach und dass er noch um alles kämpfen muss, ist traurig“, sagt Fiedrich.

Sie unterstützt den 32-Jährigen deshalb voller Überzeugung. „Nils könnte es sich auch einfach machen und seinen Bruder besuchen und dann wieder alleine nach Hause fahren.“

Deutsch Rumänische Gesellschaft MiN

Pforzheim

Große Sammelaktion für "Menschen in Not" am Samstag in Pforzheim

Die beiden hätten nur sich und seien sehr aufeinander fixiert. „Das ist absolut unterstützenswert.“ Zu gerne möchte Nils in seinem Leben unabhängig sein. Mehrere Anläufe, eine Ausbildung in der Gastronomie zu starten, gingen schief, weil kein Schulabschluss vorliegt. Ziel des 31-Jährigen ist: „In einer Küche würde ich gerne arbeiten.“ In Brötzingen hatte er vor Jahren bereits eine Arbeitsstelle in einem Restaurant. Aufgrund eines persönlichen Schicksalsschlags „bin ich abgehauen. Das tut mir leid. Das würde ich heute nicht mehr machen.“