Rund 200 Jahre waren die Azteken ziellos umhergewandert, da gab ihnen ihr Haus- und Kriegsgott Huitzilopochtli einen wichtigen Hinweis. Am Ufer des großen Sees würden sie auf einem Steinkaktus einen Adler finden, der eine Schlange in den Fängen hielt. „Dort soll es schon sein“, sagte der Gott den Mexikanern, wie sich die Azteken selbst nannten. „Und sie bewunderten den Ort, wo unsere Stadt sein wird“, berichtet die „Crónica Mexicayotl“, in der Azteken unter spanischer Herrschaft die Geschichte ihres Volkes niedergeschrieben haben.
Einen der ältesten Orte der berühmten Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan haben Archäologen in Mexiko-Stadt entdeckt. Im Zentrum der modernen Kapitale stießen Forscher des Nationalinstituts für Anthropologie und Geschichte (INAH) Anfang 2020 auf die Überreste eines Temazcal, eines Dampfbades. Seine Datierung verweist ins 14. Jahrhundert n. Chr., also in jene Epoche, in der die Azteken seit etwa 1325 darangingen, auf einer Insel im See von Texcoco ihre neue Metropole zu errichten.
Ein Archäologe des INAH in den Überresten des Bades
Quelle: dpa
Mit dem Fund kann zugleich der Stadtteil Temazcaltitlan, der in der „Crónica Mexicayotl“ und anderen Quellen als ältester von Tenochtitlan bezeichnet wird, genau bestimmt werden. Hier, im Osten der Insel, errichteten die Azteken ihre erste Siedlung. Sie wurde zum Kern von Teopan, einem der vier großen Bezirke der Hauptstadt.
Aufgrund der Überreste werden für das Wasserbecken die Maße von fünf mal 2,98 Meter angenommen. Die Einrichtung des Bades stand wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Kult mehrerer weiblicher Gottheiten, die in diesem Viertel Tenochtitlans verehrt wurden.
Als der spanische Konquistador Hernán Cortés 1519 zunächst als Gast des Kaisers Moteuczoma II. in Tenochtitlan einzog, zählte die Stadt zu den größten der Welt. Historiker schätzen, dass sie von 150.000 bis 200.000 Menschen bewohnt war. Das wurde in Europa vielleicht von Paris erreicht und sicher von Konstantinopel und Peking übertroffen.
Damals erstreckte sich die Stadt auf der gesamten Insel, die von zahlreichen Kanälen durchzogen war. Drei mehrere Kilometer lange Dämme verbanden Tenochtitlan mit dem Festland, von wo aus Aquädukte Frischwasser lieferten. Denn der See bestand aus Brackwasser.
Die Ruinen eines Dampfbads in der früheren Aztekenhauptstadt Tenochtitlan
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Welche wichtige Rolle die Bäder bei den Azteken spielten, stellten die Spanier schnell fest. Denn trotz ihrer extremen Bevölkerungsdichte hielt sich der typische Gestank, den die Europäer aus ihrer Heimat gewohnt waren, sehr in Grenzen. Denn die Azteken legten großen Wert auf Körperhygiene. Auch wurden die Straßen täglich von tausend Männern gereinigt, wie der Spanier Cervantes de Salazar erstaunt feststellte.
Nur in den Tempelbezirken raubten die Gerüche der Menschenopfer den Spaniern schier den Atem, zitiert der Historiker Stefan Rinke aus der Chronik des Cervantes. Um diesen Gestank zu überdecken, trugen die aztekischen Adligen duftende Blumen mit sich, die auch in den zahlreichen Gärten gezogen wurden, die sich auf dem Stadtgebiet befanden.
1521 eroberte Hernán Cortés nach heftigen Kämpfen Tenochtitlan
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Im Juli 1520 gelang es den Azteken noch unter großen Verlusten, Cortés und seine Männer aus ihrer Hauptstadt zu vertreiben. Ein Jahr später aber rückten die Spanier, unterstützt von Zehntausenden indianischen Verbündeten, erneut gegen Tenochtitlan vor. Brücke für Brücke kämpften sie sich auf den Dammstraßen voran. „Die Stadt war ein Ort der Verwüstung. Leichen und Leichenteile verstopften die Wege, und der Verwesungsgestank war so fürchterlich, dass Cortés schlecht davon wurde“, schreibt Rinke.
Die Spanier errichteten auf den Ruinen die Hauptstadt ihres mittelamerikanischen Vizekönigreiches Neu-Spanien. Heute erstreckt sich über dem verlandeten See Mexiko-Stadt, eine Mega-City mit vielleicht 20 Millionen Einwohnern.
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Dieser Artikel wurde erstmals im Januar 2020 veröffentlicht.