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Was Bodenkundler im Klimawandel raten

Dieter Knakowski steht in einer Grube, frisch ausgebaggert in der Dauerkultur von "Christbaum Klug" am Hang unterhalb des Bergsees in Mittelsinn auf 385 Meter Höhe. Der 66-jährige studierte Bodenkundler und Bodenschätzer des Finanzamts Aschaffenburg prüft und vermisst die Strukturen der einen Meter hohen Wand: "Gar nicht so schlecht", lautet sein Urteil. Nach einigen Berechnungen vergibt er die Bodenklasse 30 und die Zustandsnote 4. Die Grube war am Samstag Mittelpunkt des Feldtags der Interessengemeinschaft der Jungweihnachtsbaum-Anbauer (IGW) zum Thema Klimaresilienz. 24 Anbauer vor allem aus Bayern, aber auch aus anderen Bundesländern nahmen daran teil, heißt es in einer Pressemitteilung der IGW. Ihr sind folgende Informationen entnommen.

"Es besteht dringender Handlungsbedarf", sagt Knakowski dem Weihnachtsbaum-Anbauer Uwe Klug. Dauerbegrünung sowie Kalk, Kalk und nochmals Kalk – mit diesem Ratschlag an die Landwirte, Gärtner und Winzer ist sich der Bodenkundler aus Schöllkrippen mit seinem Kollegen Hans Koch aus Hallstadt bei Bamberg einig. Der 59-Jährige erforscht seit Jahrzehnten die Abläufe im Boden und gilt im Landbau als Spezialist für Unter- und Beisaaten.

Die beiden Agraringenieure lernten sich erst beim Feldtag kennen. Dass sie weitgehend für dieselben Maßnahmen zur Bodenverbesserung und Klimaresilienz werben, schien auch Skeptiker unter den Zuhörern zu überzeugen. Dabei entsprechen viele der Vorschläge Anbaumethoden früherer Zeiten, als es noch keine großen Landmaschinen und Kunstdünger gab. Mit Kalk dem Wasserhaushalt und dem Leben im Boden und damit der Fruchtbarkeit auf die Sprünge zu helfen, ist seit Jahrhunderten üblich.

Folgen des Klimawandels mildern

Die Referenten versprechen dabei nicht nur eine deutliche Ertragsverbesserung, sondern auch den Erhalt beziehungsweise die Sanierung landwirtschaftlicher Flächen sowie eine effektive Vorbeugung gegenüber den Folgen des Klimawandels. Dieter Knakowski berechnete die Wasserspeicherfähigkeit des kargen Hangs am Mittelsinner Bergsee mit 80 Liter je Kubikmeter, wenn er begrünt ist. Die Menge ließe sich kurzfristig durch Kalkgaben und den Verzicht auf Pflügen und Eggen um fünf Liter steigern. Die allerbesten Böden können sogar 200 Liter aufnehmen.

So ein Spitzenwert lässt sich im Buntsandstein-Verwitterungsgebiet des Spessarts allerdings nicht annähernd erreichen. Der Grund dafür ist der hohe Säuregehalt der Erde. Die 20 bis 25 Zentimeter starke Humusschicht hat einen pH-Wert von 5,5 bis 5 (7 ist der Neutralwert). Darunter, in der Spessart-typischen Braunerde, steigt der Säuregehalt bis auf 4 an in 80 Zentimetern Tiefe. Diese Schicht ist noch durchwurzelbar und es finden sich die wichtigen Bodenlebewesen wie der Regenwurm. Darunter jedoch steigt der Säuregehalt auf 3,8 bis 3,5, was weder Pflanzen noch Tiere vertragen. Der hohe Wert erklärt sich laut Knakowski mit dem sauren Regen in den 1960er Jahren.

Damit das Wasser im Boden bleibt

Dass der Bodengutachter das Feld am Mittelsinner Bergsee im Vergleich zu den üblichen Grenzertragsböden des Spessarts als "gar nicht so schlecht" beurteilte, erklärt sich mit dessen Geschichte. Uwe Klug berichtete, in alten Zeiten sei dort Ackerbau betrieben worden, bis die geringen Erträge den Aufwand nicht mehr lohnten. Aus dieser Zeit stammt die Humusschicht. Danach wurden einige Jahrzehnte Fichten angepflanzt. Durch Kalkgaben können sich die wertvollen Ton-Humus-Komplexe bilden, die entscheidend sind für die Wasseraufnahme- und Wasserspeicherfähigkeit (nutzbare Feldkapazität). Ein intakter, krümeliger Boden sichert die Wasserversorgung der Pflanzen und puffert sowohl Starkregen als auch Trockenperioden. Des Weiteren senkt Kalk den Säuregehalt, was dem Bodenleben bekömmlich ist. Bei Starkregen wird die fruchtbare Erde am Hang nicht ins Tal abgeschwemmt.

Beide Referenten raten Landwirten zu regelmäßigen Untersuchungen ihrer Standorte. Dies gebe Aufschluss, welche Mineralien gegebenenfalls zugeführt werden müssen. Für die Christbaumkultur von Uwe Klug lautete die Empfehlung zu kalken. Der Kalk sickert über Jahre ein und repariert so auch den säuregeschädigten Boden in der Tiefe.

Dienende Pflanzen statt Egge und Pflug

Vor vier Jahren begann der Mittelsinner, seinen 100 Hektar großen Betrieb von der konventionellen Bewirtschaftung auf die von Koch entwickelte Untersaaten-Methode umzustellen. Dabei werden, ähnlich wie bereits im Weinbau, gezielt sogenannte dienende Pflanzen (Kräuter, Gräser, Kleearten) eingesät, dank derer auf Kunstdünger und Herbizide verzichtet werden kann. Dass dies die Zukunft der Landwirtschaft ist, davon ist Hans Koch überzeugt, allein schon, um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Sie schränken die bisher übliche Düngung und neuerdings auch die Bodenbearbeitung ein, immer mehr Pflanzenschutzmittel verlieren die Zulassung. Kritik an der Landwirtschaftspolitik übt Koch insofern, als dass Bodenverbesserung und ökologisch wertvolle Dauerkulturen in keinem Förderprogramm berücksichtigt sind. Dabei gelte: "Der Erhalt der Humusschicht ist die Riesenleistung der Landwirtschaft."

Laut Dieter Knakowski werden in Hanglagen zehn Tonnen Erde je Hektar und Jahr abgeschwemmt – dieser natürliche Erosionsprozess sei nur mit gut durchwurzelten Humusböden zu begrenzen, die nach Möglichkeit zusätzlich durch eine Mulchschicht geschützt sind.

Dünger-Ausbringung mit der Drohne

Die Bodenbearbeitung mit Pflug und Egge sieht der 66-Jährige, selbst gelernter Landwirt, generell kritisch, denn sie belüftet den Boden mit Sauerstoff, was Kompost und Humus abbaut. Dienende Pflanzen, so sein Kollege Koch, können mit ihren Wurzeln das Erdreich gründlicher und tiefer lockern als jede Maschine. Überdies verdrängen sie Unkräuter. Über die IGW erforscht die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein Untersaaten-Einsatz. Hans Koch hofft, dass sich auch in Bayern, Baden-Württemberg oder Österreich amtliche Stellen damit befassen werden.

Wie lehmummanteltes Saatgut, aber auch natürlicher Dünger in Form von gequetschten Hülsenfrüchten schonend ausgebracht werden können, demonstrierte beim Feldtag in Mittelsinn Manuel Ursel (Bergtheim). Seine Firma Agrar-Copter setzt große Drohnen im Weinbau und in der Landwirtschaft ein.