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Wegen des Klimawandels: Der Wald braucht einen Lebensretter

Von: Max Wochinger

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Liebe zum Wald: Wilhelm Seerieder setzt alles daran, um das Baumsterben im Forstenrieder Park aufzuhalten.
Liebe zum Wald: Wilhelm Seerieder setzt alles daran, um das Baumsterben im Forstenrieder Park aufzuhalten. © Robert Brouczek

Wie viele andere Wälder in der Region ist auch der Forstenrieder Park in Gefahr: Die Bäume sterben. Mit dem Vier-Baum-Prinzip wappnen sich die Förster gegen die Klimaerwärmung. Es ist ein Generationenprojekt.

Landkreis – Den Fichten im Forstenrieder Park geht’s schlecht. „Sie sind in einem extrem labilen Zustand“, sagt Wilhelm Seerieder. Er leitet den Staatsforstbetrieb München und hat das Sagen über 18 360 Hektar Wald. Die hohen Temperaturen setzen dem Brotbaum der Forstwirtschaft stark zu, Trockenheit und schwere Stürme geben ihm den Rest. In dieser Umgebung hat auch der Borkenkäfer eine leichte Beute. Seerieder (62) fährt auch an diesen warmen Maitag in den Wald, das Radio vermeldet eine weitere klimatische Schreckensnachricht: Die globalen Temperaturen sollen noch schneller steigen. Die Weltwetterorganisation der UN (WMO) sehe eine 50-prozentige Chance, dass der Temperaturanstieg in mindestens einem der kommenden fünf Jahre die kritische Marke von 1,5 Grad überschreiten wird. Für die Bäume im Forstenrieder Park bedeuten steigende Temperaturen Stress – Trockenheitsstress.

Die Belastung für die Fichten beginnt bereits nach drei Wochen ohne Regen, erklärt Forstchef Seerieder. Und der Schädling wartet schon: der Borkenkäfer. „Der Baum gibt dann eine Art Signal an den Borkenkäfer: ’Ich bin geschwächt’.“ Der Schädling stürzt sich auf den labilen Baum und bohrt einen Gang in den Stamm; in der sogenannten Rammelkammer legen sie ihre Eier ab. Üblich sind zwei Generationen pro Jahr, bei Hitze können es drei und mehr werden.

Seerieder betont, dass der Käfer eigentlich Teil des Ökosystems ist. „Zum Problem wird er dann, wenn Massen daraus werden.“ Ist ein Baum befallen, müssen die Revierleiter und Forstarbeiter schnell reagieren: Vom Erstbefall bis zum Weiterflug zum nächsten Baum vergehen nur vier Wochen, sagt der Forstwissenschaftler. „Wir suchen nach dem neuralgischen Punkt“: braunes Bohrmehl am Boden etwa oder Harz am Stamm sind Indizien für den Eindringling.

Die kranken Bäume müssen schnell aus dem Wald; während den Spitzenzeiten des Borkenkäfers im August verhängt Seerieder schon mal eine Urlaubssperre.

Übersicht per App: Rot markiert sind Fichten, die vom Borkenkäfer befallen sind. Andere Baumarten sind blau eingezeichnet, diese Bäume wurden etwa vom Wind umgeworfen.
Übersicht per App: Rot markiert sind Fichten, die vom Borkenkäfer befallen sind. Andere Baumarten sind blau eingezeichnet, diese Bäume wurden etwa vom Wind umgeworfen. © Robert Brouczek

Für die Kennzeichnung der kranken Bäume nutzt der Forstbetrieb keine unhandlichen Landkarten mehr – sondern eine App. Mit roten und blauen Punkten sowie Sternen sind darin Bäume markiert, die vom Borkenkäfer befallen sind oder vom Wind geschädigt wurden – die Waldarbeiter holen die befallenen Bäume mit dem Harvester aus dem Forst. Der Blick auf das Smartphone zeigt das Ausmaß der Klimaveränderung im Forstenrieder Park – die Karte ist übersät mit roten und blauen Markierungen.

„Der Borkenkäfer geht schnell rum“, sagt Seerieder. Allein 2018 holte der Forstbetrieb München 100 000 Festmeter mit Schädlingsbefall aus dem Wald. Die Fichten hier sind besonders anfällig für den Käfer: die Bäume speichern nur wenig Wasser. Der Grund dafür ist der Boden.

Der Forstenrieder Park befindet sich in der sogenannten Münchner Schotterebene, der Boden ist nur einen halben Meter tief – darunter liegt eiszeitlicher Schotter. Die Bäume können nicht tief wurzeln. „Das Grundwasser ist 20 Meter unter uns“, sagt Seerieder im Forst. Die Wurzeln erreichen das Wasser weit unten im Boden nicht, die Bäume sind also auf Wasser von oben angewiesen.

Nur, der Regen bleibt immer öfters aus. Zudem toben heftige Stürme: „Seit 2005 gab es drei große Stürme“, sagt Seerieder. Nach jedem der Stürme habe sich der Borkenkäfer besonders gut ausbreiten können. Seit rund 20 Jahren würden die Bäume auch an Trockenschäden leiden – sie trocknen einfach aus.

Die bayerischen Staatsforsten rüsten sich aber gegen die Klimaveränderung – mit dem Vier-Baum-Konzept. Weil ein Reinbestand an Fichten besonders angreifbar für Schädlinge ist, bauen die Förster den Wald um. Der Forstenrieder Park wird so Stück für Stück in einen klimastabileren Mischwald umgewandelt, schon seit den 80er Jahren arbeitet der Betrieb daran. Es ist eine gewaltige Generationenaufgabe.

Auf Infotafeln erfahren Spaziergänger zum Beispiel Wissenswertes über die Eichenförderung, etwa warum die Eiche so wertvoll für den Naturschutz ist und welche Funktion die Zäune haben.
Auf Infotafeln erfahren Spaziergänger zum Beispiel Wissenswertes über die Eichenförderung, etwa warum die Eiche so wertvoll für den Naturschutz ist und welche Funktion die Zäune haben. © Robert Brouczek

Mit dem Vier-Baum-Konzept wird der Forst mit mindestens vier verschiedenen Baumarten durchmischt – zumindest drei müssen klimatolerante Baumarten sein. Buche, Tanne oder Douglasie etwa. Auch Eichen pflanzt der Forstbetrieb, sie haben die größte Toleranz aller heimischen Baumarten gegen steigende Temperaturen und Trockenheit, so Seerieder.

Die Klimaerwärmung fordert ihren Preis: Die Bepflanzung von einem Hektar mit Eichenkulturen kostet 15 000 Euro. In manchen Jahren setzt der Forstbetrieb 250 000 Pflänzlinge.

Noch vor 50 Jahren wuchsen im Forstenrieder Park zu 70 Prozent Fichten, mittlerweile ist der Anteil auf 55 Prozent gesunken, sagt Seerieder. Das Ziel: nur noch 40 Prozent im Jahr 2070. „Ziemlich sportlich“ nennt der Forstchef den Plan.

Fichte hin, Buche her: Besser als der Waldumbau wäre „eine andere Umweltpolitik“ der Staatsregierung, findet Wilhelm Seerieder. Ein Umdenken erhofft sich der Chef vom Forstenrieder Park vor allem auch von den Menschen, die den Wald so lieben: „Wir müssen unser Verhalten, was Energie angeht, ändern“.

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