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Wieduwilts Woche: Ein Prinz mit Putschplänen macht noch keinen Luke Skywalker

Ein Prinz und ein Haufen esoterischer Reichsbürger wollen gewaltsam Bundeskanzler Olaf Scholz ersetzen. Die Sicherheitsbehörden reagieren rechtzeitig. Wir kennen diesen Wahnsinn seit Hundert Jahren - warum finden wir keinen Umgang mit den Ursachen?

Die Dinge wiederholen sich, eigentlich ist ja nichts mehr wirklich neu. "Niemand glaubte an Kriege, an Revolutionen und Umstürze", lese ich im autobiografischen Werk von Stefan Zweig ("Die Welt von gestern"): "Alles Radikale, alles Gewaltsame schien bereits unmöglich in einem Zeitalter der Vernunft." Klingt vertraut, sehr vertraut. Bei Zweig kam dann der Erste Weltkrieg, heute ist es Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine.

So ist es auch mit dem nun verhinderten Umsturz durch "Prinz Heinrich XIII." und seine esoterisch-rechtsradikale Meute. Dass eine Gruppe von Verratengefühlten eine groteske Revolution probiert, gab es schon einmal: 1923 ging es Adolf Hitler bei seinem Putsch-Versuch um die Absetzung einer Regierung von "Novemberverrätern". Doch so weit muss niemand im Geschichtsbuch blättern: Im Januar 2020 stürmten Anhänger von Donald Trump das Kapitol, weil ihnen die Wahl "gestohlen" worden sei.

Nun wollten also deutsche Esoteriker Bundeskanzler Olaf Scholz durch einen Prinzen ersetzen. Es klingt nach einer entgleisten Satire, aber, so versichern die Fachleute, man sollte die Sache wohl ernst nehmen. Die "Reichsbürger" wieseln mit ihren erfundenen Souveränitätsmythen seit vielen Jahren durch die Republik, aber die Pandemie gab ihnen ordentlich Zunder. Auch das überrascht nicht: Schon im Jahr 2019 hat ein Politikwissenschaftler diese Prognose nüchtern bei der Bundeszentrale für politische Bildung hinterlegt.

Die Rache der Zukurzgekommenen

Es ist immer die Rache der Zukurzgekommenen. Die Trumpisten wollen ihre Wahl zurück. Reichsbürger ("Souveränisten") fiebern einem Tag X entgegen, an dem dann "abgerechnet" wird - zumal nachdem unter dem Vorwand einer Pandemie eine "Diktatur" errichtet worden sei. Corona-Schwurbler meinen, jetzt, da die Pandemie glimpflich überstanden scheint, sei die Zeit für die Abrechnung mit der Politik, Medien und anderen "Systemlingen".

"Jaja, der Mensch sucht immer nach der einen Ursache", sagte mir einmal ein Mediziner müde und lakonisch im Gespräch über einen rätselhaften Krankheitsausbruch. Recht hat er: Der Zufall hat im Denken kein Zuhause. Wann immer uns ein Lebensereignis überfordert, suchen wir nach dem einen Grund und, vor allem, einem Schuldigen.

Hat jemand Krebs oder auch nur eine Erkältung, muss es irgendwie innerhalb seiner Kontrolle liegen. "Er hatte ja auch immer Stress", lautet dann die im Umfeld schnell gefundene Erklärung. Oder: "Du hast ja gestern auch am offenen Fenster gesessen." Wie unglaublich aggressiv dieses Denken wirken kann, weiß jeder, der eine chronische Krankheit hat und mit diesen penetranten Fragen konfrontiert wird. Das Motto, nicht zufällig: "Jedem das Seine". So lautete die Inschrift am KZ Buchenwald, es ist ein Spruch aus einem preußischen, staatsgläubigem Gerechtigkeitsideal.

Immer wieder die Juden

Krebs kann eben kein Zufall sein. Die Terroranschläge vom 11. September können kein Zufall sein. Armut kann kein Zufall sein. Dass ein Virus durch Mutationen dermaßen ätzend wird, dass es einen ganzen Globus lahmlegt, kann natürlich auch kein Zufall sein. Es muss entweder der Mensch hinter der Erkrankung stecken ("Labor-Theorie") oder jedenfalls hinter den staatlichen Maßnahmen ("Corona-Diktatur").

Und liegt es nicht letztlich alles am Kapitalismus, dem Westen, Bill Gates und, klar, immer, immer, immer wieder, den Juden? Jede noch so abwegige Erklärung, jeder noch so hanebüchene Unsinn schafft es ins Denken, wenn es die Illusion der totalen Lebenskontrolle aufrechterhält. Dieser Drang eint uns alle - die Frage ist, wie wir mit diesem Instinkt umgehen.

Heinrich der XIII. hat diese Frage beantwortet. Der Revolutionsprinz mit dem Nick Knatterton-Jacket machte schon 2019 klar, welch ein geistiges Gerümpel unter seinem Dachstuhl vor sich hinmodert: Internationale Finanzmächte hätten schon hinter dem Ersten Weltkrieg gesteckt, sagte er damals, die Rothschilds - die Juden - steckten schon hinter der französischen Revolution. Da es kein Friedensabkommen gebe, würde Deutschland noch heute von den Alliierten kontrolliert - Sie kennen das Lied: Reichsbürgerfolklore. Aber das Schöne: Man weiß, wer schuldig ist, der Zufall ist gebannt.

Siegerehrung mit Prinzessin

Revolution ist außerdem fraglos sexy. Die beste aller "Star Wars"-Adaptionen, die aktuell auf Disney+ ausgestrahlte Serie "Andor", beschäftigt sich endlich mit den Ursprüngen der "Rebellion", einschließlich der nötigen Opfer und Gewalttaten. Rebellen, vor allem die Hauptfigur Cassian Andor, sind hier zwielichtige Helden. Die Hauptfigur ermordet alle paar Episoden spontan andere Menschen, aber, sie ist, dennoch, ein Held. In seiner Tradition wird Luke Skywalker dereinst unter Jubel einen künstlichen Planeten sprengen, den "Todesstern".

Teil einer Rettungsbewegung zu sein, führt zu einer unwiderstehlichen Biografievergoldung. Alles, was im Leben schief lief, ist ab sofort Teil einer Heldenreise. Die Reichsbürger fühlen sich vermutlich alle ein bisschen wie Andor und Skywalker: Einer gesichtslosen Regierung gegenüber, umzingelt von Phlegma, Unwissenheit oder sogar Regimetreue, kämpfen sie für die Wahrheit. Aus Armut, beruflichem Misserfolg und Abgehängtsein in der tiefsten Galaxieprovinz katapultieren sie sich ins Rampenlicht, einschließlich Siegerehrung mit Prinzessin.

Auch diese Selbsterhebung ist nicht neu - auch dazu findet sich erschreckend Aktuelles in Stefan Zweigs autobiografischem Werk: "Jeder einzelne erlebte eine Steigerung seines Ichs, er war nicht mehr der isolierte Mensch von früher, er war eingetan in eine Masse, er war Volk, und seine Person, seine sonst unbeachtete Person hatte einen Sinn bekommen."

Fünf Sterne, gerne wieder

Es ist bemerkenswert, dass wir all das längst wissen und offenbar keine politische Antwort finden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser möchte nun das Disziplinarrecht verschärfen, um verfassungsfeindliche Beamte leichter aus dem Dienst zu entfernen. Künftig müssten sie den Nachweis der Verfassungstreue erbringen, wenn sie ihren Job behalten wollen - nicht andersherum. Es klingt so mittelfair.

Die Maßnahme ist eine Symptombekämpfung wie die endlosen Debatten um Hassrede und "Fake News". Eine Antwort für die sich abgehängt fühlenden Teile unserer Gesellschaft ist das nicht. Aber, immerhin: Die Behörden haben reagiert, bevor Prinz Heinrich XIII. und seine durchgeknallte Entourage Schlimmeres anrichten konnten. Doch sie landen im Präventionsparadoxon: Wer vorsorgt, bekommt keine Blumen. Weshalb man den Sicherheitsbehörden umso lauter sagen muss: Danke, fünf Sterne, gerne wieder.