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WM-Aus, Unmut, Machtkampf: Czestochowa-Verteidigung zerstört Robert Lewandowski

Robert Lewandowski trifft in seinem siebten WM-Spiel zum zweiten Mal. Mit seinem insgesamt 78. Länderspieltreffer zieht er in einen illustren Kreis ein, doch glücklich ist er nach dem Aus gegen Frankreich nicht. Das hat auch mit der Nationalheiligen des deutschen Nachbarns zu tun.

Inmitten der schlesischen Stadt Czestochowa thront auf dem Jasna Gora, dem Hellen Berg, eines der identitätsstiftenden Gebäude Polens. Im Paulinerkloster befindet sich das wertvollste Nationalheiligtum - die Schwarze Madonna von Czestochowa. Jahr für Jahr pilgern Millionen zu ihr. Sie ist die Seele der Nation, dunkel und schön wartet sie dort im heiligen Kloster. Sie wurde im 15. Jahrhundert mit Säbeln traktiert, von Plünderern beinahe zerstört, seither trägt sie Narben auf der Wange. Sie war es der Legende nach, die im Jahr 1655 wenige hundert Polen zum Sieg gegen die Schweden führte.

Damals verschanzten sich die Polen im Kloster und leisteten heftigen Widerstand gegen die Übermacht schwedischer Angreifer. Immer wieder versuchten diese, das Kloster zu übernehmen, doch der Rückzug war die beste Verteidigung. Die Polen siegten. Ein Jahr später erhob König Johannes Kasimir die Schwarze Madonna zur Königin von Polen. Sie ist die Schutzherrin der Nation.

Czestochowa war vor dem Spiel gegen Frankreich ein Riesenthema in Polen. Das erste WM-Achtelfinale seit 1986 steht unter keinem guten Stern. Schon vor dem Turnier schimpfen die rund 38 Millionen Nationaltrainer Polens über den zu defensiven Ansatz der Nationalmannschaft. Die Auftritte in Katar bestätigen sie. Im letzten Gruppenspiel gegen Argentinien ergaunern sie sich das Weiterkommen mit einem 0:2 und nur weil im Mexiko im Parallelspiel verzweifelt und glücklos gegen das Ausscheiden anstürmt.

Ex-Keeper Dudek zürnt

Keine "Czestochowa-Verteidigung" mehr, fordert der ehemalige Nationalkeeper Jerzy Dudek. Was er meint: Nicht mehr verschanzen, nicht mehr den ultra-defensiven Ansatz wählen und auf die Schwarze Madonna vertrauen. Nicht mehr den Bus parken, wie es in der restlichen Fußballwelt genannt wird. Nationaltrainer Czeslaw Michniewicz wird für seine Negativität stark kritisiert. Auch, weil er Robert Lewandowski aus dem Spiel nimmt. Weil er ihn zu einem Mittelfeldspieler verkommen lässt. Der Nationaltrainer macht, sagt Dudek, "aus einem der besten Stürmer der Welt einen der durchschnittlichsten Spieler".

Keine guten Voraussetzungen für das Spiel gegen Frankreich. Dabei winkt das Viertelfinale. Der Weltmeister hatte gegen Tunesien durchrotiert, verloren und könnte aus dem Rhythmus geraten sein. Man müsste sie nur attackieren, nicht nur alle Hoffnungen auf Keeper Wojciech Szczesny legen, der gegen Argentinien schon das 0:2 und das Weiterkommen sicherte. Ein 0:2 aber wäre das Aus. Es gibt keinen Weg, mit einer Niederlage ein Achtelfinale zu erreichen.

Es ist etwas besser gegen Frankreich, aber das hat wenig mit dem ehemaligen Bayern-Star zu tun. Immer wieder lässt Lewandowski sich ins Mittelfeld fallen, weicht auf die rechte Seite aus, organisiert aus der Tiefe das Spiel der Polen und versucht, den Ball in Richtung Strafraum zu bringen. Doch dort steht kein Lewandowski. Dort steht niemand. Frankreich kann abwarten, die Bälle erobern und mit schnellen Pässen über Kylian Mbappé Gefahr bringen. Sein Gegenspieler, Matty Cash, ein Engländer in Diensten der Bialo-Czerwoni, der Weiß-Roten, ist überfordert.

Stimmung im Stadion lässt jeden kalt

Damit ist er nicht allein. Frankreich ist zu stark für Polen. Damit hat jeder gerechnet. Aber: Der Ansatz ist diesmal, anders als gegen Argentinien, nicht ganz so negativ. Ihnen spielt auch Frankreichs unkonzentriertes Spiel in die Karte. Zu oft erlaubt sich der Weltmeister gerade in der ersten Halbzeit defensive Ungenauigkeiten, doch auch die größte Chance auf einen Treffer in der 38. Minute wird vergeben. Piotr Zielinski und Jakub Kaminski bringen den Ball aus kurzer Distanz nicht über die Linie. Wenig später trifft Olivier Giroud. Halbzeit und das Ende der polnischen Hoffnung.

In der zweiten Halbzeit herrscht bei diesem Spiel zweier europäischer Mannschaft im ohnehin nicht gut besuchten Al Thumana eine Stimmung, die jeden kalt lässt. Zu klar verteilt sind die Rollen, zu wenig Unterstützung haben beide Teams auf den Rängen. Die, die gekommen sind, sehen weiterhin Lewandowskis verzweifelten Kampf gegen das Vergessen. Immerhin kann er nach Mbappés Doppelpack im zweiten Anlauf noch einen Elfmeter an Hugo Lloris vorbeibringen. Es ist ein klassischer Lewandowski. Anlauf, Zwischenschritt, verzögern, den Torwart ausschauen. Dann ist es vorbei.

Was nun, Robert Lewandowski?

Die Bundesliga-Legende hat nun 78 Treffer für sein Land erzielt, ist am großen Pelé vorbeigezogen und steht in den Top 10 der Spieler mit den meisten Treffern für sein Land. Doch, was Lewandowski in diesen Tagen von Katar widerfahren ist, dürfte ihm kaum gefallen. Auch abseits des Platzes wird klar, dass er nie in der ersten Riege des Weltfußballs mitgespielt hat. So sehr er sich in den letzten Jahren auch mühte, sein Ruf strahlte nie in die Welt der Stars. Eine kalte, effiziente Tormaschine erobert keine Herzen.

Auf den Straßen Dohas reden die Menschen von Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, also von den Ikonen unserer Zeit. Für sie ist es ebenfalls das letzte Turnier und die Menschen sind von ihnen fasziniert. Lewandowski lässt sie nicht eskalieren. Es gibt keine Lewandowski-Trikots in Katar. Wenn er geht, werden sich nur wenige an ihn erinnern. Dem Kapitän der Polen ist es nie gelungen, für etwas außer Tore zu stehen. Das reicht nicht.

Nach 138 Länderspielen, nach 78 Treffern könnte es jetzt vorbei sein. Nach dem WM-Aus wollte er sich nicht festlegen. Er wolle endlich wieder "Freude am Spielen" haben. Die, sagte er im polnischen TV, sei bei ihm verschwunden. Man müsse sich ja nur die letzten Spiele anschauen. Der Beginn eines Machtkampfs. Mit seiner Czestochowa-Verteidigung wird Nationaltrainer Czeslaw Michniewicz nicht weit kommen. Die Nationalikone ist nicht er, die Nationalikone ist Robert Lewandowski. Auch wenn es nie zu Weltruhm gereicht hat.