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Zinsalarm aus Fernost: Aus China rollt die nächste Inflationswelle an

China fährt die Wirtschaft nach dem Lockdown wieder hoch. Doch das plötzliche Erwachen des Landes aus dem Corona-Schlaf könnte für die Weltwirtschaft zum Schock werden - und den Kampf der Notenbanker gegen die Preisspirale vereiteln, gerade als er zu wirken beginnt.

Die Preise haben sich weltweit in Höhen geschwungen, die Konsumenten ächzen lassen. Käufer und Käuferinnen interessiert vor allem, wann die Preisspirale ein Ende hat. Doch Anlass zu wirklicher Entwarnung gibt es nicht. Die Ökonomenschar geht im Groben und Ganzen eher von anhaltenden höheren Preisen aus. Und das wäre noch nicht das schlimmste Szenario.

Laut IFO-Institut hat die Belastung der deutschen Verbraucher im Januar noch einmal deutlich zugenommen. Immerhin planen jetzt weniger Unternehmen in Deutschland, ihre Preise noch weiter zu erhöhen. Das Barometer für die Preiserwartungen für die nächsten drei Monaten sank im Januar auf den niedrigsten Stand seit mehr als anderthalb Jahren. "Wir haben den Scheitelpunkt der Inflationswelle hinter uns gelassen", kommentierte IFO-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser die Zahlen verheißungsvoll.

Was wie Musik in den Ohren der - vor allem durch die Energiepreise - gebeutelten Käuferschaft klingt, ist aber längst noch keine ausgemachte Sache. Auch das IFO-Institut warnt, dass die Preise von ihrem aktuellen Niveau nur langsam zurückkommen dürften. Zudem wird sich die Teuerung nicht in jedem Bereich gleichermaßen entspannen. Das eigentliche Problem lauert aber noch ganz woanders: Krisen - ob Virus-Pandemie, Rezession oder Inflation - sind in einer globalen Welt nicht isoliert. Mit großer Sorge blicken Ökonomen deshalb wieder nach China und das dortige Ende der Corona-Maßnahmen.

Erst der Virus, dann die Rezession, dann die Inflation

"Es wird von dort höheren Inflationsdruck geben", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde kürzlich beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Als einen Grund hierfür nannte sie die stärkere Nachfrage Chinas nach Flüssiggas.

Kristalina Georgieva, die Leiterin des Internationalen Währungsfonds, äußerte sich in Davos ähnlich. Chinas Abkehr von von der Null-Covid-Strategie sei wahrscheinlich der wichtigste Einzelfaktor für das globale Wachstum im Jahr 2023. Gleichzeitig warnte sie jedoch vor den Folgen für die Inflation. "Was ist, wenn die gute Nachricht, dass China schneller wächst, dazu führt, dass die Öl- und Gaspreise in die Höhe schnellen und die Inflation unter Druck setzen?" Der Notenbankchef der Bank of Korea, Rhee Chan-Yong, und die Vizechefin der US-Notenbank, Lael Brainard, äußerten im Januar ebenfalls ihre Besorgnis über die Auswirkungen auf die Inflation.

Fakt ist: Chinas Wirtschaft und Verbraucher scharren mit den Füßen. Nach Berechnungen der Finanzagentur Bloomberg gab es in den ersten vier Feiertagen zum Mondneujahr knapp 96 Millionen Reisen mit Flugzeugen, Zügen und Autos. Allein die Einnahmen aus dem Inlandstourismus beliefen sich auf 375,84 Milliarden Yuan (etwa 56 Milliarden US-Dollar), berechnete die Denkfabrik CGTN. Das ist ein Anstieg von 30 Prozent zum Vorjahr. Die Chinesen wollen wieder reisen und endlich jahrelang aufgeschobene Anschaffungen machen. Hongkong fördert den Bewegungsdrang zusätzlich mit 500.000 Flugtickets, die im Rahmen der Kampagne "Hello Hong Kong" verschenkt werden. Sie soll dringend benötigte Besucher anlocken. Hongkong hofft, dass jede Person, die ein Ticket erhält, zwei bis drei weitere Freunde oder Familienmitglieder nach Hongkong mitbringt. Das soll die Wirtschaft ankurbeln.

Geht Chinas Rechnung auf, dürfte der Nachholbedarf der Menschen, die lange im Lockdown geschmort haben, der Konjunktur einen Schub verleihen, dessen Folgen auf die Weltwirtschaft nur schwer zu prognostizieren sind. Der Unterschied zwischen Lockdown und Öffnung in China entspricht laut Bloomberg einer geschätzten zusätzlichen Nachfrage von rund 500 Milliarden US-Dollar. Die Stimmung in Chinas Wirtschaft hat sich bereits erstmals seit Monaten wieder aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex PMI stieg im Januar im Vergleich zum Vormonat deutlich. Bloomberg-Ökonomen rechnen mit einem Wirtschaftswachstum in China von 5,8 Prozent in diesem Jahr. Dem Rest der Welt, wo sich Zinsen und Inflation gerade wieder in die richtige Richtung bewegen, könnte das zu Unzeiten einen Schubs in die falsche Richtung geben.

Energie- und Rohstoffpreise steigen

Wie die Wachstumsfantasien in China die Preise in die Höhe schnellen lassen, sieht man bereits am Rohstoffmarkt. Die Konjunkturlok der Welt, die wieder unter Dampf steht, hungert nach Rohstoffen. Der Kupferpreis ist bereits auf 9000 US-Dollar je Tonne gestiegen und die Ölpreise sind von einem Tiefstand von 70 US-Dollar je Barrel WTI im Dezember auf über 80 Dollar geklettert. Rohstoffexperten halten auch Preise von über 100 Dollar für möglich.

Pekings Abkehr von der Null-Covid-Strategie und das Erwachen der Wirtschaft aus dem Corona-Dornröschenschlaf sind Segen und Fluch zugleich. Für EZB, Fed und die Bank of England, die diese Woche alle ihre Zinsen angehoben haben, könnte der Kampf gegen die Teuerung zu einem gegen Windmühlen werden. Die Währungshüter sind in Habachtstellung: Die Politik erwarte von ihnen, dass sie "ein paar" weitere Zinserhöhungen vornehmen würden, sagte Fed-Chef Jerome Powell, auch wenn sie ihre Bemühungen zur Eindämmung der Inflation verlangsamen würden. Und EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, es habe eine "sehr, sehr große Mehrheit" im Rat für den Zinserhöhungsbeschluss und die "Absichtserklärung" gegeben, im März nachzulegen. Die Gefahr besteht, dass es noch nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Den Bloomberg-Experten zufolge, die sich die Wechselwirkungen von Chinas Wachstum, Energiepreisen und globaler Inflation genau angeschaut haben, dürfte die Teuerungsrate im letzten Quartal 2023 bei einem überdurchschnittlichen Wachstum in China von 6,7 Prozent um bis zu zwei Prozentpunkte klettern. Bei einem Wirtschaftswachstum von 5 Prozent wäre es immerhin noch ein Prozentpunkt mehr. Angesichts der Höhen, in denen sich die Teuerungsraten der großen Industrienationen USA (9,1 Prozent), Eurozone (8,5 Prozent) und Großbritannien (10,5 Prozent) bewegen, könnte das fatal sein.

Auch wenn Unsicherheiten bleiben: Eine Konjunktur-Lok China, die nicht nur das globale Wachstum anschiebt, sondern auch die globale Inflation, wäre höchst unwillkommen. Inflationsbekämpfung ist keine Einbahnstraße. Die Teuerungsrate kann sinken, sie kann aber auch wieder steigen. Und es ist zumindest nicht auszuschließen, dass der Scheitelpunkt der Inflation nicht hinter, sondern noch vor uns liegt - potenzielle Gefahren lauern in China einige. Die offensichtlichste ist ein möglicher Überfall auf Taiwan.