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Zoff in Pressekonferenz - Scholz scheitert an Brasiliens Lula

Von: Angelika Hellemann (Zzt. in Brasilia)

Am Anfang und am Ende gab es für Olaf Scholz (64, SPD) eine Umarmung von Lula da Silva (77). Dazwischen verteilte Brasiliens wiedergewählter Präsidenten verbale Ohrfeigen.

Der Besuch in der Hauptstadt Brasilia ging für Scholz ziemlich schief. Eigentlich wollte der Kanzler Lula über die russischen Lügen aufklären, die die Propaganda-Maschine von Kreml-Diktator Wladimir Putin (70) über den Ukraine-Krieg verbreitet. Eine Stunde lang hatten Lula und Scholz im Präsidentenpalast unter vier Augen gesprochen.

Bei der anschließenden Pressekonferenz musste sich Scholz dann anhören, wie Lula munter Putins Propaganda verbreitete: Er wisse nicht, „warum der Krieg angefangen hat“. Keiner wolle jetzt zurückweichen. Mit jedem Satz verteilte Lula die Schuld am Krieg an beide Seiten.

Die einzige Kritik, die Lula an Russlands verbrecherischem Angriffskrieg übte, endete wieder im Schuldzuschieben an die Ukraine: „Russland hat den klassischen Fehler begangen, in das Territorium eines anderen Landes einzudringen. Aber ich denke immer noch: Wenn einer nicht will, streiten zwei nicht.“

Offenbar hatte Lula dem Kanzler nicht zuhören oder ihm nicht glauben wollen. Denn Scholz hatte sich fest vorgenommen, dem Brasilianer zu erklären, warum Putin die alleinige Verantwortung für den Krieg trage.

Damit drang er nicht durch – genauso wie mit seiner Bitte an Lula, der Ukraine mit einer Sache zu helfen: Kiew braucht dringend zusätzliche Munition für den aus Deutschland gelieferten Flugabwehrpanzer Gepard. Passenderweise hat Brasilien noch ziemlich viel davon, die Rede ist von bis zu 300 000 Schuss. Doch das Ansinnen des Kanzlers kommt für Lula überhaupt nicht infrage: „Brasilien hat kein Interesse, die Munition weiterzugeben, damit sie im Krieg zwischen der Ukraine und Russland benutzt wird. Brasilien ist ein Land des Friedens. Und deswegen will Brasilien keinerlei Beteiligung an diesem Krieg, auch nicht indirekt.“

Kamen politisch nicht auf den grünen Zweit: Scholz und Lula da Silva

Foto: Eraldo Peres/AP

Auch mit seinem zweiten Vorschlag fiel Scholz bei Lula durch: Der Kanzler wirbt überall, wo er zu Besuch ist, für seinen Klimaclub. Das ist ein Zusammenschluss von Ländern, die ihre Klimaschutzpolitik koordinieren. Bei seinen vorherigen Südamerika-Stationen hatte Scholz Erfolg: Argentinien will Mitglied werden, Chile sogar den Co-Vorsitz übernehmen.

Lula hingegen gab dem Kanzler einen Korb: Man könne einen „ökologischen Club“ gründen, aber auch einen „Friedensclub“. Letzteren findet Lula wesentlich wichtiger und schlug eine Vermittlungsinitiative von Brasilien und China vor, um den Krieg zu beenden. Ausgerechnet Pekings Diktator Xi Jingping, der Russland nie für seinen Überfall auf die Ukraine verurteilt hat, und Lula selbst sollen den Frieden verhandeln.

Das wollte Scholz nicht stehen lassen und hielt dagegen: Über die Köpfe der Ukrainer hinweg könne es keinen Frieden geben. Bedingung für Friedensgespräche sei, dass Russland seine Truppen abziehe.

Eigentlich ist Lula ein Freund für die SPD und damit für Scholz. Nach seiner ersten Amtszeit (2003-2010) wurde Lula zu Unrecht wegen Korruptionsvorwürfen zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die SPD glaubte an seine Unschuld. Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz (67) hielt für die Partei Kontakt zu Lula, als der 2018 bis 2019 ganze 580 Tage im Gefängnis saß, bevor das Urteil gegen ihn aufgehoben wurde. Als Lula aus dem Knast raus war, traf Scholz ihn zweimal in Deutschland.

Nach der Pressekonferenz, die aus Sicht von Scholz alles andere als rund lief, ging er mit Lula essen. Parallel verhandelten die deutsche und brasilianische Regierung eine gemeinsame Erklärung. Immerhin: Darin konnte Scholz Lula eine gemeinsame Verurteilung von Russlands Krieg abringen.

Weiterreden ist nun Scholz‘ Taktik. Spätestens im Herbst sehen sich der Kanzler und Lula wieder, dann treffen sich die brasilianische und deutsche Regierung zum Austausch.