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Zu Besuch in Südafrika: Habeck macht den Kohle-Spagat

Deutschland will Südafrika helfen, sich von der Abhängigkeit von Kohle zu lösen. Derweil kaufen deutsche Versorger hier Steinkohle ein, um russisches Gas zu ersetzen.

Eine Fähigkeit, die vom sowohl für Wirtschaft als auch für Klimaschutz verantwortlichen Minister derzeit besonders verlangt wird: der Spagat. Und da hat Robert Habeck jede Menge Übung - spätestens seitdem der grüne Politiker in Katar war, um einen Flüssiggas-Deal auf den Weg zu bringen.

In Johannesburg, der dritten Station seiner Reise nach Afrika, wo er eine deutsch-afrikanische Wirtschaftskonferenz eröffnet, ist diese Fähigkeit wieder gefragt: Deutschland will Südafrika bei der Energiewende unterstützen. Zugleich kaufen deutsche Firmen große Mengen schmutziger Kohle ein. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schließlich ist die Bundesregierung - dafür haben Habecks Grüne gesorgt - entschlossen, aus der Kohle auszusteigen. In Nordrhein-Westfalen soll 2030 mit der Produktion Schluss sein, in Ostdeutschland spätestens 2038.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine zwingt die Ampel-Koalition allerdings, bei der Energiepolitik überaus flexibel zu sein. Die EU boykottiert russische Kohle und seit Kurzem auch russisches Öl, während der Kreml die Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 gestoppt hat. Kurzfristig ist fossile Energie aus Russland nicht durch Erneuerbare zu ersetzen. Also werden in Deutschland Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert, Kanzler Olaf Scholz bietet dem Senegal Hilfe für die Erschließung eines Gasfeldes an, aus den USA und dem Nahen Osten soll Flüssiggas geliefert werden, die Infrastruktur dafür wird für deutsche Verhältnisse im Rekordtempo aufgebaut.

Und aus Südafrika kommt jede Menge Kohle. Die Ausfuhren nach Deutschland und die EU sind nach oben geschossen - irgendwie muss die fehlende Energie aus Russland ja ersetzt werden. Für die in der Politik gut vernetzte südafrikanische Kohle-Lobby ist das eine Steilvorlage.

Südafrika klebt an der Kohle

Das Land mit seinen 60 Millionen Einwohnern ist reich an Kohlevorkommen und tut sich extrem schwer, sich aus der Abhängigkeit von dem fossilen Energieträger zu lösen. Fast 90 Prozent der in Südafrika verbrauchten Energie wird aus Kohle gewonnen, darunter nahezu der komplette Strombedarf. Außerdem wird Kohle verflüssigt, um so Mineralöl zu gewinnen. Fast ein Viertel des Benzins und Diesels entsteht durch dieses Verfahren, auf das Südafrika seit den wegen der Apartheid verhängten Sanktionen setzt. Schätzungen zufolge hängen rund 200.000 Arbeitsplätze an der Kohle.

Das erklärt, warum das Land trotz des Klimawandels bei der Energiegewinnung so fest an der Kohle klebt. Das ist nicht nur mit dem Blick auf Umwelt und Klima ein Problem. Seit Jahren fällt in Südafrika täglich irgendwo der Strom aus. Blackouts gehören zur Normalität.

Das liegt vor allem am mit umgerechnet 25 Milliarden Euro verschuldeten staatlichen Stromkonzern Eskom, der von Korruption und Inkompetenz durchzogen ist. Dem Konzern fehlt das Geld, um Diesel für Turbinen zu kaufen, die eingesetzt werden, wenn seine Kohlekraftwerke ausfallen. Das ist häufig der Fall. Denn viele sind marode und störanfällig. Eine Lösung: angekündigte, vorbeugende Stromausfälle, um spontane Blackouts zu verhindern. Per App können sich Südafrikaner informieren, wo, wann und wie lange der Strom abgeschaltet wird - und können sich so darauf einstellen. Das ändert aber nichts daran, dass der Strom auch immer wieder ungeplant ausfällt.

Das ist nicht nur für Südafrikaner unerfreulich, die im Dunkeln sitzen. Die Energiekrise behindert die wirtschaftliche Entwicklung massiv. Deshalb hat die Regierung angefangen, eine Öko-Alternative zur Kohle aufzubauen und hat einen Investitionsplan auf den Weg gebracht. Deutschland hat für die südafrikanische Energiewende insgesamt mehr als eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Das Geld ist ein Teil der neuen Energie-Partnerschaft mit Südafrika, der sich auch Großbritannien, die USA, Frankreich und die EU angeschlossen haben.

Ideale Bedingungen für Ökostrom

Ziel ist ein schnellerer und sozial gerechter Übergang Südafrikas zu einer klimafreundlichen Wirtschaft. Insgesamt sind in den kommenden fünf Jahren 8,5 Milliarden US-Dollar an Unterstützung vorgesehen, ein Großteil davon als Kredite. Auch private Investitionen und Mittel der Weltbank wollen die Partner mobilisieren.

Deutschland und Südafrika kooperieren unter anderem beim Bau von Solar- und Windkraftanlagen sowie von Leitungen zur Übertragung von Ökostrom. Diese Investitionen sollen vor allem in den Kohleregionen neue Arbeitsplätze schaffen. Auch Programme zur Umschulung ehemaliger Kohlearbeiter und zur Ausbildung in den in der Energiewende dringend benötigten Berufen werden gefördert.

Die Bedingungen für grünen Strom sind in Südafrika ideal - es gibt viel Wind, viel Sonnenstunden und jede Menge Platz für Windräder und Solarparks. Die Fahrt in Richtung Energiewende hat allerdings grade erst begonnen. Deutschland ist zwar sehr viel weiter, doch mit dem Krieg in der Ukraine gibt es gehörige Hindernisse. Habeck wird noch viel Gelegenheit haben, um in Übung zu bleiben.