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Zu einem hohen Preis: Orca-Mütter kümmern sich lebenslang um Söhne

Schwertwal-Mütter pflegen ein sehr intensives Verhältnis zu ihren Söhnen - selbst wenn die schon erwachsen sind. Ihre enorme Fürsorge bringt den Weibchen aber auch Nachteile.

Orca-Mütter kümmern sich intensiv um ihre ausgewachsenen Söhne und verzichten dafür zu einem großen Teil auf weiteren eigenen Nachwuchs. Das schreiben Forscherinnen und Forscher im Fachjournal "Current Biology", nachdem sie Daten von 40 Orca-Weibchen der sogenannten Southern-Resident-Population im nordöstlichen Pazifik analysiert haben. Je mehr überlebende entwöhnte Söhne eine Orca-Mutter hatte, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie binnen eines Jahres ein überlebensfähiges Kalb zur Welt brachte. Töchter hatten hingegen keinen merklichen Einfluss auf den Fortpflanzungserfolg der Mutter.

"Der Preis, den ein Weibchen für die Fürsorge ihrer entwöhnten Söhne zahlt, ist enorm", sagte Michael Weiss von der brischen University of Exeter laut einer Mitteilung. "Wir schätzen, dass jedes zusätzliche männliche Jungtier die Chancen eines Weibchens, in einem bestimmten Jahr ein neues Kalb zu bekommen, um über 50 Prozent verringert."

Elterliche Fürsorge ist weitverbreitet im Tierreich: Für eine bestimmte Zeit kümmern sich die Eltern, oder zumindest ein Elternteil, sehr intensiv um die Nachkommen, um deren Überlebenschancen zu erhöhen. Während dieser Phase verzichten sie sogar auf weiteren Nachwuchs und verringern somit ihren eigenen Fortpflanzungserfolg. Bei manchen Tierarten bleiben die Nachkommen sogar ein Leben lang bei der Mutter. Doch ob diese lebenslange Fürsorge Nachteile für die Mutter bringen kann, war bislang unklar.

Führung und geteilte Beute

Bei Primaten - einschließlich uns Menschen - geht man davon aus, dass eine langfristige Mutter-Kind-Beziehung gegenseitige Vorteile bietet: Mutter und Kind unterstützen sich gegenseitig, wodurch nicht nur die Überlebenschancen des Kindes, sondern auch die der Mutter und weiterer Geschwister steigen. Somit zahlt sich die Fürsorge, die Mütter in ihre Kinder investieren, später wieder aus.

Um zu erfahren, ob diese Überlebensstrategie auch bei anderen Tierarten auftritt, untersuchten Forschende um Weiss die Orcas - auch Schwertwale genannt - im nordöstlichen Pazifik. "Die Southern Residents weisen nicht nur eine extreme Form der mütterlichen Fürsorge auf, von der die Töchter, insbesondere aber die Söhne ein Leben lang profitieren", sagte Weiss. "Diese Orca-Gemeinschaft ist zudem eine der am besten untersuchten wildlebenden Säugetierpopulationen der Welt."

Seit 1976 überwacht das Center for Whale Research die Population. Dabei zeigte sich, dass ausgewachsene männliche Orcas immer noch von ihrer Mutter abhängig sind: Sie übernimmt beispielsweise die Führung bei der Nahrungssuche und teilt ihre Beute mit ihren Söhnen. Um zu ermitteln, ob diese innige Mutter-Sohn-Beziehung auch einen Vorteil für die Mutter bringt, analysierten Weiss und sein Team Daten aus den Jahren 1982 bis 2021.

Evolutionärer Vorteil?

Auch mit zunehmendem Alter der Söhne blieb der Effekt, dass die Mutter weniger weiteren Nachwuchs hat, bestehen. Die Beobachtung sei auch nicht durch eine längere Stillzeit der männlichen Jungtiere oder durch eine andere Gruppenzusammensetzung mit mehr männlichen Tieren zu erklären. Es scheint also, dass allein die lange Betreuung von Söhnen zu Fortpflanzungsnachteilen führt. Den Forschenden zufolge sei dies der erste direkte Nachweis für lebenslanges mütterliches Investment und eine bisher noch nicht bekannte Strategie.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten hinter diesem Verhalten jedoch auch einen evolutionären Vorteil für die Orca-Mütter. "Durch die mütterliche Unterstützung steigen sowohl Überlebenschancen als auch Fortpflanzungserfolg der Söhne", erklärt Mitautor Darren Croft. "Somit stellen die Weibchen sicher, dass ihre Gene an die nächste Generation weitergegeben werden."

Was sich im Laufe der Evolution als Vorteil etabliert hat, könnte den Schwertwalen nun aber zum Verhängnis werden. Denn die Population der Southern Residents besteht nur noch aus 73 Individuen und ist somit vom Aussterben bedroht. Hinzukommt, dass die Lachs-Bestände, von denen sich die Southern Residents ernähren, auch stark gefährdet sind. Ob sich die Orca-Population wieder erholen kann, hängt auch vom Überleben und dem Fortpflanzungserfolg der Weibchen ab.