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Zu Unrecht wegen sexueller Belästigung angeklagt: Mann aus Schweinfurt suchte wahren Täter selbst – wohl mit Erfolg

Für die sexuelle Belästigung einer 16-Jährigen hätte die Justiz fast den Falschen ins Gefängnis gesteckt – einen 23-Jährigen aus Schweinfurt. Doch kurz vor dem Urteil nahm der Fall, der vor dem Amtsgericht Schwäbisch Hall verhandelt wird, eine überraschende Wende: Der junge Mann hatte sich nicht damit begnügt, seine Unschuld zu beteuern. Er tat, was eigentlich Aufgabe der Polizei gewesen wäre: Er suchte den wahren Täter – und fand ihn wohl.

Im Zug zudringlich geworden

Das Gericht und Verteidiger Janus Galka aus Würzburg bestätigten auf Anfrage der Redaktion den Vorgang, über den zuerst das "Haller Tagblatt" berichtet hatte. Demnach hatte sich vor fast zwei Jahren in einem Zug zwischen Hessental und Crailsheim (beide Lkr. Schwäbisch Hall) ein dunkelhaariger Mann an eine 16-jährige Reisende herangemacht. Er setzte sich neben sie und legte gegen ihren Willen seine Hand auf ihr Knie.

Später nahm er seine und ihre Corona-Maske ab und küsste sie. Sie wehrte ihn ab. Beide verließen in Crailsheim den Zug. Irgendwie kam er jedoch an die Handynummer des Mädchens und schickte ihr später eine Nachricht. Die 16-Jährige zeigte ihn bei der Polizei an.

Die Handynummer führte die Polizei nach Schweinfurt. Ermittelt wurde der 23-Jährige, der sich nun auf der Anklagebank wiederfand. Sein Aussehen ähnelte den Fotos, die im Zug mit Überwachungskameras aufgenommen worden waren. Auch das 16-jährige Opfer meinte, ihn als Täter wiederzuerkennen.

Ein Jahr lang unter Verdacht

Dass der Beschuldigte von Anfang an beteuerte, er sei nicht der Gesuchte, half ihm nicht. Er wurde wegen "sexuellen Übergriffs" angeklagt. Im Februar 2022 begann der Prozess.

Da erklärte der junge Mann, dass die SIM-Karte in dem Handy ursprünglich ihm gehört hatte. Er habe sie aber jemandem anderem gegeben und wisse nicht, wo sie geblieben sei. Das klang wie eine Ausrede, zudem schien das Opfer vor Gericht den Angeklagten wiederzuerkennen.

Ein anthropologisches Gutachten sät Zweifel

Doch Verteidiger Galka beantragte ein anthropologisches Vergleichsgutachten zwischen den Überwachungsfotos und dem Gesicht des Angeklagten. Die Gutachterin sprach von Ähnlichkeit, aber nicht von Übereinstimmung: Der Mundschutz des abgebildeten Täters erschwere die Begutachtung. 

Nun ergriff der 23-Jährige selbst die Initiative. Mit den Bildern der Überwachungskameras fragte er in Schweinfurt im Bekanntenkreis herum, wer der Mann im Zug sein könnte – und landete einen Treffer. Die Ehefrau eines 32-Jährigen sagte: "Das ist mein Mann!"

Der Zeuge schweigt

Der Verteidiger schickte ein Foto des 32-jährigen Ehemanns ans Gericht – und das leitete das Bild an die Gutachterin weiter. Die kam zu dem Ergebnis, dass der 32-Jährige wohl der Gesuchte sei. Der wurde daraufhin als Zeuge geladen, verweigerte jedoch die Aussage. 

Unter Tränen sagte der bisherige Angeklagte, er habe viele schlaflose Nächte gehabt und gefürchtet, unschuldig ins Gefängnis zu müssen. Das Gericht sprach den nicht vorbestraften 23-Jährigen aus Schweinfurt frei. Stattdessen muss nun bald der 32-Jährige auf die Anklagebank.