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CDU-Chef Merz bezeichnet Flüchtlinge als «Sozialtouristen» – Ukrainerinnen entsetzt

Waffenlieferungen von Deutschland an die Ukraine

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Waffenlieferungen von Deutschland an die Ukraine

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Videos sollen zeigen, wie russische Reservisten betrunken einrücken

Video: watson

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Ein einflussreiches US-Medium befragte Olaf Scholz zum Krieg in der Ukraine – und zu Waffenlieferungen. Manche Fragen der «New York Times» mochte der deutsche Regierungschef gar nicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz nahm an der UN-Vollversammlung in New York teil. Während seines Aufenthalts sprach Scholz mit der «New York Times». Im Interview mit der US-Zeitung ging es dabei vor allem um den Krieg in der Ukraine und Waffenlieferungen aus Deutschland.

CDU-Chef Merz hat ukrainischen Flüchtlingen «Sozialtourismus» vorgeworfen. Bei Ukrainerinnen in Deutschland herrscht Fassungslosigkeit.

Ein Artikel von

t-online

Die Empörung in der ukrainischen Gemeinschaft in Deutschland könnte kaum grösser sein: Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU, hatte am Montagabend in einem Interview mit «BILD TV» über geflohene Ukrainer gesagt: «Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine

Mittlerweile hat er eine Art Entschuldigung hinterhergeschoben: Das Wort «Sozialtourismus» sei eine «unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems». Falls seine Wortwahl als verletzend wahrgenommen werde, bitte er um Vergebung, twitterte Merz.

Zu meinen Äußerungen von gestern über die Flüchtlinge aus der Ukraine gibt es viel Kritik. Ich bedaure die Verwendung des Wortes „Sozialtourismus“. Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems. (1/3) (FM)

— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) September 27, 2022

Mein Hinweis galt ausschließlich der mangelnden Registrierung der Flüchtlinge. Mir lag und liegt es fern, die Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit einem harten Schicksal konfrontiert sind, zu kritisieren. (2/3) (FM)

— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) September 27, 2022

Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung. (3/3) (FM)

— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) September 27, 2022

Berliner Verein: Merz' Worte sind «respektlos»

Aber der Schaden ist angerichtet. Auch wenn sich in Deutschland lebende Ukrainerinnen bemühen, sich möglichst diplomatisch zu äussern – ihre Verärgerung ist deutlich zu spüren. «Wir sind sehr enttäuscht und hätten so etwas nicht von der CDU erwartet», schreibt Krista-Marija Läbe t-online in einer Mail. «In unserer Heimat sterben jeden Tag so viele Menschen durch den Krieg, und Menschen werden vergewaltigt und gefoltert. In Zusammenhang mit diesem brutalen russischen Angriffskrieg von ,Sozialtourismus' zu sprechen, ist respektlos.»

Krista-Marija Läbe, Sprecherin eines Vereins junger Ukrainer in Deutschland: Sie findet die Äusserung von Merz respektlos.

Krista-Marija Läbe, Sprecherin eines Vereins junger Ukrainer in Deutschland: Sie findet die Äusserung von Merz respektlos.bild: Chris Knickerbocker

Läbe ist Sprecherin des in Berlin ansässigen Vereins Vitsche, einer Vereinigung junger Ukrainer in Deutschland. Der Verein hat sich gegründet, um Proteste gegen den Krieg sowie Kultur- und Bildungsveranstaltungen zu organisieren. Ausserdem unterstützt er ukrainische Flüchtlinge und organisiert humanitäre Hilfe für das Land. «Wir hoffen, dass dies nur ein Ausrutscher war, Herr Merz seinen Fehler wirklich einsieht und von solchen Äusserungen Abstand nimmt», ergänzt Läbe.

«Sie dachten nicht, dass der Krieg so lange dauern wird»

Seit März dieses Jahres ist auch Aliona Rybak in Deutschland. t-online hatte sie bereits getroffen, als sie gerade am Berliner Hauptbahnhof angekommen war. Sie sagt, dass viele aus bürokratischen Gründen zurück in die Ukraine müssen – etwa, um wichtige Dokumente zu holen. «99 Prozent der Menschen kamen für ein paar Wochen nach Deutschland. Sie dachten nicht, dass der Krieg so lange dauern wird», sagt sie heute.

Aliona Rybak: Die Ukrainerin ist gemeinsam mit ihrem Sohn aus der Ukraine geflohen. Ihr Mann ist zum Kämpfen dort geblieben.

Aliona Rybak: Die Ukrainerin ist gemeinsam mit ihrem Sohn aus der Ukraine geflohen. Ihr Mann ist zum Kämpfen dort geblieben.bild: Frederike van der Straeten

Rybak arbeitet mittlerweile in einem Kindergarten. «Um hier einen Job zu bekommen, musste ich mein Bildungszertifikat einreichen. Als ich aber nach Deutschland flüchtete, habe ich es natürlich nicht mitgenommen. Mein Mann konnte es mir schicken, aber viele Geflüchtete haben diese Möglichkeiten nicht und müssen selbst zurück.»

Kritik an Merz von Deutschen «haben mich gefreut»

Angesicht von Schicksalen wie dem von Rybak und vielen anderen klingen Merz' Worte besonders bitter. «Ich hoffe, dass der Krieg bald aufhört und ich in meine Heimat zurückkehren und meinen Mann umarmen kann. An Tagen, an denen es mir emotional nicht gut geht, packe ich jeden Abend meinen Koffer. Aber ich verstehe, dass eine Heimkehr im Moment nicht möglich ist», erzählt die 39-Jährige t-online.

Dass Friedrich Merz einen schweren Fehler gemacht hat, stellt die politische Aktivistin Yelyzaveta Plitkova klar. Sie lebt seit fünf Jahren in Deutschland, studiert an der Freien Universität zu Berlin. «Ich hoffe, dass Herr Merz auch versteht, dass er mit seinen Aussagen ziemlich gut der russischen Propaganda dient, weil seine Worte auch ausserhalb von Deutschland gehört werden», sagt sie t-online.

Merz' Aussagen hätten sie sehr verletzt. «Es gibt keine Ukrainerinnen, die geflüchtet sind, weil sie darauf Lust hatten.» Die Reaktionen vieler Deutscher, die ihren Ärger über die Aussagen des CDU-Vorsitzenden geteilt hätten, haben sie aber gefreut.

Verwendete Quellen:

(t-online, kvw, mtt)