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Ein SP-Nationalrat wittert das Kampfjet-Komplott – und verheddert sich in Verschwörungen

Einmal mehr rührt der Bund die Werbetrommel für den F-35-Kampfjet. Dabei geht ein Staatsrechtler davon aus, dass die Beschaffung trotz der linken Volksinitiative möglich ist.

Die Bezeichnung wirkte unverfänglich: «Armeebotschaft 2022» stand auf der Einladung für den Medienanlass vom Donnerstag auf dem Militärflugplatz Emmen (LU). Diese Botschaft aber enthält Zündstoff. Es geht um das umstrittenste Beschaffungsgeschäft für die Schweizer Armee in den letzten Jahren: die Rundumerneuerung der Luftverteidigung.

Pierre-Alain Fridez hat ein Buch geschrieben und auf über 300 Seiten den geplanten Kampfjet-Deal zum F-35 seziert. Was als spannende Recherche startet, endet leider in einer ideologisch geprägten Verschwörung, geadelt durch den Trotz einer alt Bundesrätin.

Benjamin Rosch / ch media

Die Ausgangslage ist spektakulär. Wenige Wochen, bevor das Schweizer Parlament wohl über einen neuen Kampfjet entscheidet, schreibt ein Nationalrat, ein Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission sogar, ein Buch über dessen Beschaffung. «Der Entscheid für den F-35 – ein gewaltiger Fehler oder ein staatspolitischer Skandal?» lautet der Titel des Buches von Pierre-Alain Fridez (SP, JU), das heute Freitag erscheint. Fridez ist Arzt und ausserdem Mitglied der parlamentarischen Nato-Delegation.

Pierre Alain Fridez ist jurassischer Nationalrat, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) und Buchautor.

Pierre Alain Fridez ist jurassischer Nationalrat, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission (SIK) und Buchautor.imago images

Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, das «oder» im Untertitel ist eigentlich ein «und» und die Frage bestenfalls rhetorisch. Fridez ist der Carnifex mit klarem Verdikt, das geadelt wird durch das Vorwort einer alt Bundesrätin. Micheline Calmy-Rey, wie Fridez in der SP, schreibt: «Staatspolitischer Skandal, krasse Inkompetenz, Verweigerung der Demokratie: Es ist das Verdienst von Pierre-Alain Fridez, diese Herausforderungen aufzuzeigen.»

Startfurioso und Demokratiemantra

Als wäre damit nicht genügend Spannung aufgebaut, doppelt Fridez nach: «Ich lade Sie ein, dieses Buch wie einen Krimi zu lesen, ein Schwarzbuch, das schonungslos die Undurchsichtigkeit eines Verfahrens untersucht, das viele Fragen aufwirft und das zu einem völlig unverständlichen Entscheid des Bundesrats geführt hat, der für unser Land schwerwiegende Folgen haben kann, namentlich in finanzieller Hinsicht.» Wer nach einem solchen Einstieg das Buch weglegt, hat die Schweizer Politik nie geliebt.

Nach dem Startfurioso drosselt Fridez das Tempo. Nüchtern betrachtet er die Gründe, weshalb der Bundesrat ein neues Kampfflugzeug will und was dessen Anforderungen sein müssen. Klingt zunächst banal, aber gerade dadurch wird die Veränderung der Debatte ruchbar.

Erst mit dem Ukraine-Krieg hat ja Verteidigungsministerin Viola Amherd die Dringlichkeit der Beschaffung erhöht. Plötzlich ging es um die sicherheitspolitische Grosswetterlage – dabei standen ursprünglich vor allem Luftpolizei-Dienste im Fokus der Beschaffung. Fridez' Mantra besteht darin, das grundsätzliche Volks-Ja zu einem neuen Jet zu betonen. Ein Entscheid, den er als «Demokrat» respektiere. Zwischen den Zeilen kann man Zähne knirschen sehen.

Der Ton wird schriller

In der Folge konzentriert sich das Buch darauf, den F-35 als untauglich für die Schweiz zu klassieren. Die Vorwürfe sind alle nicht neu, aber sorgsam zusammengetragen aus unzähligen Medienberichten, national und international, Massenmedien und Fachzeitschriften. Fridez beweist sich als akribischer Chronist, ohne allzu sehr mit technischen Finessen zu langweilen. Auch Nicht-Aviatiker können verstehen, warum der SP-Nationalrat den Jet nicht mag. Selbst wenn sie nicht alle Argumente nachvollziehen müssen.

Mag den F35-Jet nicht: SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez.

Mag den F35-Jet nicht: SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez.Bild: parlament.ch

Einleuchtend argumentiert Fridez auch, wenn es um Zahlen geht, beispielsweise um die prognostizierten Brennstoffkosten. Man kann sich gut vorstellen, wie Fridez sich mit einem Milchbüchlein hinsetzt, die budgetierten 35 Millionen Franken von der gesamten Betriebsdauer mit einem Dreisatz auf die einzelne Flugstunde herunterbricht und dann mit Erfahrungswerten aus anderen Ländern vergleicht. Mehr und mehr aber schraubt sich die Tonlage in die Höhe. Fridez wird schriller, wertender, rechthaberischer. Es ist jener Teil, in dem sich die Ausrufezeichen häufen. Die Aussage ist klar: So gut und kostengünstig wie behauptet, kann der F-35 nicht sein.

Diese Erkenntnis bereitet den Boden zu dem, was für Fridez der Kern seines Buches ist. Der Autor hat sich eingehend mit einem Rechtsgutachten befasst, welches das Bundesamt für Justiz nur zwei Tage vor dem bundesrätlichen Typenentscheid angefertigt hat. Es sollte festhalten, dass aussenpolitische Beweggründe nicht von Belang sind für die Wahl des Kampfjets. Es war der finale Dolchstoss für den Rafale aus Frankreich, welcher offenbar im Bundesrat bis zuletzt Unterstützer hatte. Für Fridez steht ausser Zweifel: Ein intransparentes Evaluationsverfahren verhinderte eine für die Schweiz aussenpolitisch attraktivere Lösung.

Ein transatlantisches Komplott?

Genau hier setzt das grosse Manko von Fridez' Buch ein. Lücken in der Recherche füllt er mit Mutmassungen. Zwei Hypothesen führt er an: Entweder seien im Verteidigungsdepartement «weltfremde Technokraten» am Werk, geblendet vom technischen Firlefanz des US-Jets. Oder, und das ist die schlimmere, ein kleiner Zirkel mit besonderen politischen Interessen. Fridez schreibt: «Ist es vorstellbar, dass eine Gruppe von Personen, die unbedingt wollen, dass der Entscheid am Ende auf den F-35A fällt, wie durch das Wirken einer «unsichtbaren Hand» das Beschaffungsverfahren beeinflusst haben könnte? Weil für sie die atlantische Ausrichtung und regelmässige Geschäftsreisen in die USA sehr attraktiv sind?» Für Fridez steht ausser Frage:

«Der Entscheid für den F-35A ist gleichbedeutend mit dem Eintritt in die NATO.»

In solchen Passagen erinnert Fridez mit der Methodik des unschuldigen Fragestellers inklusive Transatlantik-Topos an einen Verschwörungstheoretiker. Dazu unternimmt er gar nicht erst den Versuch, seine Hypothesen zu plausibilisieren. «Mit den uns heute zur Verfügung stehenden Informationen können wir eine solche Theorie natürlich nicht beweisen», schreibt er. Möglich seien sie aber, «vor allem, da einige Zeugenaussagen, die anonym bleiben wollen, in diese Richtung weisen...» Diffuser geht kaum, viel zu wenig für die angekündigten Komplott-Vorwürfe, für die steilen Thesen.

Genug Stoff für gut recherchiertes Buch

Auf Anfrage beruft sich Fridez auf die Meinungsfreiheit und auf den Ansatz, eine Geschichte erzählen zu wollen. Recht plump für jemanden, der sich mit der Glaubwürdigkeit eines Sicherheitspolitikers, eines Insiders also, verkauft.

Dabei hätte Fridez es gar nicht nötig, sich auf einen derart wackligen Ast zu setzen. Der Schweizer Kampfjet-Deal hätte ohne jegliche Zuspitzungen genügend Stoff für ein gut recherchiertes Buch hergegeben, ein Anschauungsbeispiel für die Vinkulierungen der Schweizer Politik. So aber schafft es Fridez nicht, aus seiner ideologischen Ecke hinauszutreten – und er beraubt sich des versprochenen Spektakels.

Der Entscheid für den F-35 – ein gewaltiger Fehler oder ein staatspolitischer Skandal? Von Pierre-Alain Fridez, erschienen bei Books on Demand auf deutsch und französisch. 344 Seiten. Erhältlich für 20.50 in den meisten Buchhandlungen und Onlineshops. (bzbasel.ch)