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Falthandys – wie weiter?: Wenn Langeweile ein gutes Zeichen ist

Falthandys – wie weiter?Wenn Langeweile ein gutes Zeichen ist

Samsungs Falthandys gehen in die vierte Generation. Im Alltag ist die Technologie noch kaum angekommen. Was läuft schief?

Da ist es: Samsung präsentierte im Februar 2019 das erste Falthandy des Konzerns.

Da ist es: Samsung präsentierte im Februar 2019 das erste Falthandy des Konzerns.

Foto: Keystone

Die Idee ist bestechend: Ein Bildschirm, der sich unseren Bedürfnissen anpasst. Gross, wenn man eine Tabelle bearbeiten oder einen Film schauen möchte, klein, wenn man unterwegs nur schnell die Zeit sehen will, und winzig, wenn das Gerät in die Hosen- oder Handtasche soll. 

Dieses futuristische Versprechen Realität werden zu lassen, ist Samsung 2019 angetreten. Im Februar präsentierte der Handymarktführer sein erstes Falthandy: das Fold. Ein etwas längliches und dickes Smartphone, das, einmal aufgeklappt, zu einem Mini-Tablet wird. 

Was für ein Desaster!

Die Weltöffentlichkeit staunte, doch dann ging alles schief. Keine Woche später lancierte der damals grösste Konkurrent Huawei ebenfalls ein Falthandy mit noch futuristischerem Design und liess Samsung alt aussehen. Und dann kam es erst richtig schlimm. 

Erste Tester klagten über Defekte beim Fold, und manche entfernten eine vermeintliche Verpackungsfolie, die jedoch integraler Bestandteil des Geräts war. Der Verkaufsstart musste verschoben werden und Samsung hatte nach dem wegen Brandgefahr zurückgerufenen Note-7-Smartphone das nächste Desaster.

Doch Samsung gab nicht auf und verbesserte das Fold Jahr für Jahr. 2020 kam mit dem Flip noch ein zweites Modell hinzu. Anderes als das Fold ist das kein Mini-Tablet, sondern ein auf den ersten Blick normales Smartphone, das man in der Hälfte zu einem Quadrat zusammenfalten kann.

Trotzdem waren die letzten drei Jahre geprägt von Mühsal und Schrecken in Bezug auf die filigranen Geräte. Erst letztes Jahr wurden sie wasserdicht und gefühlt so robust, dass man nicht mehr ständig Angst um die teuren Mini-Computer haben musste. 

Zwei neue Falthandys

Letzte Woche hat Samsung nun die neusten Falthandys vorgestellt. Das Fold geht bereits in die vierte Generation und das Flip in die dritte. Auf den ersten Blick enttäuschen die Neuerungen. Man muss schon ganz genau in die Tech-Tabellen schauen, um die Verbesserungen bei Prozessoren, Kameras und Materialien zu entdecken. Auch das Design wurde nur moderat verändert. Ein paar Millimeter mehr hier, ein paar Millimeter weniger da, etwas kantigere Kanten und natürlich neue Farben. 

Die neuen Falthandys kurz vorgestellt.

Video: Rafael Zeier

Doch die vermeintlich langweiligen Neuerungen sind ein gutes Zeichen. Samsung ist bekannt dafür, immer wieder neue Ideen auszuprobieren und sie ebenso schnell zu beerdigen. Klappt ein Design nicht, kommt spätestens nächstes Jahr schon ein neues. 

Dass das neue Fold (ab 1800 Franken) und das neue Flip (ab 1080 Franken) nun nur in Details verbessert wurden, zeigt, dass Samsung (mindestens fürs Erste) zufrieden ist. Das deckt sich auch mit der bewährten Regel beim Gadget-Kauf: «Kauf nie ein Gerät der ersten Generation.» Richtig gut werden neue Gerätekategorien meist erst ab der dritten Generation. 

Im Alltag gefallen sowohl das neue Flip wie das neue Fold. Aber auch dort muss man ganz genau hinschauen, um Unterschiede zu den Vorgängermodellen zu bemerken. Das führt so weit, dass ich nun zum ersten Mal bei einem Falthandy ohne schlechtes Gewissen auch das Vorjahresmodell als Budget-Option empfehlen kann. Was bei Android-Geräten aber immer ein etwas gewagtes Unterfangen ist, da ältere Geräte schneller keine Updates mehr bekommen und meist auch länger darauf warten müssen.

Aber insgesamt ganz klar je ein Daumen nach oben für die neuen Falthandys von Samsung. Doch warum sieht man solche Geräte im Alltag denn so selten, wenn Tester und Technikfans sie so mögen?

Das hat mehrere Gründe:

Zeit

Es dauert immer eine Weile, bis neue Technologien im Alltag ankommen und sichtbar werden. Ein gutes Beispiel sind die ersten Smartphones. Da ging es zwar 2007 mit dem iPhone los, aber bis die Geräte im Tram (ein guter Gradmesser für den Erfolg eines Produkts) omnipräsent wurden, dauerte es fast 10 Jahre. Ähnlich war es auch bei Funkkopfhörern. 2016 wurde ich noch als einer der ersten Airpods-Träger der Schweiz verlacht. Heute sind Funkkopfhörer so omnipräsent, dass es wieder cool ist, Kabel-Kopfhörer zu tragen. Wenig hilfreich war für die Falthandys zudem die Corona-Pandemie. Einerseits war man selbst weniger unterwegs, und andererseits war wohl das Bedürfnis nach einem Smartphone, das vor allem unterwegs seine Stärken ausspielt, geringer.

Preis

Neulich war das Flip 3 vom letzten Jahr bei einem Elektronikhändler schon für unter 600 Franken zu haben. Aber auch wenn die Preise Jahr für Jahr sinken, kosten Falthandys immer noch viel, da die verbauten Bildschirme und die Faltmechanismen alles kompliziert und im Endeffekt teurer machen. Und dann kommt noch der nächste Punkt dazu …

Leistung

Falthandys kosten nicht nur mehr als andere Handys. Sie müssen auch bei der Leistung Kompromisse machen. Da die Geräte dünner sein müssen (schliesslich werden sie zusammengefaltet ja doppelt so dick), gibt es weniger Platz für Hightech. Das sieht man etwa bei den Kameras, die zwar unbestritten gut, aber eben nicht ganz so gut sind wie bei den nicht faltbaren Top-Smartphones. Da kommen Kundinnen und Kunden in die Zwickmühle: Lieber das Maximum an Technik für den Preis oder einen Faltbildschirm?

Bedenken

Auch wenn es Falthandys nun schon eine ganze Weile gibt, ist es immer noch – selbst für mich, der ständig solche Geräte in der Hand hat – befremdlich, einen Bildschirm zusammenzuklappen. Die Mechanismen sind zwar inzwischen viel vertrauenerweckender als noch vor ein paar Jahren, aber ein mulmiges Gefühl bleibt. Da hilft es auch nicht, dass man in sozialen Medien immer wieder Bilder sieht, wo Faltbildschirme dann doch nicht so langlebig waren, wie man erwarten würde. 

Konkurrenz

Anders als bei normalen Smartphones gibt es im Rennen um das beste Falthandy kaum Konkurrenz. Huawei ist durch das US-Embargo aus den Traktanden gefallen, und Konzerne wie Xiaomi und Oppo sind auch mehr halbherzig als mit Vollgas dabei. Microsoft setzt beim Falthandy lieber auf zwei getrennte Bildschirme, und Apple experimentiert nur heimlich in den Labors mit solchen Bildschirmen. Gerade richtige Konkurrenz würde das Geschäft merklich beleben.

Mehrwert

Und schliesslich ist da noch das alles entscheidende Argument mit dem Mehrwert. Menschen kaufen gerne Geräte, die ihr Leben besser und bequemer machen. Bei Falthandys wird dieser Mehrwert immer noch merklich durch die Software ausgebremst. Das wird beim Fold besonders deutlich. Anders als bei Smartphones ist Googles Android-Software für Tablets (man muss das leider so deutlich sagen) nach Jahren der Vernachlässigung eine Enttäuschung. Samsung gibt sich zwar Mühe, das mit eigenen Benutzeroberflächen zu verbessern. Aber zu oft hadern Apps mit dem grossen Bildschirm, verschwenden wertvolle Fläche mit Leerraum oder sehen einfach nur komisch aus. Da hilft es wenig, dass man auf dem ausgeklappten Bildschirm mit zwei Daumen sehr schnell, bequem und längere Zeit tippen kann, wenn die App den vielen Platz nicht auch schlau nutzt.

Rafael Zeier ist Redaktor für Digitales und Gesellschaft. Er berichtet über neue Webdienste, testet neue Geräte und schaut den Techkonzernen auf die Finger. Nebenher macht er Youtube-Videos. Mehr Infos@rafaelzeier

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