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Hauswart äussert sich judenfeindlich – Meyer rät: Darf ich ihn Antisemit nennen?

Mit Antisemiten spricht man besser über ihre Aussage als über ihre Person, rät Thomas Meyer. Im Bild ein Rabbi, der einen geschändeten jüdischen Friedhof besucht.

Ich (m, 35) bin immer gut mit unserem Hauswart ausgekommen. In der Pandemie ist er aber immer radikaler geworden. Das gipfelte nun darin, dass er wütend behauptete, der jüdische Ukraine-Präsident Selenski habe Geld von anderen Juden bekommen und deswegen den Krieg angefangen. Ich habe ihn einen Antisemiten genannt. Seither ist er total beleidigt. Bin ich zu weit gegangen?

Nun, niemand hört gern, dass er oder sie ein Antisemit sei. Immerhin sind wir uns einig, dass Antisemitismus eine ausgesprochen widerwärtige Angelegenheit ist. Sogar die Antisemiten sehen das so – sonst würden sie ja nicht so gekränkt reagieren, wenn man sie entsprechend verurteilt. Sie halten diese Bezeichnung jedoch für ungerechtfertigt, weil sie die bösartigen Dinge, die sie über «die Juden» verbreiten, nicht für antisemitisch halten, sondern schlicht für wahr.

Das Problem ist, dass man Antisemiten nicht erreicht, indem man sie als Antisemiten bezeichnet. Ihr Ego erlaubt es ihnen nicht, ein derart heftiges Urteil zu akzeptieren, weswegen es sich empfiehlt, nicht über ihre Person zu sprechen, sondern über ihre Aussage. Eine Aussage ist etwas Sachliches, darüber kann man viel leichter diskutieren. Wir sagen tausend Sätze pro Tag, und wenn wir hören, dass einer davon entgleist sei, können wir das eher annehmen, als wenn jemand unseren Charakter abstempelt, von dem wir ja nur einen haben.

Sie hätten deshalb entgegnen sollen: «Lieber Hauswart, das ist eine antisemitische Behauptung, die Sie durch nichts belegen können und die ich deshalb zurückweisen muss.» Dann wäre es an ihm gewesen, Beweise vorzubringen, was im besten Fall zur Erkenntnis geführt hätte, dass es keine gibt. Antisemitismus ist nur ein Gerücht, mehr nicht.

Doch auch eine entsprechende Einsicht hätte nichts daran geändert, dass dieser Mann allem Anschein nach schwere emotionale Probleme hat, was für alle Antisemiten und Verschwörungsgläubigen gilt. Sie poltern und wüten und orientieren sich an absurden Erzählungen, weil sie keinen inneren Halt haben. Vielleicht sprechen Sie also mit Ihrem Hauswart lieber über Privates als über Politik. Letzteres führt sowieso meist nur zu Streit.