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Krimi der Woche: Brutalität und Blut am Bayou

Krimi der WocheBrutalität und Blut am Bayou

Mit «Die Tote im Eisblock» legt Altmeister James Lee Burke ein Meisterwerk seiner Reihe mit dem Ermittler Dave Robicheaux in Louisiana vor.

Schauplatz für schaurige Geschichten: Bayou Teche in Louisiana.

Schauplatz für schaurige Geschichten: Bayou Teche in Louisiana.

Foto: Alex Ogle (AFP)

Der erste Satz

Der Rest der Menschheit mochte es Herbst nennen und von den letzten Relikten des Sommers träumen, von den kühlen Nächten und der goldgrünen Natur, doch für mich hatte der Winter längst begonnen.

Das Buch

Sechs Zentimeter dick ist das Buch, ein kleiner Klotz mit fast siebenhundert Seiten. Und es ist nicht so, dass man am Ende froh wäre, dass man es geschafft hat. Im Gegenteil: Man würde gerne noch weiterlesen. «Creole Belle» von Altmeister James Lee Burke, jetzt unter dem Titel «Die Tote im Eisblock» auf Deutsch erschienen, ist der 19. Band der bisher 23 Romane umfassenden Reihe um David Robicheaux. Die Serie gehört zu den besten Reihen der modernen Kriminalliteratur, und dieses Buch ist ein Opus magnum. Es eignet sich übrigens auch gut zum Einstieg in Robicheaux’ Welt.

«Immer waren Alkohol und Depressionen, Gewalt und Blutvergiessen fester Bestandteil meines Weges gewesen», ist sich Robicheaux im Klaren. Er war im Krieg in Vietnam, dann Polizist in New Orleans. Seit er dort gefeuert worden ist, arbeitet er als Detective im Sheriff’s Office in seiner Heimatstadt New Iberia, die am Bayou Teche in Louisiana liegt. Dort wird ein rasch schmelzender Eisblock angeschwemmt, in dem die Leiche einer jungen Frau steckt. Es ist die Schwester der Zydeco-Sängerin Tee Jolie Melton, einer Bekannten von
Robicheaux, die verschwunden ist. Robicheaux will die Sängerin finden. Dabei wird er von seinem besten Kumpel Clete Purcel unterstützt, ebenfalls ehemaliger Polizist in New Orleans und jetzt privater Ermittler. Ein Mann, der keine Hemmungen kennt, wenn jemand böse ist oder seinen Freunden Schlechtes will.

Er hat schon einmal einem Gangster das Cabrio mit Beton gefüllt und einem anderen Garten und Pool mit dem Bulldozer umgestaltet. Robicheaux vermutet früh, dass der Fall der beiden Schwestern mit der katastrophalen Ölpest an der Küste zusammenhängt, die von den Ölfirmen und der Politik kleingeredet wird. Doch die Geschichte ist komplex und zunächst undurchsichtig. Unter anderen lernen wir da böse Bosse und korrupte Politiker kennen, eine mysteriöse Profikillerin und einen bigotten Prediger. Und einen alten SS-Nazi aus Deutschland, der sich als KZ-Opfer ausgibt und dessen Enkel gleichzeitig sein inzestuöser
Sohn ist.

Der inzwischen 85-jährige Autor packt das alles und noch viel mehr in eine fesselnde Geschichte. Es ist ein bunter Reigen aus schlagfertigen Dialogen, gnadenloser Brutalität, poetischen Betrachtungen, Philosophischem über das Böse im Menschen und einer trockenen Art von Galgenhumor. Ein Meisterwerk.

Das ist nicht nur höchst unterhaltsam, Robicheaux hat auch einen scharfen Blick für den «vergifteten Cocktail aus Dummheit, Armut und Rassismus», den Politiker verbreiten: «Die Politiker in Louisiana gehören zum korruptesten menschlichen Abschaum, den ich kenne.»

Die Wertung

Originalität ★★★★★
Spannung ★★★★☆
Realismus ★★★★☆
Humor ★★★★☆
Gesamteindruck ★★★★

Der Autor

James Lee Burke, geboren 1936 in Houston, Texas, wuchs im Grenzgebiet von Texas und Louisiana an der Golfküste der USA auf. Er studierte Literatur an der University of Louisiana in Lafayette und an der University of Missouri in Columbia. In den 1960er-Jahren veröffentlichte er seine ersten Bücher, die von der Kritik gelobt wurden. Nachdem sein Roman «Lay Down My Sword & Shield» (Deutsch unter dem Titel «Zeit der Ernte» 2017 bei Heyne) 1971 floppte, bekam er für sein viertes Buch «The Lost Get-Back Boogie» über hundert Absagen (nachdem es 1986 doch noch erschien, wurde es für den Pulitzer-Preis nominiert), und es dauerte 13 Jahre, bis er sein nächstes Buch veröffentlichen konnte.

Burke arbeitete derweil in verschiedenen Jobs, unter anderem als Lastwagenfahrer und als Reporter, als Sozialarbeiter in Los Angeles und in einem Arbeitsprogramm für arbeitslose Jugendliche in Kentucky. In
den 1980ern lehrte er kreatives Schreiben an der Wichita State University in Kansas.

Seine Reihe um Detective Dave Robicheaux umfasst inzwischen 23 Bücher: Der US-amerikanische Krimi-Autor James Lee Burke.

Seine Reihe um Detective Dave Robicheaux umfasst inzwischen 23 Bücher: Der US-amerikanische Krimi-Autor James Lee Burke.

Foto: Robert Clark

1987 startete er mit «The Neon Rain» («Neonregen») die Serie um Dave Robicheaux, einen Ermittler in Louisiana, die inzwischen 23 Romane umfasst, von denen nunmehr 21 auf Deutsch vorliegen (Pendragon Verlag). Mit Robicheaux hatte Burke erstmals grossen Erfolg, und er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Die Romanreihe erscheint fast auf der ganzen Welt. Daneben gibt es die inzwischen 13 Bände
umfassenden Holland-Saga (acht davon gibt es auf Deutsch bei Heyne), in denen es um verschiedene Mitglieder und Generationen der texanischen Familie Holland geht. Mehrere weitere Werke, darunter vor allem die ganz frühen, sind nicht ins Deutsche übertragen worden.

Mit seiner Frau, Pearl Pai Chu, hat James Lee Burke vier Kinder. Tochter Alafair Burke, geboren 1969, studierte Juristin, ist ebenfalls als Krimiautorin erfolgreich. Burke lebt mit seiner Frau auf einer Ranch in Lolo in der Nähe von Missoula in Montana und, wie sein Held Dave Robicheaux, in New Iberia in Louisiana.

James Lee Burke: «Die Tote im Eisblock». (Original: «Creole Belle». Simon & Schuster, New York 2012). Aus dem Englischen von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2022. 684 S., ca. 36 Fr.

James Lee Burke: «Die Tote im Eisblock». (Original: «Creole Belle». Simon & Schuster, New York 2012).
Aus dem Englischen von Bernd Gockel. Pendragon, Bielefeld 2022. 684 S., ca. 36 Fr.

Foto: PD

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