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Lega-Nord-Gründer Umberto Bossi: Das Comeback des alten Tribuns

Lega-Nord-Gründer Umberto Bossi Das Comeback des alten Tribuns 

Seine Lega ist tief gefallen, sein Ziehsohn Matteo Salvini hat verloren: Nun schwört Bossi (81) die Wählerinnen und Wähler im Norden noch mal auf die Ursprünge ein, samt Mythen und Legenden.

In der Hauptstadt ist er nur selten, auch wenn er die Politik des Landes lange mitprägte: Umberto Bossi in Rom.

In der Hauptstadt ist er nur selten, auch wenn er die Politik des Landes lange mitprägte: Umberto Bossi in Rom.

Foto: Antonio Masiello (Getty Images)

Umberto Bossi, der alte Tribun Norditaliens, ist zurück. Gebrechlich zwar, gezeichnet von den Folgen eines Schlaganfalls vor vielen Jahren, seine Stimme ist nur noch ein Hauch. Weit weg sind sie Zeiten, da er die Massen im weissen Unterhemd und mit Zigarre im Mund befeuerte, roh im Ton, oft auch vulgär, und ihnen versprach, den Norden Italiens vom Süden zu befreien, als wäre der nur ein Hemmschuh, die faule Spitze des Stiefels.

Lange her. Aber jetzt ist er wieder da. Mit der Wucht seines Namens und seiner Legende mischt er noch einmal das Schicksal seiner politischen Kreatur auf und damit auch ein bisschen jenes Italiens. Bossi, nunmehr 81 Jahre alt, Gründer und ewiger Geist der italienischen Rechtspartei Lega, vormals Lega Nord, ist dermassen besorgt über die Niederlage bei der Parlamentswahl, dass er seinem Ziehsohn Matteo Salvini auf die Füsse tritt. Er wirft Salvini vor, in seiner Vermessenheit aus der Lega Nord eine gesamtnationale, rechtspopulistische Partei zu machen, das Volk im Norden verloren zu haben.

Was für ein Drama! Schon erschienen Rückblicke auf seine Karriere, sie wirkten wie halbe Nekrologe.

Die Lega unterlag überall im Land den Rivalen von den postfaschistischen Fratelli d’Italia, auch in der Lombardei und im Veneto, ihrem Stammland. Und zwar vernichtend deutlich. Man muss sich das mal vorstellen: Die Lega verlor auch in Gemonio, dem kleinen Wohnort Bossis in der Provinz Varese, dem Geburtsort der Partei. Eine Schmach, nahe am Sakrileg. Zwei Tage lang sah es sogar so aus, als wäre der Kandidat Bossi selbst auch gescheitert, zum ersten Mal nach 35 Jahren im Parlament ohne Unterbruch. Ein Drama sondergleichen. Die Zeitungen schrieben schon Rückblicke auf seine Karriere, sie wirkten wie halbe Nekrologe.

Dann aber bemerkten sie im Innenministerium, dass ihnen ein dummer Rechenfehler passiert war, und so behält Umberto Bossi seinen Platz im Parlament, samt hoher Besoldung. Diesmal sitzt er in der Abgeordnetenkammer, wobei: Sehen wird man ihn da selten bis nie. Das letzte Mal, dass Bossi in Rom vorbeigeschaut hat, war im vergangenen Winter für die Wahl des Staatspräsidenten. Seine Präsenz ist eine spirituelle, sozusagen.

Er wollte die Unabhängigkeit Norditaliens ausrufen: Bossi an einer Demonstration 1996.

Er wollte die Unabhängigkeit Norditaliens ausrufen: Bossi an einer Demonstration 1996.

Foto: Keystone 

Bossis Geschichte lebt von einer Intuition und viel Karneval. In jungen Jahren war er Liedermacher, Dichter, beides mit wenig Fortüne. Und er war Kommunist. Das erklärt wohl auch, warum seine Lega Nord bei aller rechten und oftmals fremdenfeindlichen Rhetorik immer antifaschistisch war. Salvini sollte auch das ändern.

Ende der Siebzigerjahre entdeckte Bossi seine Leidenschaft für autonomistische Projekte und wandte die Prinzipien zunächst auf die Lombardei an, später auf den ganzen Norden entlang des Flusses Po. Er bediente die Mythen rund um den «Gott Po» mit viel Hingabe. Das Wasser wurde zum Elixier, man trug es in Ampullen herum.

Im Zentrum der Macht: Der damalige Premierminister Silvio Berlusconi (l.) mit Umberto Bossi im Parlament. 

Im Zentrum der Macht: Der damalige Premierminister Silvio Berlusconi (l.) mit Umberto Bossi im Parlament. 

Foto: Ettore Ferrari (Keystone) 

Bossi predigte die Sezession des Nordens und traf damit den Nerv eines Volkes, das sich schon lange im Gefühl suhlte, Rom nehme den Norden aus und verteile die Früchte harter Arbeit auf den Süden, der wiederum nichts tue und nur auf das Manna warte. Basta! Bossis Fantasieland sollte Padania heissen, Land des Po. Den Radiosender der Lega Nord nannte er Radio Padania, die Parteizeitung «La Padania».

Doch selbst in den vielen Jahren, da die Lega mit Silvio Berlusconi an der Macht war, geschah fast gar nichts. Salvini liess dann auch noch die Lust an der Autonomie verkümmern: Er setzte alles auf die Immigrationspolitik. Die ganze, verquere Originalität der Partei war weg. Und mit ihr das Volk.

Nun hat Bossi ein «Comitato del Nord» gegründet, ein «Komitee des Nordens», damit man sich wieder auf die Ursprünge besinne, auf die alte Lega Nord und ihre Mythen. Es ist dies die erste Strömung überhaupt in der Geschichte der Partei, in ihr steckt auch der Keim einer möglichen Spaltung. Es machen einige prominente Figuren der Lega mit. Am liebsten würden sie Salvini stürzen, sofort. Doch der klammert sich am Parteivorsitz fest – im Trotz gegen den alten Ziehvater, und das kann auch fatal enden.

Oliver Meiler ist Italienkorrespondent. Er hat in Genf Politikwissenschaften studiert. Autor des Buches «Agromafia» (dtv, 2021).Mehr Infos@OliverMeiler

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