Switzerland
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Wie eine Liga ihre Seele verkauft hat – Champagner für Langnau und Ajoie

Stefan Bürer und Jann Billeter haben 28 respektive 24 Jahre beim Schweizer Fernsehen gearbeitet und waren bei Sport- und Eishockeyübertragungen feste Grössen. Auf die letzte Saison hin haben sie zu MySports respektive den SC Rapperswil-Jona Lakers gewechselt. Ein Gespräch über Fernsehen, Eishockey und vieles mehr.

Früher ist man beim staatstragenden Fernsehen in der Sänfte der Festanstellung der Pension entgegengetragen worden. Weshalb sind Sie aus dieser Sänfte ausgestiegen?
Stefan Bürer: Bei mir hatten sich die Umstände durch Corona und Sparmassnahmen verändert. Dies bewegte mich dazu zu überlegen, ob ich bis zur Pension bei SRF bleiben möchte.
Jann Billeter: MySports fragte, ob es mich interessieren würde, bei ihnen zu arbeiten, und es reizte mich, den Fokus mal voll aufs Hockey zu legen. Bei SRF war Eishockey vor allem ab den Playoffs relevant, doch mich interessierte schon Runde 1. Es reizte mich, nach 24 Jahren etwas anderes zu machen, ein neues Umfeld kennenzulernen.

Kann Ajoie bereits aufatmen?

Kann Ajoie bereits aufatmen?Bild: keystone

Eismeister Zaugg

Für 50'000 Franken haben die Klubs der Swiss League ihre Aufstiegs-Chancen zu einem grossen Teil verkauft. Eine Dummheit, die an eine Geschichte aus der Bibel mahnt. Eine Dummheit von biblischen Dimensionen also. Langnau und Ajoie sind dem Liga-Erhalt ein grosses Stück nähergekommen.

Es gibt im nächsten Frühjahr wieder einen Auf/Abstieg. Der Verlierer der NL-Playouts (zwischen dem 13. und 14. der Qualifikation) muss seinen Platz in der höchsten Liga gegen den Meister der Swiss League verteidigen.

So wie alles angedacht und aufgegleist war, lagen die Aufstiegschancen bei 60 Prozent. Mindestens: Die Liga-Qualifikation mit fünf Ausländern und die Möglichkeit für den Herausforderer aus der Swiss League, bis 24 Stunden nach dem SL-Final mit drei ausländischen Spielern nachzurüsten: Der SL-Klub spielt ja während der Saison nur mit zwei Ausländern. Die internationale Transferfrist läuft zwar am 15. Februar ab. Aber innerhalb eines Landes sind weiterhin Transfers von Ausländern möglich.

Diese Regelung, die von den NL-Klubs so akzeptiert worden wäre, spielte dem aufstiegswilligen SL-Klub in die Hände. Drei gute zusätzliche Ausländer für die Liga-Qualifikation hätten zwar eine Investition von mehr als 100'000 Franken erfordert. Aber die Chancen, exzellentes ausländisches Personal zu finden, wären sehr gut gewesen: Der SL-Final wird frühestens am 21. März entschieden sein. Zu diesem Zeitpunkt sind die Ausländer von vier NL-Teams (des 11. und 12. der Qualifikation plus die der beiden Pre-Playoff-Verlierer) verfügbar: Ein Markt von mindestens 24 Spielern, die sich bereits an unser Hockey gewöhnt haben, die billiger sind als Spieler aus dem Ausland, weil keine Flüge, keine Auto- und Wohnungskosten anfallen.

Servette schied letztes Jahr in den Pre-Playoffs aus.

Servette schied letztes Jahr in den Pre-Playoffs aus.Bild: keystone

Mit ein wenig Verhandlungsgeschick wäre es also den SL-Sportchefs möglich gewesen, sehr gute Ausländer zu einem günstigen Preis zu bekommen. Dass sich ausländische Spieler gerne noch etwas Feriengeld dazuverdienen und sich dafür auch anstrengen, ist hinlänglich bewiesen.

Unvergessen bleibt, wie sich Langnau im Frühjahr 1998 sensationell in der Auf/Abstiegsrunde gegen die zwei NLA-Klubs (Herisau, La Chaux-de-Fonds) durchsetzte und in die NLA zurückkehrte: Die höchste Liga wurde damals durch diese Auf-/Abstiegsrunde von 13 wieder auf 12 Teams reduziert. Der überragende Leitwolf der Langnauer war der italienisch-kanadische Doppelbürger Gaëtano Orlando, der kurzfristig vom entthronten, in den Playoffs ausgeschiedenen Meister SC Bern ins Emmental wechselte und in dieser Auf/Abstiegsrunde mehr als einen Punkt pro Spiel beisteuerte.

Aber die SL-Klubs haben einen erheblichen Teil ihrer Aufstiegschancen freiwillig für 50'000 Franken verkauft. Die NL-Klubs beharrten auf einer Liga-Qualifikation mit fünf Ausländern. Im Gegenzug offerierten sie den darbenden SL-Klubs für die kommende Saison eine einmalige Finanzhilfe von 50'000 Franken und ein offenes Transferfenster bis nach dem SL-Final. Damit war klar: Ihr stimmt zu, dann gibt es die Kohle. Wenn ihr nicht zustimmt, gibt es keine Kohle.

Die Swiss-League-Klubs wie Langenthal nehmen lieber das Geld.

Die Swiss-League-Klubs wie Langenthal nehmen lieber das Geld.Bild: KEYSTONE

Die SL-Klubs aber wollten die Liga-Qualifikation unbedingt nur mit drei Ausländern spielen. Mit diesem Ansinnen waren sie chancenlos. Aber sie haben erreicht, dass das Stechen um den letzten Platz in der NL nun mit vier statt fünf Ausländern gespielt wird. Dafür aber mussten sie der NL entgegenkommen: Gespielt wird jetzt mit vier Ausländern und – das ist entscheidend – das Transferfenster wird bereits am 15. Februar geschlossen. Aber Hauptsache: Die SL-Klubkassiere dürfen den Eingang von 50'000 Franken erwarten.

Damit gibt es den Markt für Ausländer bei Schweizer NL-Klubs nicht mehr. Die NL-Qualifikation ist erst am 4. März zu Ende. Die aufstiegswilligen SL-Klubs müssen die zusätzlichen zwei Ausländer bereits bis spätestens am 15. Februar verpflichten. Sie können bei ihrer Konkurrenz einkaufen (die SL-Qualifikation ist am 5. Februar fertig). Aber der heimische Markt besteht halt nur aus den Ausländern der SL-Teams, die sich nicht für die Playoffs qualifiziert haben. Keine Titanen.

Das bedeutet: keine ausländischen Spieler von den NL-Klubs. Wer aufsteigen will, muss irgendwo im Ausland zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt teures ausländisches Personal rekrutieren. Der Grund, warum jemand bis Mitte Februar zu haben ist, dürfte in den allerwenigsten Fällen herausragende Leistung beim bisherigen Arbeitgeber sein. Kommt dazu: Ausländer, die eingeflogen werden müssen, kosten mehr als solche von anderen Schweizer Klubs. Weil ja Zusatzkosten wie Flugtickets und Wohnung anfallen. Die SL-Sportchefs sparen kaum Geld, wenn sie zwei aus dem Ausland statt drei aus dem Inland verpflichten.

Der Schliessung des Transferfensters per 15. Februar haben die SL-Klubs letztlich zugestimmt, um die Liga-Qualifikation mit vier statt fünf Ausländern zu spielen und vor allem um die 50'000 Franken Zustupf nicht zu verlieren. Für 50'000 Franken haben sie einen grossen Teil der Aufstiegschancen verkauft und die aufstiegswilligen Teams (Olten, Visp) verraten.

Für Olten wird es schwierig mit dem Aufstieg.

Für Olten wird es schwierig mit dem Aufstieg.Bild: keystone

Aber eigentlich ist das keine Überraschung. Schon im Buch der Bücher lesen wir nämlich von Esau und Jakob, den Söhnen des Isaak. Jakob wurde nach dem biblischen Bericht als zweiter Sohn seiner Eltern Isaak und Rebekka kurz nach seinem Zwillingsbruder Esau geboren. Aber als Esau eines Tages hungrig vom Feld kommt, verkauft er sein Erstgeburtsrecht (und das Recht auf das Erbe) für eine warme Suppe – ein Linsengericht – an Jakob. Eines der besten (oder andersherum: der schlechtesten) Geschäfte der Weltgeschichte. Jakob macht eine grosse Karriere, wird reich und aus seinen Söhnen gehen später die zwölf Stämme Israels hervor.

Nun haben die Klubs der Swiss League für eine einmalige Abfindung von 50'000 Franken einen erheblichen Teil der Aufstiegschancen, ja ihre Seele verkauft. Was ist eine SL noch wert, wenn es kaum noch eine Aufstiegschance gibt? Was dem Esau das Linsengericht, das war nun den SL-Klubs die 50'000 Franken. Langnau und Ajoie können aufatmen und den Champagner für den Ligaerhalt kaltstellen und dass Langnaus Präsident Jakob heisst, ist ein neckischer Zufall. Wer nun als NL-Klub unter diesen Umständen die Liga-Qualifikation noch verliert, ist wahrlich selber schuld.