Austria
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Annemarie Moser-Pröll: Mit der man Pferde stehlen konnte

Annemarie Moser-Pröll wird 70. Sie liebt das Skifahren immer noch, Rekorde sind ihr jedoch gleich. Sie raucht nicht mehr, sie lacht. Über eine Bergbauerntochter, die auf Dachschindeln das Skifahren lernte und Österreichs Superstar wurde.

Kleinarl. Nach einem Winter der purzelnden Rekorde haben im Ski-Weltcup nur noch wenige Uralt-Bestmarken Bestand. Eine davon sind seit 1979 die sechs Gesamtsiege von Annemarie Moser-Pröll. Ihr taugt's, sie ist bester Laune und Österreichs Olympiasiegerin wie Jahrhundert-Wintersportlerin hat derzeit ohnehin doppelten Grund zum Feiern. Die Ski-Ikone aus Salzburg feiert heute ihren 70. Geburtstag. Der größte Sieg? Ihre ausgezeichnete Gesundheit.

Moser-Pröll ist viel unterwegs. Bergwandern, Skifahren und Tennis. Alles mit Maß und Ziel, die leidenschaftliche Jägerin begeht diesen Feiertag wie jeden anderen. Gemütlich, mit der Familie und danach geht sie mit Ex-Rivalin Marie-Theres Nadig Ski fahren. „Zu Hause werde ich nicht sein, da geht die Tür nicht mehr zu.“

Annemarie Moser-Pröll (c) imago/Sven Simon (imago sportfotodienst)

Leben und Karriere der am 27. März 1953 als sechstes von acht Kindern in Kleinarl im Pongau geborenen Bergbauerntochter bewegen bis dato. Wie Franz Klammer hat sie ein Jahrzehnt lang den Skirennsport geprägt.

Skifahren auf Dachschindeln

62 Weltcupsiege waren eine Marke, die 35 Jahre währte und erst 2015 von Lindsey Vonn und 2019 auch von Mikaela Shiffrin übertroffen wurde. Die Salzburgerin lacht: „Ich hatte eine so wunderbare Zeit, dass ich nicht darüber nachdenke, ob mir jemand Rekorde wegnimmt.“ Elf Abfahrtssiege bleiben (noch) unerreicht.

Das Filmreife an Leben und Karriere von „La Pröll“, wie sie von der französischen Presse respektvoll genannt wurde, ist rasch beschrieben. Ihre erste Weltcup-Abfahrt beendete sie als 14-Jährige in Bad Gastein weinend, sie war nach mehreren Stürzen Letzte. Doch rasch entfachte das ehrgeizige Mädchen, das mit vom Vater aufgebogenen Dachschindeln das Skifahren gelernt hatte, einen Hype. Sie war der erste Ski-Superstar ihrer Zeit und löste in Österreich eine Schockwelle aus, als sie mit nur 23 Jahren zurücktrat.

Die Jubilarin APA/ROBERT JAEGER

Da hatte das „Supergirl“ zwei WM-Goldene, 41 Weltcuprennen sowie fünf große Kristallkugeln in Folge gewonnen. Die von der Skifirma bekrittelte Namensänderung, Drohbriefe sowie Material-Debatten hatten ihr aber das Skifahren verdorben. Als noch der Vater schwer erkrankte, warf sie ausgerechnet vor dem Winter mit Heim-Olympia 1976 in Innsbruck hin: „Ich hatte damals die Schnauze so richtig voll.“

Mit Annemarie ein Pferd stehlen

Die Schulden wegen des in der Pause eröffneten Cafe Annemarie (heute „Cafe Restaurant Olympia“) waren ein Katalysator dafür, dass sie in den Skirennsport zurückkehrte. Moser-Pröll siegte so schnell wieder, dass Konkurrenz und Fachpresse fassungslos waren.

Insgesamt holte sie in elf Saisonen neben sechs großen Kugeln zwischen 1970 und 1980 zwölf Disziplinen-Wertungen und fuhr bei über 200 Starts 114 Mal auf das Podest. Neun WM- und drei Olympia-Medaillen runden die Bilanz der fünffachen Weltmeisterin ab. Am Ende feierte sie 1980 in Lake Placid auch das ersehnte Olympia-Gold in der Abfahrt.

Me too: Die Vorwürfe gegen Sailer und Kahr

Und ihr Blick zurück? Er löst bei der 1999 In der Wiener Staatsoper an der Seite von Muhammad Ali, Pele oder Carl Lewis zur Weltwintersportlerin des Jahrhunderts gewählten Salzburgerin eher Gänsehaut aus. Die im Zuge von „Me too" aufgekommenen Vorwürfe gegen den 2009 verstorbenen Toni Sailer sowie ihren Ex-Coach Karl Kahr (90) hätten sie sehr getroffen, betont Moser-Pröll. Mit Sailer habe sie ebenso eine lebenslange Freundschaft verbunden wie mit Kahr.

Der Siebziger schrecke sie gar nicht, sagt sie. Stolz fügt die Großmutter eines 20-jährigen Enkels hinzu, dass sie das Rauchen aufgegeben habe. Auch im Auto gibt die als einstige Hobby-Rennfahrerin mit 70 nicht mehr ganz so Vollgas. „Es ist für mich ein Geburtstag wie der 69. oder der 71. Das Leben bekommt keinen Knick deshalb und man schaut ja sowieso immer vorwärts.“ Hat sie gar keinen Wunsch? Weniger als Sportlerin, mehr als Mensch in Erinnerung bleiben. „Als Kameradin, mit der man Pferde stehlen konnte.“

GÖ-FIN