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Ein intensives #MeToo-Meisterwerk

Angst, Ekel, Wut, Zuversicht, Freude: Es sind intensive Emotionen, die der Kinofilm "She said" entstehen lässt. Die deutsche Regisseurin Maria Schrader ("Vor der Morgenröte") arbeitet in der US-Produktion auf, wie Jodi Kantor und Megan Twohey, Investigativjournalistinnen der New York Times, 2017 die Verbrechen sexueller Gewalt des Produzenten Harvey Weinstein (siehe Box) aufdeckten.

Was Journalismus leistet, ist so wichtig wie aufregend. Es zu inszenieren, verlangt einem jedoch alles ab: Denn wie spannend kann es sein, jemanden beim Telefonieren, Tippen oder Besprechen zu zeigen? Schrader stellt sich dem, indem sie die Recherche des Gespanns, das Carey Mulligan (Towhey) und Zoe Kazan (Kantor) nahbar, authentisch verkörpern, als das choreografiert, was es war: der Tanz auf einem Vulkan, der vor der Eruption stehen musste.

Gedreht in der NYT-Redaktion steigert sich eine besondere Atmosphäre, die eine zentrale Botschaft antreibt: Was sich hier auftut, ist größer als das Leben der ersten Frau, auf die Kantor stößt, größer als das aller, die das System Weinstein seit den 1990ern verletzte.

Hier geht es um das Gelingen eines zivilisatorischen Fortschritts. Das Tempo dieses Tanzes bestimmen ewige Faktoren von Kriminalität, die die sexuelle Unversehrtheit zerstört, und Öffentlichkeit: Scham, Furcht vor Repression, Schweigen hier, Störfeuer, Blockaden und Einschüchterung dort.

Schrader vereint all das extrem präzise, doch nie steril. Weil man klar verstanden hat, was den Film glaubwürdig lebendig macht – das ist sicher nicht Weinstein. Er ist zu hören, doch nie von vorne zu sehen, grafische Gewalt gibt es nicht.

"She said" ist ein Film der Frauen über Bedingungen des weiblichen Seins, mit dem feinfühlig und schützend umgegangen wird.

Das Drehbuch der Britin Rebecca Lenkiewicz ("Ida", "Colette") hält dafür Fantastisches bereit – für neue (Twohey) und erfahrene Mütter (Kantor), Töchter, Partnerinnen, Arbeiterinnen, Isolierte, an Brustkrebs oder postnatalen Depressionen Erkrankte. "Denkst du, all die Depressionen der Frauen kommen von jahrhundertelangen Traumata?", fragt Kantor etwa.

Es ist einer von vielen kleinen Momenten, der zeigt, warum der Film so tief geht: Er zeigt, dass die Eliminierung Weinsteins erst ein Anfang ist. Um zu verstehen, empfiehlt es sich, "She said", ein formvollendetes Meisterwerk im #MeToo-Kino, anzusehen – egal ob Mann oder Frau.

"She said": USA 2022, 129 Min., jetzt im Kino

OÖN Bewertung:

Der Fall Weinstein

Harvey Weinstein (70), Gründer der US-Produktionsfirmen Miramax und Weinstein Company, stand hinter Filmen wie „Shakespeare in Love“. Nach der mit dem Pulitzerpreis prämierten Reportage der New York Times in 2017, in der ihm Frauen wie Darstellerin Ashley Judd Übergriffe vorwarfen (sie ist Teil von „She said“), melden sich mehr als 80 weitere. Weinstein griff bei „Geschäftstreffen“ an, 2020 verurteilte man ihn zu 23 Jahren Haft. Im Oktober 2017 startete der Hashtag #MeToo.

Nora Bruckmüller
Nora Bruckmüller