Austria
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"Freuts euch lieber nicht zu spät, sondern heute"

Auf drei Aspekte kann sich Ina Regen bedenkenlos verlassen: ihre starke, an der Linzer Bruckneruni ausgebildete Jazz-Stimme, ihr Wesen als Herzensöffnerin und ihre liebevollen Fans. Deshalb tanzten und applaudierten am Dienstag 1000 Menschen im bummvollen Linzer Musiktheater wie nach einer euphorisierenden Impfung. Fünf Jahre nachdem in diesem Haus die Uraufführung von Ina Regens Debüt-Hit "Wie a Kind" erstmals ein Live-Publikum gerührt hatte (damals als Background-Sängerin von Conchita Wurst), feuerte die 38-Jährige nun ihr drittes Album "Fast wie Radlfahrn" ab – die bekannten Glanzstücke wie "Nordstern", "JoNaEh" oder "Und dann gehst" gut eingebettet.

Es sei schwer, in diesen Zeiten ein "berührbarer, sensibler Menschen zu sein", sagt Regen. Weil aber Empathielosigkeit ein frustrierendes Lebensmodell ist, her mit den Gefühlen, am besten viel davon. Regen, die als Regina Mallinger in Gallspach im Bezirk Grieskirchen aufgewachsen ist, hat genug für alle. Erst recht für das Berliner Duo "Flinte" im Vorprogramm, dessen Kennenlernen den Besuch schon wert gewesen wäre. Mit Sängerin Alexa Voss, deren Stimme etwas interessant Schmutziges mitliefert, ist Regen befreundet. Zusammen haben die beiden einige Nummern für Regens aktuelles Album geschrieben, das Duett "Kaffee & Chardonnay", das diese Beziehung trotz ihrer Unterschiede beschwört, singen sie gemeinsam.

"Linz am Meer"

"Ich bin eine Tochter dieses Landes", ruft Regen in den Saal. Bei "Hoam" klingen im Nachhall sogar Takte der oberösterreichischen Landeshymne nach, und "Wien am Meer" arbeitet sie zu "Linz am Meer" um. Für solche Bekenntnisse könnte der Landeskulturpreis winken.

Die einst vor dem Klavier in sich versunkene Frau hat sich verwandelt: Alles ist Glitzer und Disco. In einem funkelnden Kapuzenmantel tritt sie aus der Finsternis zu ihrer großartigen fünfköpfigen Band. Regen wirkt, als sei sie völlig in ihrer Mitte. Sie tanzt ausgelassen im Kreis, stachelt das Publikum zum Abschütteln des trostlosen Alltags an und schreit: "Freuts euch lieber nicht zu spät, sondern heute!" Alle folgen ihr aufs Wort. In "Wie du" versöhnt sie sich respektvoll mit ihren Eltern. In "Mädel am Klavier" verdaut sie Beziehungsschmerz, um eine neue Leichtigkeit zu gewinnen, die alle bei "Na geh" mitturnen.

Regen betont sich als Entertainerin mit Tiefgang, der den Tipps einer Lebensberaterin mitunter nahekommt. Ihre Texte verfahren sich trotzdem nie ins Belanglose, ihre Stimme sitzt in allen Tonarten. Verblüffend, dass diese Frau von Ö3 quasi ignoriert wird.

In "Wånn i groß bin" singt sie "Für immer Sturm und Drang, weil ålt werden kann i dånn – irgendwånn, irgendwånn, irgendwånn". Das durchwegs ältere Publikum fühlt sich nun doppelt angestachelt, die Hüften beim Zugaben-Auftakt des galoppierenden "Wir san immer no da" flotter kreisen zu lassen.

Nach zwei Stunden haben so gut wie alle im Saal entschieden: Mit dieser Frau will man trotz und nicht wegen der vielen Glücksversprechen auf einen Prosecco gehen. Regen hat so etwas geahnt, ihre Musiktheater-Disco lässt sie mit "Was ma heut net träumen, wird morgen net wahr" ausklingen. Prost!

Fazit: Ina Regen trägt ihr gutes Herz auf der Zunge – dahinter vibriert eine Kehle aus Gold.

Peter Grubmüller
Peter Grubmüller Peter Grubmüller