Austria
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In Götzis ist das Meeting der Star

Einmal im Jahr blickt die ganze Welt auf eine kleine Marktgemeinde in Vorarlberg. Konrad Lerch weiß, wie das Hypo-Meeting zum Mythos und Epizentrum der Mehrkämpfer wurde.

Götzis. „Heuer“, stellt Walter Weber klar, „wird es außer bei der WM kein besseres Starterfeld geben als in Götzis“. Der Athletenmanager des Hypo-Meetings spricht voll Stolz, wenn er an dieses Wochenende denkt. Von Samstag bis Sonntag (ab 10.55 bzw. 13.45 Uhr, live, ORF Sport+) werden in der beschaulichen Marktgemeinde in Vorarlberg 29 der begnadetsten männlichen und 27 der begnadetsten weiblichen Mehrkämpfer der Welt um die Wette laufen, springen, werfen und stoßen. Olympiasieger, Weltmeister: Götzis sah sie alle. Und die glorreiche Geschichte der Veranstaltung ist immer gespickt mit Rekorden.

Doch wie erlangte die heute knapp 12.000 Menschen fassende Gemeinde ihren so hohen Stellenwert in der Leichtathletik? Was macht den Mythos Götzis eigentlich aus? „Die Erfolgsgeschichte geht auf den Bau des Stadions zurück“, erklärt Konrad Lerch, einer der vier Gründer und bis 2010 Direktor des Meetings. Das Stadion wurde 1973 im Rahmen der Staatsmeisterschaften eröffnet und war als eines der ersten in Österreich mit einer Kunststoffbahn ausgestattet. Die Idee für ein internationales Meeting wurde unmittelbar danach ausgebrütet: „Mit meinen drei Freunden Armin Hug, Elmar Oberhauser und Werner Ströhle beim Europacup in Innsbruck. Wir waren beeindruckt von den Leistungen dort“, erzählt Lerch. Als dann auch noch Österreichs damals größte Mehrkampf-Veranstaltung in Schielleiten wegen einer veralteten Anlage an Bedeutung verlor, „sind wir sozusagen eingesprungen“.

1975 feierte das Meeting seine Premiere – und lockte trotz Dauerregens rund 1500 Zuschauer an. „Das war eine riesige Motivation für uns“, erinnert sich Lerch. Obwohl damals aufgrund einer kompletten Budgetierung aus der Vereinskasse ohne Sponsoring „ein „großes finanzielles Minus“ übrig blieb. Immerhin: Der ORF hat schon vor 48 Jahren aus Götzis übertragen, wobei die Personalie Oberhauser (damals im ORF-Landesstudios Vorarlberg tätig) sicher nicht von Nachteil war.

Sternstunden und Politik

„Drei markante Ereignisse“, so sagt Lerch, haben Götzis „auf die Titelseiten der Weltpresse gebracht“ und seinen Aufstieg zum absoluten Leichtathletik-Epizentrum bewirkt: die Weltrekorde von Daley Thompson (GBR) 1980 und 1982 sowie von Roman Šebrle (CZE) 2001. Letzterer überschritt dabei als Erster die magische 9000-Punkte-Marke, seine 9026 Zähler sollten fast elf Jahre unerreicht bleiben.

Auch in politischer Hinsicht rückte das Meeting im Möslestadion in den 1980er-Jahren, zu Zeiten des Kalten Kriegs, in den Fokus. „Als westliche Staaten Olympia 1980 in Moskau und östliche Staaten Olympia 1994 in Los Angeles boykottierten, waren wir jeweils die einzige Veranstaltung, bei der die besten Mehrkämpfer der ganzen Welt gegeneinander angetreten sind“, berichtet Lerch. „Das Völkerverbindende durch den Sport über das Trennende zu stellen war schon immer ein Markenzeichen von Götzis. Auch in ganz schwierigen Zeiten ist uns das gelungen, darauf sind wir sehr stolz.“

Warum zieht es die Besten der Besten auch heute noch nach Vorarlberg? „Weil Götzis kein überdimensioniertes Stadion hat, ist die Nähe zu den Athleten gegeben“, spricht Lerch von einer ganz besonderen Atmosphäre. Nachsatz: „Siggi Wentz (Olympia-Bronze 1984 für Westdeutschland, Anm.) meinte einmal, dass er im Hürdenlauf in Götzis um mindestens eine Zehntelsekunde schneller sei – allein durch die Unterstützung der Zuschauer.“ Außerdem gebe es unter den inzwischen 10.000 Zuschauern am gesamten Wochenende nie Krawalle. „Das Publikum ist sehr fair, keinesfalls chauvinistisch, es applaudiert auch jedem und erkennt all die guten Leistungen an. Das macht den guten Ruf des Meetings aus.“

Für Athletenmanager Weber ist es die familiäre Atmosphäre, die den Reiz für alle Athleten ausmacht. „Sie freuen sich auf unser Meeting im Mai. Der Druck ist nicht so groß wie bei Olympia oder bei einer WM, umso besser sind teilweise die Ergebnisse.“ Bei Götzis handelt es sich um ein Einladungsevent – und Weber verfolgt seit Jahrzehnten einen klaren Plan: „Wir wollen die Athleten schon in jungen Jahren dazu bringen, sich in Götzis zu verlieben.“ Meist gelingt das. „Olympia, WM und Götzis: Die Top-Mehrkämpfer treffen sich nur hier“, weiß Weber.

DIE ATHLETEN

Topfavoritin Götzis ist bei den Männern Damian Warner (CAN), der in Vorarlberg bereits sechs Siege feiern und 2021 in Tokio über Olympia-Gold jubeln konnte. Bei den Frauen geht Anouk Vetter (NED) auf die Titelverteidigung los, ihre Hauptkonkurrentin ist die zweifache Götzis-Siegerin bzw. Weltmeisterin von 2019, Katarina Johnson-Thompson (GBR). Österreichs Hoffnungen ruhen auf Sarah Lagger, bei den Männern ist kein Lokalmatador am Start.