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Witwen-Effekt: Für Männer endet die Trauer eher tödlich

© Getty Images/urbazon/iStockphoto.com

Der Verlust eines geliebten Menschen nach langer Partnerschaft löst meist tiefe Trauer aus. Warum Männern der Partnerinnenverlust stärker zusetzt.

von Marlene Patsalidis

Leugnen, Wut, Feilschen und Verhandeln, Depression und schließlich: Annahme. Die Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross, eine der bekanntesten Sterbeforscherinnen weltweit, ziehen sich über Monate, Jahre – manchmal sogar Jahrzehnte.

Einer neuen Studie aus Dänemark zufolge bleibt etlichen verwitweten Männern die Trauerbewältigung aber verwehrt. Weil sie schon kurz nach dem Ableben der Partnerin selbst versterben.

Witwen-Effekt

Wenn Männer kurz nach dem Tod ihrer Ehefrauen sterben, oder umgekehrt, spricht man vom Witwen-Effekt. Das Phänomen tritt hauptsächlich bei emotional eng verbundenen, hochbetagten Paaren auf. Die emotionale Belastung strapaziert das Herz und schwächt das Immunsystem. In fortgeschrittenem Alter kann sich das tödlich auswirken.

Allerdings zeigte sich nun bei einer Analyse von Daten von fast einer Million Däninnen und Dänen im Alter von 65 Jahren und darüber, dass jüngere Menschen – insbesondere Männer – noch stärker gefährdet sind. An der Studie wirkten Forschende aus Dänemark, Großbritannien und Singapur mit, veröffentlicht wurde sie vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift PLOS One.

Man stellte fest, dass das Risiko, innerhalb eines Jahres nach dem Ableben des Partners oder der Partnerin zu sterben, umso höher war, je jünger die Betroffenen waren. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass Männer im Jahr nach dem Verlust ein um 70 Prozent höheres Sterberisiko hatten als verwitwete Männer im gleichen Alter. Verwitwete Frauen hatten ein um 27 Prozent höheres Sterberisiko als Frauen, die nicht verwitwet waren.

Die Erhebung hat ihre Schwächen: Beeinflussende oder verzerrende Faktoren auszuschließen, kann bei dieser Art der Forschung knifflig sein. Das Älterwerden geht allgemein mit einem höheren Sterberisiko einher. Zudem teilen Paare oft Lebensgewohnheiten und andere Verhaltensweisen (beispielsweise Ernährung und Sport betreffend), die eine große Rolle für die Gesundheit spielen.

Aufgrund der groß angelegten Analyse und des langen Untersuchungszeitraums von bis zu sechs Jahren waren die Forschenden aber in der Lage, spezifische Risikofaktoren für den Witwen-Effekt zu benennen.

Unerwartete Befunde

Geschlecht und Alter waren die zwei einflussreichsten Risikofaktoren. Menschen im Alter von 60 Jahren hatten überraschenderweise das höchste Risiko im Anschluss an einen Trauerfall zu versterben. Die Forschenden halten es für denkbar, dass ein eher unerwarteter Trauerfall in jüngeren Jahren zusätzlichen Stress verursacht.

Ebenso überraschend: Jüngere Männer scheinen vom Verlust der Partnerin stärker betroffen zu sein als Frauen. Bei den jüngeren Männern blieb das erhöhte Sterberisiko bis zu drei Jahre – und nicht nur ein Jahr wie bei älteren Menschen – nach dem Verlust bestehen. Bekannt war bisher nur, dass ältere Männer – etwa ab 75 Jahren – stärker unter dem Verlust der Ehefrau leiden.

Hier dürfte Einsamkeit eine wesentliche Rolle spielen. Im Alter ist sie eine der größten Risikofaktoren für einen frühzeitigen Tod. Bei Männern hängt das soziale Netz oft an den Ehefrauen – versterben sie, fällt dieses weg.

Interessant: Obwohl die Forschenden feststellten, dass das Sterberisiko bei allen Teilnehmern im ersten Jahr nach dem Todesfall anstieg, sank es unmittelbar nach dem Verlust für einige Wochen. Möglicherweise ein Hinweis auf die hilfreiche Wirkung unmittelbarer sozialer Unterstützung durch Familie und Freunde, und darauf, dass ältere Menschen nach dem Trauerfall eine längere Unterstützung benötigen.

Umgang ändern

Die Erkenntnisse könnten den Umgang mit trauernden Eheleuten – etwa im Bereich der Pflege – bereichern. Sie lassen sich aber womöglich nicht auf alle Gesellschaften übertragen. In stark kollektivistisch orientierten Kulturen könnten entsprechende Analysen beispielsweise andere Ergebnisse liefern.

Ungewiss ist auch, ob sich die Befunde 1:1 auf homosexuelle oder unverheiratete Paare übertragen lassen.

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