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«Die Schweiz darf sich nicht hinter der Neutralität verstecken»

Russland soll Wale als Waffe benutzen

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Sascha Zala, Professor für Geschichte an der Universität Bern.

Sascha Zala, Professor für Geschichte an der Universität Bern.bild: watson

Sascha Zala ist Professor für Geschichte an der Universität Bern und Spezialist für diplomatische Angelegenheiten. Die sicherheitspolitische Kommission hört ihn zur brandheissen Frage der Weiterexporte für Kriegsmaterial an – vorab hat er sich watson anvertraut.

«Die Neutralität ist eine rein politische Frage, doch man tut so, als sei sie eine Frage des Rechts.» So spricht Professor Sascha Zala im Interview mit watson am Dienstag. Er ist Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte und Direktor der Forschungsstelle «Diplomatische Dokumente der Schweiz» (Dodis). Am 7. Mai wird Professor Zala von der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats angehört.

Das Thema der Anhörung: Die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial in die Ukraine, die nach geltendem Recht verboten ist. Das Parlament hat sich bislang noch nicht auf eine Gesetzesänderung geeinigt, die die Lieferung von Schweizer Waffen an die Ukraine durch Drittländer erlauben würde.

«Es liegt am Parlament, die Verantwortung zu übernehmen.»

«Es ist nicht meine Aufgabe, zu beurteilen, ob es jetzt richtig oder falsch ist, Kriegsmaterial zu re-exportieren – in diesem Fall an die Ukraine», meint Zala. «Ich halte es jedoch für unbegründet, sich in der Diskussion auf völkerrechtliche Argumente zu beziehen, um eine Revision des Kriegsmaterialgesetzes abzulehnen. Das internationale Neutralitätsrecht hat nichts mit dem Schweizer Waffenausfuhrgesetz zu tun.»

Was bedeutet neutral?

Also was heisst das, neutral zu sein, während sich andere Länder im Krieg befinden? «Völkerrechtlich gesehen bedeutet das bloss, keinen Krieg zu führen und sein Territorium nicht den Krieg führenden Parteien zur Verfügung zu stellen», antwortet der italienischsprachige Bündner. Er verweist auf das Haager Abkommen von 1907, welches «die Rechte und Pflichten von Mächten und neutralen Personen im Falle eines Landkrieges» regelt – und distanziert sich gleichzeitig davon.

«Dieses Abkommen, das vor dem Ersten Weltkrieg verabschiedet und von der Schweiz unterzeichnet wurde, ist heute für die meisten Staaten obsolet.»

«Das Haager Abkommen hat nicht verhindert, dass das neutrale Belgien 1914 und 1939 zweimal von Deutschland überfallen wurde. Also haben die Belgier ihre Neutralität aufgegeben und sind 1949 der NATO beigetreten», fügt Zala hinzu.

Nichts Gottgegebenes

Er führt weiter aus:

«Die fast mystische Beziehung, die die Schweiz zur Neutralität hat, lässt sich grösstenteils dadurch erklären, dass sie den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts entkommen ist. Nur ist die Neutralität kein natürliches, von Gott gegebenes Recht. Im Übrigen verbietet das Haager Abkommen einem neutralen Land, das es unterzeichnet hat, nicht, Waffen an eine Krieg führende Partei zu exportieren. Es sieht vielmehr vor, dass, wenn Beschränkungen für die Ausfuhr von Waffen oder Munition für den einen getroffen werden, diese auch für den anderen getroffen werden müssen. Das ist nicht das Gleiche.»

Die Mitglieder der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats erwarten wahrscheinlich, die hier von Professor Zala dargelegten Argumente zu hören. Eine Mehrheit von ihnen wird sich dadurch vielleicht umso mehr bestätigt sehen, dass die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial in die Ukraine notwendig sei.

Zala warnt:

«Die Schweiz darf sich nicht hinter dem Recht der Neutralität verstecken. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, sie wird rein politischer Natur sein»

Das Neutralitätsrecht, so der Geschichtsprofessor, habe nichts mit dem Thema zu tun, «die Neutralitätspolitik schon; sie ist die Summe aller Massnahmen, die die Schweiz ergreift, um ihre Neutralität glaubhaft zu halten.» Die SVP wolle sie «integral», während die Linke sie nutzt, um Waffenexporte zu beschränken.

Nebst Zala werden weiter Experten, Professoren für Geschichte und Recht, im Mai von der sicherheitspolitischen Kommission angehört. Voraussichtlich wird dann in der Junisitzung über die von der Mitte vorgeschlagene «Lex Ukraine» diskutiert, die eben vorsieht, dass man für die Ukraine eine Ausnahme macht.

Aber es wird sicherlich noch bis zum Herbst oder Winter dauern, bis das Parlament eine definitive Entscheidung fällt. Vielleicht schweigen die Waffen ja bis dann. Mitte-Ständerat Charles Juillard, der die «Lex Ukraine» befürwortet, sagt dazu:

«Der Gedanke, dass wir hier die ganze Zeit einfach nur herumgedoktert haben, macht mich einfach wütend.»