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Folgen der Klimakrise: Müssen wir künftig auf Kaffee verzichten?

Folgen der KlimakriseMüssen wir künftig auf Kaffee verzichten?

Durch die globale Erwärmung wird es für die beliebten Bohnensorten zu heiss oder zu trocken. Bäuerinnen und Bauern auf der ganzen Welt fürchten um ihre Ernte.

«Man findet in der Kaffeebranche niemanden, der nicht besorgt ist», sagt der Agrarforscher Christian Bunn von der Universität Göttingen.

«Man findet in der Kaffeebranche niemanden, der nicht besorgt ist», sagt der Agrarforscher Christian Bunn von der Universität Göttingen.

Foto: Getty Images

Xylosandrus compactus ist gründlich und schnell. Nur ein paar Wochen braucht der weniger als zwei Millimeter grosse Käfer, um eine Kaffeepflanze zu zersetzen. Ist er erst in eine eingedrungen, frisst er sich durch die Zweige und höhlt eine Brutkammer für bis zu 30 Eier aus. Der Nachwuchs frisst sich 30 Tage satt und bricht dann aus den elterlichen Gängen aus, um neue Pflanzen zu befallen.

Für Kaffeebauern weltweit ist der Bohrkäfer zur Plage geworden, zuletzt in Uganda. Dort fielen im November die Kaffee-Exporte überraschend stark, um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Eine Dürre in den meisten Regionen zum zweiten Jahr infolge habe zu einer Verbreitung von Schädlingen wie Xylosandrus geführt, teilte die nationale Kaffeebehörde UCDA mit. Dabei hat Uganda grosse Pläne. Bis 2030 will das ostafrikanische Land die Produktion verdreifachen, auf 20 Millionen Säcke zu 60 Kilogramm. Damit wäre Uganda der grösste Kaffee-Exporteur Afrikas, 1,5 Millionen Menschen will die Regierung so aus der Armut holen.

Erst Dürre, dann Schädlinge

Doch der Klimawandel behindert diese Ambitionen – und nicht nur in Uganda. Erst Dürre, dann Schädlinge: Die Erderwärmung verstärkt solche «kombinierten Risiken» und bringt auch neue hervor, wie zuletzt ein Team um Doug Richardson von der australischen Forschungsorganisation CSIRO zeigte. Im Fachmagazin «Plos Climate» berichten die Wissenschafter, dass der Klimawandel zu «synchronen Ernteausfällen» in verschiedenen Anbauländern führen könnte. «Wir gehen davon aus, dass die Kaffeeproduktion mit anhaltenden systemischen Schocks als Reaktion auf räumlich zusammenwirkende Klimagefahren rechnen muss», so die Autoren. Der Konsument bekommt das längst zu spüren: Im Herbst teilten die Statistiker von Eurostat mit, dass sich Kaffee innerhalb eines Jahres um 17 Prozent verteuert habe, also deutlich mehr als andere Konsumgüter im Schnitt. (Lesen Sie weiter: Warum es besser ist, den Kaffee ohne Milch zu trinken)

Der Kaffeeanbau ist seit jeher ein klimatischer Balanceakt. Pflanzen der Sorte Arabica gedeihen am besten, wenn es über das Jahr hinweg weder kälter als 18 Grad Celsius noch wärmer als 22 Grad Celsius ist und wenn zwischen 1400 und 2000 Millimeter Regen fällt. Die Sorte Robusta mag es etwas feuchter und wärmer, zwischen 22 und 28 Grad sind optimal. Die Anforderungen sind so speziell, dass Kaffee nur innerhalb eines schmalen geografischen Bands in den Tropen wächst.

Doch immer häufiger ist es heisser, trockener oder nasser, als es Kaffeepflanzen vertragen, stellten die Forscher um Richardson fest. Dazu werteten sie im Zeitraum 1980 bis 2020 die meteorologischen Bedingungen in zwölf Ländern aus, die zusammen für rund 90 Prozent der globalen Kaffeeproduktion stehen. Bei der Temperaturentwicklung liess sich «ein klares Klimawandel-Signal» erkennen. Für Arabica-Regionen wie Kolumbien ist demnach die Gefahr zu hoher Temperaturen deutlich gewachsen. In Robusta-Regionen wie Vietnam ist das Risiko von zu niedrigen nächtlichen Temperaturen seit 2000 zwar zurückgegangen. Dafür ist es dort tagsüber nun mitunter zu heiss. Insgesamt haben sich die Temperaturen in einen Bereich verschoben, der über dem Optimum für Kaffee liegt.

Der Klimawandel könnte die für Kaffee geeignete Fläche global um bis zu 50 Prozent schrumpfen.

Auch die Anzahl der für den Kaffee schädlichen klimatischen Ereignisse pro Jahr nimmt zu, wie etwa zu starke Regenfälle oder Hitzewellen. So traten in den ersten 30 Jahren der Auswertung über alle Länder verteilt nur einmal mehr als 20 «Gefahrenereignisse» auf, nämlich im Jahr 1998. Seit 2010 gab es dagegen in jedem zweiten Jahr mehr als 20 Schocks weltweit. Damit steige das Risiko für gleichzeitige Produktionsausfälle in verschiedenen Anbauregionen, so die Forscher. (Mehr Die Physik hinter Kaffee – Wovon es abhängt, ob ein Espresso gut, dünn oder bitter schmeckt)

Schon 2014 war eine Studie zum Ergebnis gekommen, dass der Klimawandel die für Kaffee geeignete Fläche global betrachtet um bis zu 50 Prozent schrumpfen könnte. Ob man nun Kaffeebauern aus Ostafrika, Vietnam oder Indonesien frage: «Man findet niemanden, der nicht besorgt ist», sagt der Agrarforscher Christian Bunn von der Universität Göttingen, der Erstautor der im Fachjournal Climatic Change erschienenen Arbeit.

Zwar sei der Einfluss des Klimawandels auf die Kaffeeproduktion ein globales Phänomen, regional seien die Folgen aber sehr verschieden, so Bunn. Wie viel Kaffee geerntet werden kann, hängt beispielsweise nicht nur davon ab, wie viel Regen insgesamt fällt, sondern auch davon, wann er fällt. In Ostafrika beginne die Regenzeit nun mitunter einige Wochen später, was die Pflanzen in Mitleidenschaft ziehe. Nach der Ernte muss der Kaffee dann für einige Wochen trocknen, was oft unter freiem Himmel geschieht. Regnet es dann unerwartet, ist das ebenfalls ein Problem. In Kolumbien führt zu hoher Niederschlag dagegen manchmal dazu, dass Kaffeepflanzen mehrmals im Jahr blühen. Das lässt die Erträge der Bauern ebenfalls einbrechen, weil dann mehrmals im Jahr kleinere Mengen geerntet werden müssen, was teuer und ineffizient ist.

Die Kaffeeindustrie hat sich vielerorts vom Anbau in Wäldern verabschiedet. In Brasilien wachsen die Pflanzen meist in der prallen Sonne.

Die Kaffeeindustrie hat sich vielerorts vom Anbau in Wäldern verabschiedet. In Brasilien wachsen die Pflanzen meist in der prallen Sonne.

Foto: Getty Images

Auf steigende Temperaturen könnten Kaffeebauern reagieren, indem sie in höhere Lagen ausweichen – so prognostizieren es zumindest Studien. In der Praxis ist das aber nicht so einfach. Berge sind nicht beliebig hoch, zudem sind sie nicht frei verfügbar. «Entweder es gibt dort Kartoffeln oder Milchviehhaltung oder Wald. Dass Hochwälder abgeholzt werden, möchten wir auch vermeiden», sagt Bunn. Zumal sich mit der geplanten EU-Regulierung zu entwaldungsfreien Lieferketten die Anforderungen verschärfen dürften: Nach dem Vorschlag des EU-Parlaments dürfen Kaffee und andere Produkte nur noch importiert werden, wenn sie auf Flächen produziert wurden, die vor 2021 entwaldet wurden.

Kaffee gegen Wald? Der Konflikt lässt sich in Agroforsten auflösen, wo Kaffeepflanzen im Schatten grösserer Bäume wachsen, geschützt vor Hitze und Austrocknung. Im jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC zu den Folgen der Erderwärmung heisst es, dass Agroforstwirtschaft viele weitere Vorteile mit sich bringt, etwa weniger Schädlinge und Krankheiten, einen fruchtbareren Boden und eine höhere Artenvielfalt. Ausserdem werde in solchen Umgebungen mehr des Treibhausgases Kohlendioxid (CO₂) gespeichert.

Allerdings hat sich die Kaffeeindustrie vielerorts bereits vom Anbau in Wäldern verabschiedet. In Brasilien, wo mit Abstand der meiste Kaffee herkommt, wachsen die Pflanzen meist in der prallen Sonne. Das hat den Vorteil, dass die Bohnen maschinell geerntet werden können. Wenn ausreichend Niederschlag fällt, bringt der Anbau in der Sonne generell mehr Erträge.

Dringend nötig wären neue Sorten

Doch das kann ins Gegenteil umschlagen. Im brasilianischen Bundesstaat Espírito Santo führte eine Dürre in den Jahren 2015 und 2016 zu einem historischen Ernteeinbruch von 41 Prozent, viele Kaffeebäume starben aufgrund der Trockenheit ab. Eine Fallstudie zeigt, dass Plantagen ohne Schatten kaum gegen solche Klimaextreme gewappnet seien – fatalerweise leerten sich während der langen Trockenheit auch die Speicher zur Bewässerung.

Dringend nötig wären neue Kaffeesorten, die mit den Folgen der Erderwärmung besser zurechtkommen. Zuletzt konzentrierten sich Agrarforscher aber eher auf die Entwicklung von Sorten, die resistent gegenüber Krankheiten wie dem Kaffeerost sind. «Das ist schon ein Fortschritt, aber im Hinblick auf Hitze- und Dürretoleranz passiert zu wenig», sagt Christian Bunn.

Möglicherweise lohnt auch ein Blick auf die mehr als 100 wilden Kaffeesorten, die seit Langem auf der Erde wachsen. Im Fachmagazin Nature Plants berichteten Kaffee-Experten um Aaron Davis vom Königlichen Botanischen Garten in Grossbritannien kürzlich von einem gesteigerten Interesse an der Variante Liberica Excelsa. Diese wurde Ende des 19. Jahrhunderts für kurze Zeit kommerziell angebaut, kam dann aber ausser Mode. Jetzt feiert sie ein kleines Comeback: In Uganda wird Excelsa laut den Forschern auf mehr als 200 Höfen angebaut, Tendenz steigend.

Auch im Südsudan pflanzen immer mehr Kleinbauern die Sorte an, die in der Region heimisch ist. Der Zulauf hat wohl auch mit der Widerstandsfähigkeit von Excelsa zu tun: Die Sorte gilt als dürretolerant, verträgt aber auch niedrige Temperaturen, zudem gedeiht sie im Flachland. Und der Geschmack? In der Studie wird er als «mild», «geschmeidig» und «wenig bitter» beschrieben, mit Noten von Kakao, Erdnussbutter und getrockneten Früchten. Oder einfach als «guter Kaffee».

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