Switzerland
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Manipulationen am Bundesverwaltungsgericht? Recherchen nehmen Asylabteilungen in Fokus

Die Flucht einer jungen Saudi-Araberin

1 / 17

Die Flucht einer jungen Saudi-Araberin

quelle: ap/the canadian press / chris young

Hamid und Mohammad sind in Richtung Basel unterwegs

Das könnte dich auch noch interessieren:

Das Bezirksgericht Zürich hat am Mittwoch einen 38-jährigen Mann der vorsätzlichen Tötung und der Störung des Totenfriedens schuldig gesprochen. Es verhängte eine Freiheitsstrafe von 13,5 Jahren, ordnete aber keine Verwahrung an, wie sie der Ankläger gefordert hatte.

Ein Urteil am Bundesverwaltungsgericht sollte fair sein und unter neutralen Voraussetzungen verhandelt und beurteilt werden.

Doch nun kommen zwei voneinander unabhängige Recherchen der Tamedia-Gruppe und von SRF-«Rundschau» zu einem anderen Ergebnis: Besonders bei den Asylabteilungen des Bundesverwaltungsgerichts ist Fairness nicht zwingend garantiert – zumindest nicht in Hinsicht auf die Zusammensetzung der Richter. Besonders gravierend soll die Situation bei den Asylbescheiden sein.

Eine Übersicht.

Vorausetzung: Der Bandlimat und die Fairness

Das Bundesverwaltungsgericht soll möglichst neutral und fair urteilen. Damit nicht immer die gleichen Richter in der gleichen Konstellation die gleichen Themen bearbeiten, werden die Richter per Computer einem Fall zugelost.

Am Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen soll der sogenannte Bandlimat Fairness garantieren.

Denn immer drei Richter bilden ein solches Richtergremium – oder einen «Spruchkörper», wie es im Fachjargon heisst. Je vielfältiger ein solcher Spruchkörper sei, desto neutraler soll der Fall behandelt werden können.

Das Bundesverwaltungsgericht

Das BundesverwaltungsgerichtBild: sda

Diese Fairness ist in der Verfassung verankert: Rechtssuchende hätten laut Artikel 121 im Bundesgerichtsgesetz Anspruch auf ein korrekt zusammengesetztes Gericht, wie der «Tagesanzeiger» schreibt.

Lediglich bei 5 von 100 Fällen sei das automatisch zusammengesetzte Richtergremium im Nachhinein von Hand verändert worden, behauptete das St. Galler Gericht laut dem «Tagesanzeiger» bislang. Doch eine unabhängige Studie aus dem Jahr 2021 hat aufgezeigt, dass dies nicht den Tatsachen entspreche. Denn: In der Realität würden wohl bei 45 Prozent der Fälle die Zusammensetzung der Richter nachträglich von Hand geändert.

Diese manuellen Änderungen könnten laut «Rundschau» auf Manipulationen hindeuten. Die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission führt derzeit eine Untersuchung aufgrund der häufigen Änderungen.

Gründe für eine manuelle Änderung des Spruchkörpers gebe es viele, betonen sowohl der «Tagesanzeiger», als auch die «Rundschau». Solche Gründe können sein: Ferienabwesenheit, Sprache, Überlastung durch Fälle oder Stellvertretungen. Doch: Spielen auch persönliche Vorlieben und politische Gesinnung eine Rolle?

«Tagesanzeiger»: Richter Gnadenlos

Besonders häufig passiere das Austauschen von Richtern in der Asylabteilungen, wie der «Tagesanzeiger» schreibt. Die Zeitung stellt besonders die Abteilung Asyl V und den Richter David R. Wenger (SVP) in den Fokus ihrer Recherche.

David R. Wenger (SVP), Richter am Bundesverwaltungsgericht Abteilung V.
David R. Wenger (SVP), Richter am Bundesverwaltungsgericht Abteilung V.Bild: SVP Thurgau

Gegen «Richter Gnadenlos», wie Wenger auch genannt wird, werde aktuell ein Amtsenthebungsverfahren geprüft. Ihm werde vorgeworfen, in einem seiner Fälle eine «missliebige Richterin» durch eine andere ersetzt zu haben, um den Asylfall in seinem Sinne beeinflussen zu können, schreibt der «Tagesanzeiger».

Brisant: Gerade in der Asylabteilung V hätten die zuständigen Richter nie kontrolliert, ob die jeweiligen Richterzusammensetzungen dem Reglement entsprechen, schreibt der «Tagesanzeiger». Bei über 500 Fällen der Asylabteilung V könnten «gravierende Zuteilungsfehler» gemacht worden sein, wie der «Tagesanzeiger »schreibt.

Und diese fehlende Kontrolle sei rechtswidrig. Denn verfassungsrechtliche Vorgaben würden klar verlangen, dass eine unabhängige Richterperson die Letztverantwortung für die Zuteilung übernehmen müsse, schreibt der «Tagesanzeiger.

Wie der Seite das Bundesverwaltungsgericht zu entnehmen ist, entscheidet die Abteilungen V letztinstanzlich: Die Urteile können also nicht an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Der Medienbeauftragte des Bundesverwaltungsgerichts, Rocco Maglio, sagte zudem gemäss dem «Tagesanzeiger», dass die Bildung der Spruchkörper stets nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt sei. Darum bestehe bei abgeschlossenen Fällen auch kein Anlass für eine Überprüfung.

«Rundschau»: der geprellte Anwalt

Im Zentrum der Recherche der «Rundschau» steht der Gabriel Püntener – der erfolgreichste Asylanwalt der Schweiz, wie die Tamediagruppe im Februar schrieb. Dieser habe «schon länger» Unregelmässigkeiten festgestellt: Bei rund einem Drittel aller seiner Fälle würde der Spruchkörper nur aus SVP-Richter bestehen.

Die Rundschau entlarvte nun, dass bei Rechtsanwalt Püntener in mindestens drei Fällen die Spruchkörper händisch verändert wurden. Das Bundesverwaltungsgericht schreibt dazu dem SRF: «Da die Eingaben von Rechtsanwalt Gabriel Püntener regelmässig sehr umfangreich waren, galt es, diese Beschwerdeverfahren auf verschiedene Instruktionsrichterinnen und -richter zu verteilen.»

Gegenüber der Aufsicht habe das Bundesverwaltungsgericht diese Sonderregel in Bezug auf eingereichte Fälle von Püntener verschwiegen, weiss die «Rundschau».

Pünter habe aufgrund der Recherchen von der «Rundschau» Strafanzeige eingereicht: Der Bandlimat müsse beschlagnahmt werden, um das ganze endlich zu untersuchen.

(yam)