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Rekordtemperaturen in Indien: Diese Karte zeigt, wo 1 Milliarde Menschen unter extremer Hitze leiden

Rekordtemperaturen in IndienDiese Karte zeigt, wo 1 Milliarde Menschen unter extremer Hitze leiden

In der Luft bis 46 Grad, am Boden bis 65 Grad: Die Inderinnen und Inder erleben ein «Jahr ohne Frühling» – und der wärmste Monat steht ihnen erst noch bevor.

In verschiedenen Weltregionen ist es derzeit sehr heiss: in Nordafrika, auf der Arabischen Halbinsel und in Südasien. Aber nirgends ist die Situation so schlimm wie in Indien. Hier sind die Menschen eigentlich vieles gewohnt, doch die aktuelle Hitzewelle übertrifft alles. Meteorologen zufolge setzte sie so früh ein wie noch nie und hält so lange an wie selten. Von einem «Jahr ohne Frühling» ist die Rede.

Indien erlebte schon den wärmsten März seit Beginn der Aufzeichnungen vor 122 Jahren. Im April ging es so weiter, die nationale Wetterbehörde meldete vielerorts neue Rekorde. Zeitweise lagen die Temperaturen bis zu 8,5 Grad über dem Normalwert. Auch in den letzten Tagen zeigte das Thermometer in mehreren Städten über 42 Grad an, in der Millionenmetropole Prayagraj im Nordosten waren es fast 46 Grad.

Zum Vergleich: In der Schweiz wurde bisher nur ein einziges Mal die 40-Grad-Schallmauer durchbrochen, im August 2003, als in Grono im Kanton Graubünden 41,5 Grad gemessen wurden. Und während wir hierzulande von Tropennächten sprechen, wenn es über 20 Grad warm bleibt, versuchen die Inderinnen und Inder, teilweise bei 30 Grad zu schlafen.

Tagsüber, wenn sich der Boden durch die Sonne aufheizt und abstrahlt, wird es noch heisser, als offiziell mit der Lufttemperatur angegeben wird. Das zeigt eine Karte, welche die Europäische Weltraumorganisation ESA anhand von Satellitenbildern erstellt hat. Am 29. April (10.30 Uhr Ortszeit) mass sie in verschiedenen Gebieten Indiens eine Oberflächentemperatur von über 60 Grad. Rund um Ahmedabad wurde der Boden sogar 65 Grad heiss.

Die Millionenstadt liegt im Nordwesten. Diese Region ist genauso wie das Landesinnere besonders stark betroffen. Auslöser für die Hitzewelle sind Nordwestwinde, die trockene, heisse Luftmassen nach Indien transportieren. Gleichzeitig machen sich die sogenannten westlichen Störungen rar, die ausserhalb der Monsunsaison für Wolkenbedeckung und Regenfälle sorgen. 

Die Folgen sind weitreichend: Über eine Milliarde Menschen sind betroffen. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt von der Landwirtschaft, und aufgrund der Dürre kommt es zu Ernteausfällen. Das Wasser wird knapp. Zudem kämpft Indien mit der grössten Stromknappheit seit über sechs Jahren. Und die Forstbehörde zählte allein am 27. April landesweit mehr als 300 grosse Waldbrände.

Hitzewellen sind in Indien im Frühjahr und Frühsommer keine Seltenheit, haben in den letzten Jahren aber zugenommen. Im Zeitraum 1981–1990 wurden noch gut 400 extreme Hitzetage gezählt, 2011–2020 waren es schon 600. Durch den Klimawandel sind die Temperaturen landesweit gestiegen, vor allem aber in Nordwest- und Zentralindien.

Für die kommenden vier bis fünf Tage hat die nationale Wetterbehörde zumindest teilweise Entwarnung gegeben. Doch der Mai gilt als heissester Monat – und steht ja erst noch bevor. Mit Beginn der Monsunzeit Anfang Juni wird wenigstens das Problem mit der Trockenheit entschärft. Dafür kann es bei hoher Luftfeuchtigkeit richtig gefährlich für den menschlichen Körper werden, wenn der Schweiss die Haut nicht mehr kühlt. 

Ab einer sogenannten Feuchtkugeltemperatur («wet bulb temperature») von über 35 Grad, die bei einer Kombination von grosser Hitze und Luftfeuchtigkeit entsteht, können Menschen im Freien nicht mehr überleben. Gemäss einer Studie sind schon heute Teile Indiens und Südasiens für kurze Zeiträume diesem Phänomen ausgesetzt. Wenn es mit der Erderwärmung so weitergeht, könnten solche Bedingungen zum Normalfall und weite Gebiete unbewohnbar werden.

Yannick Wiget ist Datenjournalist. Er arbeitet seit 2015 in der Redaktion Tamedia, an der Schnittstelle zwischen dem Interaktiv-Team und dem Newsdesk. Zudem gibt er redaktionsinterne Kurse für digitales Storytelling und ist Leiter des Faktencheck-Teams.

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Mathias Lutz ist Interaction Designer und Entwickler. Er ist Teil des Interaktiv-Teams der Redaktion Tamedia und Mitglied des Journalisten-Netzwerks «Digital Storytelling».

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