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Schweizer Tennisspielerin im Hoch: Sie zitterte und zweifelte – nun hat sie ihre Dämonen besiegt

Schweizer Tennisspielerin im HochSie zitterte und zweifelte – nun hat sie ihre Dämonen besiegt

Die Walliserin Ylena In-Albon überstand in Paris im achten Anlauf erstmals die Qualifikation für ein Grand-Slam-Turnier. Das Gefühl, dazuzugehören, ist für die 24-Jährige unbezahlbar.

Auf Sand spielt sie am liebsten: Ylena In-Albon hat sich Schritt für Schritt nach oben gearbeitet.

Auf Sand spielt sie am liebsten: Ylena In-Albon hat sich Schritt für Schritt nach oben gearbeitet.

Foto: Laurent Gillieron (Keystone)

Das grosse Tennisglück ist für viele Spielerinnen und Spieler so nah und doch so fern. Ylena In-Albon ist seit ihrer Matura im Jahr 2019 Profi, arbeitete sich an kleineren ITF-Events hoch und schnuppert seit zwei Jahren an der Luft der grossen Tenniswelt. Siebenmal trat sie an in der Qualifikation zu einem Grand-Slam-Turnier, siebenmal scheiterte sie in der ersten Runde. Sie fühle sich manchmal wie in einer dicht gedrängten Warteschlange vor der Disco, schrieb sie Anfang Jahr in einer Chronik für Swiss Olympic. «Alle wollen rein, aber niemand raus.»

Das war, nachdem sie am Australian Open wieder einmal gescheitert war. Sie spiele nicht in erster Linie gegen ihre Gegnerin, sondern gegen ihre Grand-Slam-Dämonen, sagte sie damals. Ihre Hände würden zittrig, Zweifel kämen auf, und sie frage sich: «Gehöre ich wirklich hierhin?» Vier Monate später hat sie es sich bewiesen. Als Weltnummer 148 überstand sie die drei Runden der Qualifikation, im Hauptfeld von Roland Garros trifft sie am Dienstag auf die Amerikanerin Claire Liu (WTA 100). Es hätte schlimmer kommen können. Und es winkt die Aussicht auf ein Duell mit der Weltranglistenersten Iga Swiatek.

Die Magie der Grand Slams

Im Sommer 2022 war In-Albon dank ihres Rankings (110) und einiger Absagen ins Haupttableau von Wimbledon gerutscht und kostete ihren Auftritt gegen die Amerikanerin Alison Riske voll aus, obschon sie in zwei Sätzen verlor. Ein Foto nach dem Handshake am Netz zeigt sie, wie sie trotz der Niederlage übers ganze Gesicht strahlt. «Die ganze Ambiance, dieses Gewusel überall, riesige Anlagen, im Restaurant sitzt du plötzlich am Tisch neben Rafael Nadal, alles ist grösser, und die ganze Tenniswelt schaut zu: Ich habe die Magie des Grand Slams aufgesogen, und ich will mehr davon», liess sie sich in der Swiss-Olympic-Kolumne zitieren.

Doch eben: Trotz aller Bemühungen, die Basis zu erweitern, bleibt Tennis ein elitärer Sport. Ein Platz in den Top 100 und die Teilnahme an den Grand Slams verändert alles. Wer in der Warteschlange zur Disco stecken bleibt, kommt kaum über die Runden. In-Albon hat für ihre grosse Leidenschaft das Wallis verlassen, trainiert im Tessin in der Akademie des Uruguayers Gonzalo Vitale und reist mit diesem an die Turniere. Die 24-Jährige bezahlt ihrem Coach einen monatlichen Fixlohn und spart sonst jeden Franken. Im Tessin wohnt sie in einer WG mit zwei italienischen Tennisspielerinnen.

Die Qualifikation für Roland Garros trägt ihr 69’000 Euro ein, womit sie ihr Preisgeld in diesem Jahr mehr als verdoppelt hat. «Eine enorme Summe», kommentiert das In-Albon strahlend. «Aber ich werde dieses Geld gleich wieder in meine Karriere investieren. Tennis ist ein sehr teurer Sport.» Noch wertvoller als das Preisgeld ist für In-Albon das Gefühl, dazuzugehören. Es wächst mit jedem Tag auf dieser Bühne.

Seit sieben Jahren ein Team: Der Uruguayer Gonzalo Vitale und Ylena In-Albon in Wimbledon 2022.

Seit sieben Jahren ein Team: Der Uruguayer Gonzalo Vitale und Ylena In-Albon in Wimbledon 2022.

Foto: Peter Klaunzer (Keystone)

In-Albon saugt alles auf in Paris, tauscht sich mit anderen Spielerinnen aus, die es schon in die Top 100 geschafft haben. Und staunt manchmal. Etwa, wenn sie in der Garderobe die Australian-Open-Siegerin Aryna Sabalenka sieht: 1,82 Meter gross, kräftig wie eine Hammerwerferin. In-Albon ist mit 1,60 Metern eine der Kleineren auf der Tour. Sie weiss, sie wird nie so hart schlagen können wie Sabalenka, und sie wird wohl auch kein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Aber sie bleibt dran, verfolgt hartnäckig ihren Tennistraum. Auch kleine Schritte führen ans Ziel.

Simon Graf ist stv. Leiter des Ressorts Sport und berichtet seit über 20 Jahren über Eishockey und Tennis. Er studierte an der Universität Zürich Geschichte und Germanistik und verfasste mehrere Sportbücher. Sein aktuelles: «Inspiration Federer».Mehr Infos@SimonGraf1

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