Austria
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"Austerlitz-Treffen": EU-Erweiterung am Westbalkan bleibe "gemeinsames Ziel"

Die Parlamentspräsidenten aus Österreich, Tschechien und der Slowakei räumten in Grafenegg Versäumnisse bei der Einschätzung Wladimir Putins ein. Auf der Agenda stand auch der Umgang mit multiplen Krisen.

Österreich, Tschechien und die Slowakei sehen eine EU-Erweiterung am Westbalkan als "langfristiges gemeinsames Ziel" an. Dies hielten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), die Präsidentin des tschechischen Abgeordnetenhauses, Markéta Pekarová Adamová, und der Vizepräsident des slowakischen Nationalrats, Milan Laurencík, am Donnerstagabend bei einer Diskussion im Rahmen eines Treffens im "Austerlitz-" oder "Slavkov-Format" auf Schloss Grafenegg in Niederösterreich.

"Insbesondere am Westbalkan dürfe man kein Vakuum hinterlassen, welches möglicherweise von antidemokratischen Mächten ausgefüllt werden könnte", wurde Pekarová Adamová in einer Aussendung der Parlamentskorrespondenz zitiert. Hier sei es wichtig, die Synergieeffekte aus der Kooperation der drei Länder zu nutzen. Sie berichtete von Demokratisierungsbemühungen des tschechischen Parlaments in östlichen Partnerstaaten, wobei der Stärkung der Zivilgesellschaft eine wesentliche Bedeutung zukomme.

Versäumnisse bei der Einschätzung Putins

Die EU-Erweiterung am Westbalkan sah auch der stellvertretende Präsident des slowakischen Nationalrats, Laurencík, als langfristiges gemeinsames Ziel. Er gab die Risiken parlamentarischer Systeme zu bedenken, wenn etwa Gruppierungen in die Vertretungen gewählt werden, die den demokratischen Prozess aushebeln möchten. Hier gelte es, neben klaren parlamentarischen Regelungen vor allem bei jungen Menschen ein Bewusstsein für die den Institutionen zugrunde liegenden Werte zu schaffen.

Österreich gilt mit Blick auf den Einfluss von Akteuren in Südosteuropa wie Russland, China, der Türkei sowie anderen muslimischen Länder ebenfalls als starker Verfechter einer EU-Integration der sechs Westbalkanstaaten - Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo -, wie auch Sobotka bestätigte.

Zur Thematik des Ukraine-Kriegs räumten die drei Parlamentschefs ein, dass es im Vorfeld des russischen Angriffs Versäumnisse bei der Einschätzung von Präsident Wladimir Putin gegeben habe und Warnungen nicht genügend ernst genommen worden seien. Pekarová Adamová zitierte Aussagen des früheren tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg, der bereits anlässlich der russischen Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim 2014 gesagt habe: "Für Putin war die Krim nur die Vorspeise, Georgien wird die Suppe, die Ukraine der Hauptgang."

Gemeinsamer Ankauf von Gas

Sobotka berichtete von Fortschritten bei der Aufnahme und Integration ukrainischer Vertriebener sowohl im Schulsystem als auch am Arbeitsmarkt. Er wies auf die ohnehin hohe "Grundbelastung" Österreichs hin, was die Aufnahme von Flüchtlingen betreffe. Angesichts der Lage in der Ukraine habe das Land jedoch eine hohe Aufnahmebereitschaft gezeigt.

Bezüglich der Energiesicherheit sprach der Nationalratspräsident sich für einen gemeinsamen europäischen Gaskauf aus. Es brauche eine gemeinsame europäische Linie, um sich als Einzelstaaten nicht erpressbar zu machen. Man müsse sich auf die verschiedene Krisenszenarien intensiv vorbereiten, da diese Krise "multifaktoriell" werde.

Der stellvertretende slowakische Nationalratspräsident Laurencík berichtete, dass sein Land aktuell etwa 3.000 Flüchtlinge pro Tag aufnehme, wobei ein größerer Anteil davon wieder in die Ukraine zurückkehre. Auch hier würden große finanzielle Ressourcen für die Integration ukrainischer Kinder in das Schulsystem aufgewendet. Im Gegensatz zu Österreich unterstütze die Slowakei die Ukraine "massiv" mit militärischem Material. Putin wolle mittels Einschränkungen bei den Gaslieferungen die europäischen Länder verunsichern und destabilisieren, was unbedingt zu verhindern sei.

Daher setze die Slowakei auf entschiedene Schritte in Richtung Unabhängigkeit von russischen Energieträgern, wie Laurencík ausführte. Besonders schwierig sei das im Bereich der Kernkraft. Während Tschechien und Slowakei auf Atomkraft setzen, ist diese in Österreich seit der per Referendum abgelehnten Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf ja tabu.

Potenzial afrikanischer Länder

Tschechien habe ebenfalls bereits große Fortschritte bei der Integration ukrainischer Vertriebener in den Arbeitsmarkt erzielt, erläuterte Pekarová Adamová. Auch ihr Land versuche, die Abhängigkeit von Russland so schnell wie möglich zu reduzieren, so die tschechische Parlamentspräsidentin. Es handle sich hier jedoch um einen "Langstreckenlauf". Um die Menschen zum Stromsparen zu motivieren, setze man in Tschechien auf spezielle Anreizsysteme.

Sobotka appellierte, sich weiter für europäische Lösungen einzusetzen. Das Austerlitz-Format habe als bewährtes Instrument der regionalen Zusammenarbeit und politischen Abstimmung sowohl durch die Corona-Pandemie als auch den Krieg in der Ukraine zusätzlich an Bedeutung gewonnen, meinte der ÖVP-Politiker. Es stelle ein Zeichen lebendiger nachbarschaftlicher Beziehungen dar. Die gemeinsamen Interessen erstreckten sich über den grenzüberschreitenden Rettungsdienst mit der Slowakei, die Zusammenarbeit beim Katastrophendienst mit Tschechien und die Heranführung des Westbalkan an die EU, welche für alle drei Länder ein großes Anliegen sei.

Für Sobotka ist in der interparlamentarischen Kooperation die Vermittlung demokratischer Werte zentral, um die Resilienz der Institutionen gegen antidemokratische Strömungen zu stärken. Denn Demokratiebildung sei kein abgeschlossener Prozess, sondern müsse permanent erneuert werden, so der Nationalratspräsident. Man dürfe nicht müde werden, der Bevölkerung den Parlamentarismus als einzige Lösung zu kommunizieren, die Freiheit, Wohlstand und Frieden sichere. Dies gelte auch für Länder, deren demokratische Entwicklung noch weniger fortgeschritten sei, wie Sobotka sagte. Er verwies unter anderem auf das Potenzial afrikanischer Länder, denen man die eigenen Erfahrungen aus dem parlamentarischen Prozess näherbringen könne.

Stärkere Kooperation

Die drei Länder arbeiten informell im sogenannten Austerlitz- oder Slavkov-Format zusammen, benannt nach der südmährischen Stadt Slavkov (Austerlitz). Es handelt sich um eine Initiative, mit der Österreich, Tschechien und der Slowakei ihre Kooperation stärken wollen. Die Gruppe war Ende Jänner 2015 in Slavkov (Austerlitz) gegründet worden - in jenem Ort in Südmähren, nach dem die legendäre Drei-Kaiser-Schlacht 1805 benannt wurde. Die Vorsitzenden der Parlamente in Bratislava, Prag und Wien treffen einander jedes Jahr im August zu einem Meinungsaustausch in Grafenegg.

(APA)