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"Blonde": Eine in Stücke gehackte Marilyn

Was fällt einem 60 Jahre nach ihrem Tod zu Marilyn Monroe ein? Dass sie als Sexbombe galt, die vielleicht ein Verhältnis mit US-Präsident John F. Kennedy hatte? Oder dass sie mit 36 Jahren an einer Überdosis starb?

Mit dem Film "Blonde", seit gestern auf Netflix, soll Regisseur Andrew Dominik ("Killing Them Softly") nun eine "kühn" fiktionalisierte Neuinterpretation ihres Privatlebens vorlegen. Wer glaubt, ein neues Bild von Norma Jeane Baker, der Frau hinter dem Mythos, zu finden, dem wird eine Enttäuschung bevorstehen. Das Werk des Neuseeländers (54) mit Ana de Armas in der Hauptrolle ("No Time To Die") klammert genau das aus, worauf es in einer nach #MeToo umfassend aufgeklärten Filmarbeit ankäme: Nie geht es um ehrliches Einordnen ihres Talents, das stets als überschaubar abgetan wurde. Nie treibt das, was Baker für sich oder für Frauen ihrer Branche erreicht hat, die Handlung voran.

Die Handlung ist ohnehin eine Sache für sich: Sie verläuft chronologisch (ab 1933), ist aber voller Auslassungen und Übergängen, die fantasiereich und bildschön gestaltet sind, aber über eines nie hinwegtäuschen: Dominik verfilmt eine Geschichte, die seine Protagonistin aus ihrem Inneren heraus skizzieren will. Nicht über das, was man zu Lebzeiten von ihr zu erhaschen glaubte. Das Resultat bleibt aber lediglich eine künstlerisch aufgeblasene Elendsgeschichte, die Marilyn wieder nur ausstellt.

"Blonde" ist eine lose Aneinanderreihung von Schlägen auf Körper und Seele, ein in Schlaglichter zerhacktes Porträt: Die psychisch kranke Mutter gefährdete Norma Jeane als Kind, den Vater kannte sie nicht. Es folgen Sexismus, Missbrauch und Abwertung aller Art in Hollywood. Ehemänner schlagen sie (Bobby Cannavale) oder stellen ihr Wissen infrage (Adrian Brody), Fehlgeburten münden in Abwärtsspiralen.

Der Lichtblick in diesem dunklen Horrorfilm ist de Armas: Sie hat sich ihrer Figur mit Leib und Seele hingegeben und lässt sie in einer Qualität zerbrechen, wie man sie etwa bei Shelley Duvall in "The Shining" 1980 sah. De Armas erweist Norma Jeane Baker damit einen echt Dienst. Sie lässt ihr größtes Missverständnis spürbar werden: zu glauben, die Massen würden sie als Menschen lieben und nicht das Bild, das sie von ihr haben. "Blonde" mag es erschüttern, rückt es aber bestimmt nicht zurecht.

"Blonde": USA 2022, 167 Min., Regie: A. Dominik

Hintergrund 

Der Film „Blonde“ basiert auf dem Roman „Blonde“ der US-Schriftstellerin Joyce Carol
Oates aus 2000. Die 84-Jährige bezeichnet ihr Werk als strikt fiktional, sie holte damit ihre dritte Nominierung für den Pulitzer-Preis (1992 für „Schwarzes Wasser; 1994 für „Wofür ich gelebt habe“).

Der Film, dessen Drehbuch Regisseur Andrew Dominik nach dem Roman adaptierte, feierte im August Uraufführung beim Filmfestival in Venedig. Im Rennen um den Goldenen Löwen ging er leer aus. Vor Ana de Armas überzeugte US-Schauspielerin Michelle Williams im Spielfilm „My Week with Marilyn“ (2011) als Monroe. Sie wurde für den Oscar nominiert, auch de Armas hat gute Chancen.