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Die „Entteufelung“ der Marine Le Pen

Frankreich

Die Rechtsextreme profitiert von den Kämpfen um eine Pensionsreform. Und könnte auf leisen Sohlen zum Präsidentenamt 2027 gehen

Selten hat die französische Nationalversammlung derart hitzige Debatten erlebt wie um die Pensionsreform. Da wurde geschrien, gepfiffen, angeklagt und zurückgebrüllt. Aurélien Santoul von der Linkspartei La France Insoumise („Das unbeugsame Frankreich“), LFI, bezeichnete Arbeitsminister Olivier Dussopt sogar als „Hochstapler und Mörder“. Parteikollege Thomas Portes veröffentlichte ein Foto, auf dem er seinen Fuß auf einen Ball stellte, der Dussopts Kopf abbildete. Beide erhielten Strafen.

Besonders deutlich wandte sich eine Abgeordnete gegen derartige Fehltritte und rief in ruhigem Tonfall dazu auf, die Reform nur mit Argumenten zu bekämpfen. „Wenn man sich darauf zurückbesinnen würde, dass man in der Politik keine Feinde hat, sondern Gegner, könnte man solche Entgleisungen vermeiden.“

Lob für Mäßigung

Die Frau war Marine Le Pen, Chefin der Fraktion des rechtsextremen Rassemblement National (RN). Arbeitsminister Dussopt sagte später anerkennend über die 54-Jährige, sie habe sich „in diesem Moment sehr viel republikanischer verhalten“ als ein Teil des linken Zusammenschlusses Nupes.

Das linke Parteienbündnis brachte mehr als 17.000 Änderungsanträge ein, um in der Nationalversammlung eine Abstimmung über alle Artikel zu verhindern, darunter die umstrittene Anhebung der Altersgrenze von 62 auf 64 Jahre. Wenn das Parlament keinen Kompromiss findet, kann die Regierung die Reform aber per Verordnung beschließen.

© Bild: EPA/MOHAMMED BADRA

Auch im Senat, der bis Sonntag über das Gesetz debattiert, ging es hoch her. Nur die 87 RN-Abgeordneten zeigten sich diszipliniert. An den Protestmärschen beteiligten sie sich nicht, da die Gewerkschaften Rechtsextreme in ihren Reihen ablehnen.

Das schadet Le Pen kaum. Für fast die Hälfte der Franzosen verkörpert sie trotzdem mehr als alle anderen Politiker den Widerstand gegen die unpopuläre Reform. Und nur noch 46 Prozent sehen die extreme Rechte als Gefahr für die Demokratie, so wenig wie seit 40 Jahren nicht. Vier von zehn Befragten halten eine Regierungsbeteiligung der RN für denkbar.

Bei Demos in Frankreich immer dabei: gewalttätige Chaoten

© Bild: APA/AFP/ALAIN JOCARD

„Entdiabolisierung“

Le Pens Strategie, rassistische Töne oder Symbole zu verbieten und die Partei zu „entdiabolisieren“, zeigt Erfolg. Um sich ganz der Arbeit im Parlament zu widmen, gab sie den Parteivorsitz an den 27-jährigen Jordan Bardella ab. Er gilt als treuer Gefolgsmann; die eigentliche Strippenzieherin bleibt Le Pen.

Obwohl in einem Schloss im Pariser Nobelvorort Saint-Cloud aufgewachsen, gibt sich die zweifach geschiedene Mutter von drei erwachsenen Kindern bodenständig und gilt als Sprachrohr der einfachen Menschen. In den sozialen Netzwerken veröffentlicht sie gerne Fotos von ihren Hauskatzen. So hat der Name Le Pen für viele seinen Schrecken verloren, seit er weniger mit ihrem Vater, Jean-Marie, in Verbindung gebracht wird. Er begründete den Front National vor gut 50 Jahren an der Seite von ehemaligen Nazi-Kollaborateuren und Mitgliedern der Waffen-SS und wurde mehrmals unter anderem wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt.

Sie ließ ihren Vater ausschließen, benannte die Partei 2018 in Rassemblement National um. Das Programm basiert aber weiter auf dem Ausschluss von Migranten. Das schockiert immer weniger: In Umfragen ist sie zweitbeliebteste Politikerin des Landes. Eine gute Ausgangslage für die Präsidentschaftswahl 2027 und den Weg in den Élysée-Palast. Die Zeit, so scheint es, arbeitet für sie.

Aus Paris von Simone Weiler

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