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Ein Leben als Zerreißprobe

Israel, Palestinian militants declare Gaza truce

© REUTERS / SUHAIB SALEM

Über einen, dem ein politischer Konflikt alles nahm, und der dennoch nicht hasst.

von Caroline Ferstl

Es sind grauenhafte Bilder, die Izzeldin Abuelaish in den Köpfen der Leser entstehen lässt: „Ich erinnere mich an das Geräusch und den gleißenden Blitz. Dann war alles pechschwarz, ich bekam keine Luft. Als der Staub sich legte, wurde mir klar, dass die Explosion aus dem Zimmer der Mädchen gekommen war. Zersplitterte Möbel, Puppen, Bücher, Schuhe und Holzteile lagen zusammen mit Körperteilen auf einem Haufen. Ich hoffe, dass nie jemand sehen muss, was ich in diesem Moment sah.“

Am 16. Jänner 2009 musste der palästinensische Arzt miterleben, wie drei seiner Töchter und seine Nichte durch israelische Panzergranaten getötet wurden. Kurz darauf erlangte Abuelaish ungewollte Berühmtheit, als er seinem Freund, einem israelischen Journalisten, der gerade auf Live-Sendung war, aufgelöst seinen Schicksalsschlag schildert. Seine Worte gingen um die Welt: „O Gott, was haben wir getan?“

In der Neuauflage seiner Autobiografie schafft es der heute 67-Jährige, unaufgeregt und mit viel Gefühl sein Leben zu erzählen, das so viele andere wohl hätte verzweifeln lassen. Geboren in einem Flüchtlingscamp im Gazastreifen, kämpfte sich Abuelaish zum Medizinstudium nach Kairo durch, arbeitete als erster palästinensischer Arzt in einem israelischen Krankenhaus. Anhand seiner Person beschreibt er den immer heißer werdenden Konflikt zwischen der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung, der sich auch in der bürokratischen Diskriminierung der Palästinenser niederschlägt. Für Abuelaish bedeutete dies, die letzten Lebensstunden seiner Frau nicht an ihrer Seite verbringen zu können.

Blick auf das Einende

All diesen Zerreißproben zum Trotz hasst Abuelaish nicht: „Selbst wenn ich Rache an all den Israelis genommen hätte – würde mir das meine Töchter zurückbringen?“ Stattdessen kämpft er für Verständigung und Versöhnung: „Es ist immer wieder verblüffend zu erkennen, wie ähnlich unsere beiden Völker sind, und doch sind wir seit sechzig Jahren nicht in der Lage, die Teilung zwischen uns zu überwinden. Darüber zu streiten, wer was getan hat und wer mehr gelitten hat, bringt uns nicht weiter. Wir müssen kavod (Respekt) und shivyon (Gleichheit) stärken.“

Heute lebt Abuelaish mit seiner Familie in Kanada. Nach dem Tod seiner Töchter gründete er die Stiftung „Daughters for Life“, die Mädchen und Frauen aus dem Nahen Osten bei der Finanzierung ihres Studiums unterstützt. Fünf Mal war er bereits für den Friedensnobelpreis nominiert. „Ich habe aus dem Koran gelernt, dass die ganze Welt eine einzige Familie ist. Es ist an der Zeit, dass Politiker positiv und konstruktiv handeln, anstatt zu zerstören.“ Abuelaishs Hoffnung scheint angesichts der rechtsreligiösen Regierung in Israel in weiter, weiter Ferne. Gerade deswegen ist die Erzählung seines Lebens wohl wichtiger denn je.

Izzeldin Abuelaish: „Ich werde nicht hassen“, Langen Müller, 272 Seiten, 20,60 Euro

© Bild: Langenmüller Verlag

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