Austria
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Freiheit? Ein düsterer Befund [premium]

In ihrem Buch „Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus“ analysieren Carolin Amlinger und Peter Nachtwey das gegenwärtige Dilemma des Freiheitsbegriffes in der westlichen Welt, bieten aber wenige Auswege daraus.

Als ich, Jahrgang 1950, noch erheblich jünger war, waren Querdenker Menschen, denen unsereiner seinen Respekt nicht versagte. Im Gegenteil! Denn der Querdenker argumentierte gegen Meinungen, die, obwohl fragwürdig, als unantastbar galten. Dabei wurde Wert auf Tatsachenwahrheit und rationale Analyse des vorfindlichen Materials gelegt. In Österreich galt weithin die Doktrin, wir seien das erste Opfer der Nazi-Tyrannei und ihrer Kriegstreiberei gewesen. Wer dem widersprach, aus historischem Sachwissen, dachte „quer“ zur Mehrheitsmeinung und musste mit – meist informellen – Repressalien rechnen. Wesentlich turbulenter ging es überall dort zu, wo neue Freiheiten eingefordert wurden. Querdenkerinnen, die sich gegen die überkommene Rolle der Frau auflehnten, wurden sexistisch beschimpft. Wilder noch waren die Turbulenzen, die sich an die querdenkerischen Forderungen nach mehr sexueller Freizügigkeit anschlossen. Da war der Sittenrichter nicht fern!

Heute ist in den traditionell liberalen, einigermaßen sachbezogen und reflektiert denkenden Kreisen das Wort „Querdenker“ zu einem Schimpfwort geworden. Kein Wunder, versammeln sich unter diesem Begriff doch alle möglichen irrationalen, verschwörungstheoretisch und staatsfeindlich gesinnten Gruppierungen und Einzelpersonen. Sie kämpfen für ihre Freiheit, die Nichtexistenz des Klimawandels oder der Corona-Pandemie ebenso unbehelligt behaupten zu dürfen wie die Weltverschwörung der Juden oder die umfassende Überwachung missliebiger Meinungsträger durch den Staat. Widerspruch wird als Kampfansage, nicht als eine kontroverse Meinung verstanden, mit der man sich friedlich und argumentativ auseinandersetzen sollte. Die politologisch befürchtete Folge: Der innere Zusammenhalt wird gerade in den liberaldemokratischen Gesellschaften zunehmend bröcklig, weil es, aus einem falsch verstandenen Freiheitspathos, immer weniger Bereitschaft gibt, miteinander auf friedliche Weise den Meinungsstreit zu ertragen und auszutragen. Auf der einen Seite beginnt die Straße zu regieren, auf der anderen Seite schwanken die Regierenden zwischen Polizeieinsatz und übergroßer Toleranz.