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Konrad Paul Liessmann: Am liebsten würden wir den Hass unter Strafe stellen [premium]

Es ist immer der Hass der anderen, der uns irritiert, erschüttert, verzweifeln lässt. Der eigene Hass ist davon stets ausgenommen. Dieser ist gerechtfertigt, ist eigentlich gar kein Hass, sondern ein Aufschrei, ein Protest, eine kleine Provokation, eine notwendige Empörung, ein Diskussionsanstoß.

Mit dem Hass sind wir immer schon fertig. Carolin Emcke hat dies in ihrem Buch „Gegen den Hass“ prägnant erfasst. Es gibt nur ein „gegen“, es gibt kein „dafür“. Negative Gefühle gibt es viele, aber nur dem Hass kann anscheinend nichts Positives abgewonnen werden. Während „Wut“ und „Zorn“ in bestimmten Kontexten geradezu die Konturen eines emotionalen Adelsprädikates annehmen können und zumindest die „Angst“ vor der Erderwärmung salonfähig ist, wirkt der Hass immer schon delegitimiert. Niemandem fiele es ein, ein Gesetz zu fordern, das Wutausbrüche und Zornesfalten, gar Angstzustände verbietet. Den Hass jedoch würden wir am liebsten unter Strafe stellen. Es ist der einzige Affekt, der generell und nicht nur situativ als unzulässig erachtet wird.

Mit dem Hass sind wir immer schon fertig. Es geht nur noch darum, wie wir ihn eindämmen, entschärfen, zurückdrängen und bekämpfen können. Aufklärung tut Not, pädagogische Besorgnis ist geboten, Filter werden eingebaut, und das Strafrecht muss in Hinblick auf Hassattacken und medial verbreitete Hassreden geschärft werden. Woran aber erkennen wir diese? Was sind die Signaturen des Hasses, seine Erkennungszeichen, Ausdrucksformen? Anders als Wut und Zorn ist Hass in hohem Maße auf Verbalisierung und Aktionismus angewiesen. Bis auf den hasserfüllten Blick kennt zumindest die Alltagspsychologie keine verlässlichen physiologischen Anzeichen für dieses Gefühl. Um eine These von Judith Butler zu variieren: Hass muss sprechen.

Wie aber spricht der Hass? Anlässlich der Verabschiedung eines Gesetzes über „Digitale Dienste und Märkte“ durch das EU-Parlament im Sommer 2022 wurde Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) gebeten, an einigen Beispielen zu erläutern, wann der Tatbestand der Beleidigung durch eine Hassrede eigentlich beginnt. Unter anderem wurden ihr folgende Sätze zur Einschätzung vorgelegt: „Tötet Helmut Kohl!“ – „Ich hasse Männer“ – „Ich will lieber ein kalter Krieger sein als ein warmer Bruder.“ Während die Ministerin die seinerzeit vom progressiven Milieu umjubelte Aufforderung des Theatermachers Christoph Schlingensief, den damaligen Kanzler zu töten, und eine der berüchtigten Geschmacklosigkeiten des CSU-Urgesteins Franz Josef Strauß sofort als aggressive bzw. diskriminierende und damit verbotene Hassrede qualifizierte, war für sie „aus dem Bauch“ heraus klar, dass „Ich hasse Männer“ – der Titel eines Pamphlets der französischen Feministin Pauline Harmange – diesen Tatbestand nicht erfüllt. Die Begründung lautete: Es sei damit nicht unbedingt eine konkrete Person gemeint, der Hass also nicht spezifisch lokalisierbar.