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Kulturelles Reinheitsgebot gegen Dreadlocks? [premium]

Diesmal war es ein Tiroler Gitarrist in Zürich: Schon wieder wurde ein Mensch von einer Bühne gewiesen, weil er Rastalocken trägt. Das sei kulturelle Aneignung. Doch solche hat die Popmusik seit jeher geprägt.

Natty Dread“ hieß 1974 ein Song von Bob Marley, dem bis heute populärsten Reggae-Musiker: Natty ist eine Verballhornung von „natural“, „dread“ steht für „dreadlocks“, das sind kunstvoll verfilzte Haare. Rastas tragen solche Frisuren, sie kommen aus Jamaika, spielen Reggae und rauchen Ganja, Marihuana: Wer in den Siebzigerjahren jung war, zu dessen popkultureller Sozialisation zählte dieses Wissen. Manchmal ergänzt durch weiterführende Information über die stark vom Alten Testament inspirierte Religion der Rastafaris, die Äthiopien als ihr Mutterland sahen und Jamaika als ihr Exil, ihr Babylon.

Reggae in Allianz mit Disco und Punk

„Rivers of Babylon“ hieß darum ein alter Reggae-Song, der 1978 in der Version der deutschen Disco-Band Boney M. zum Hit wurde. Würde man das heute als kulturelle Aneignung tadeln? Finanzielle Ausbeutung war es nicht: Im Gegensatz zu Rockbands wie den Stones oder Led Zeppelin, die anfangs gern vergaßen, die Komponisten von Bluesstücken zu nennen, gaben Boney M. die Autoren an: zwei Musiker der jamaikanischen Band Melodians. Dass diese aus dem Psalm 137 zitiert hatten, hatte keine Folgen: Dessen Autor hat keine Ansprüche mehr . . .

Ungefähr zur selben Zeit wie Boney M. näherte sich ein anderer, damals ganz frischer Zweig der Jugendkultur dem Reggae an: der Punk. Es war schon 1977 üblich, dass vor und nach Punkkonzerten die DJs Reggae auflegten, und so manche Punkband nahm einen Reggae ins Repertoire, was bisweilen etwas holprig klang. Etwa bei den Clash, die „Police & Thieves“, ein Lied des jamaikanischen Reggaemusikers Junior Murvin, interpretierten. Ebenfalls auf ihrem ersten Album war ihr Song „White Riot“, in dem sie konzedierten, dass „black men got a lot of problems“, aber erklärten, dass sie als Weiße „ihren eigenen Aufstand“ wollten. Ziemlich naiv, wurde auch damals entsprechend debattiert. Viel später erst kam in die Pop-Feuilletons, dass die authentische Rastafari-Kultur in ihrer angestammten Heimat auch weniger sympathische Seiten hatte: eine Tendenz zur Frauenverachtung und Schwulenfeindlichkeit etwa.

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