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Missbrauch an Wiener Schule: Lehrer in weiterem Verein aktiv

Der Sportlehrer war als Basketball-Trainer bei einem zweiten Verein im Einsatz. 2017 soll er mit dem möglicherweise zweiten Mittäter soll er auch an einem Sommercamp teilgenommen haben.

Im Missbrauchsfall um einen Sportlehrer, der bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule mehr als zwei Dutzend Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben dürfte, hat sich am Wochenende bestätigt, dass der Mann bei einem zweiten Wiener Sportverein tätig war. Während er in einem Club der Sportunion eine leitende Funktion inne hatte, war er zugleich als Basketball-Trainer bei einem zweiten, einem anderen Verband unterstehenden Verein im Einsatz.

Bisher war bekannt, dass der Pädagoge etliche Schüler zu jenem Sportverein gelotst hatte, wo er als Funktionär tätig war. Er brachte dort auch einen ehemaligen Lehrer, der dort Burschen im Basketball trainierte, und einen früheren Schüler unter - die beiden wurden am vergangenen Montag von einer Opfer-Anwältin wegen Verdachts auf Missbrauch von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angezeigt. Der Jüngere der beiden, der vereinsübergreifend mehrere Sportarten trainiert hatte, war erst vor wenigen Montagen zum Vize-Präsidenten dieses Vereins gewählt worden. Am Mittwoch wurde er bis zur Klärung der gegen ihn gerichteten Vorwürfe von der Sportunion sämtlicher Funktionen enthoben.

Zusätzlich war der verstorbene Sportlehrer parallel zum einen Verein "zwei bis drei Jahre bei uns als Basketball-Trainer tätig", wie der Präsident des zweiten Vereins am Samstag bestätigte. Gekommen sei es dazu im Zuge einer Kooperation mit der Mittelschule, wo der Pädagoge seit 1996 beschäftigt war. Der Sportlehrer habe die U10-Mannschaft der Buben betreut, sagte der Vereinspräsident.

„Keine Kinder betroffen"

"Bei uns gibt es zum Glück keine betroffenen Kinder", betonte der Präsident. Im Zuge der von einem ehemaligen Schüler des Sportlehrers losgetretenen Ermittlungen - dieser hatte den Pädagogen im April 2019 anzeigt - sei der Verein vom Dachverband und dem Wiener Basketballverband (WBV) unter Einbindung zweier Kinder- und Jugendschutzorganisationen eingehend geprüft worden. Auffälligkeiten oder gar Übergriffe seien dabei nicht zutage gekommen. Der Präsident führte dies darauf zurück, dass die Trainings seit jeher stets von zwei Personen geleitet würden: "Er war nie alleine mit den Kids. Es war immer ein zweiter Trainer dabei." Zum anderen hätte sich Medienberichten zufolge das Interesse des Pädagogen offenbar auf ältere Buben konzentriert.

Fest steht, dass der Pädagoge gemeinsam mit dem nun mitverdächtigen Ex-Lehrer auch im Trainerstab eines mehrtägigen Basketball-Camps war, das Anfang Juli 2017 in Wien stattfand. Der damalige Leiter des Camps versicherte am Samstag, es sei seinerzeit zu keinen Vorkommnissen gekommen. Das habe man "wirklich eingehend überprüft".

Ministerin Raab ortet „Systemversagen"

Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall an der Mittelschule meldeten sich am Samstag Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) zu Wort. Die über Jahre erfolgten sexuellen Übergriffe auf großteils unmündige Buben durch einen Sportlehrer, der möglicherweise zwei Mittäter hatte, "zeigt ein erschütterndes Systemversagen aller befassten Wiener Behörden", stellte Raab in einer Presseaussendung fest.

"Wie kann es sein, dass bereits vor vielen Jahren Anzeige erstattet wurde, aber es zu keinen Ermittlungen kam? Wie kann es sein, dass die Wiener Bildungsdirektion schon Jahre davon wusste, aber nicht für vollständige Aufklärung sorgte und der beschuldigte Lehrer weiterhin in Sportvereinen und Feriencamps tätig sein konnte?", fragte sich Raab. Sie forderte "hundertprozentige Aufklärung und strengere Gesetze, wenn es darum geht, wer unsere Kinder betreut".

"Bei sexuellen Übergriffen darf es null Toleranz geben. Die aktuell fortlaufende Aufklärung bringt immer mehr mutmaßliche Missbrauchsfälle in Wien ans Tageslicht und belegt offenbar ein Systemversagen in der Bundeshauptstadt", hielt Bildungsminister Polaschek fest. Es sei ihm ein "persönliches Anliegen", Kinder vor jeglicher Art von Übergriffen zu schützen: "Aus diesem Grund müssen der Schutz der Kinder und die volle Aufklärung dieser mutmaßlichen Taten absolute Priorität haben."

Der Fall um den Sportlehrer, der nun von einer von der Wiener Bildungsdirektion eingesetzten Kommission bis ins Jahr 1996 zurückreichend untersucht wird, beschränkt sich allerdings nicht auf die Bundeshauptstadt. Der Pädagoge, der im Frühjahr 2019 Suizid beging, nachdem ihn ein ehemaliger Schüler angezeigt hatte und bei einer Hausdurchsuchung umfangreiches kinderpornografisches Material sichergestellt worden war, war während der Sommermonate 20 Jahre lang als Betreuer in einem Feriencamp für Kinder und Jugendliche am Wolfgangsee tätig. Auch dabei dürfte es zu Übergriffen gekommen sein - ein ehemaliger Teilnehmer hatte den Sportlehrer bereits 2013 angezeigt, doch dessen Anzeige "versandete", obwohl der Pädagoge vom Landeskriminalamt Niederösterreich als Beschuldigter vernommen worden war.

Der Sportlehrer konnte daher unbehelligt seine Tätigkeit in einem Wiener Sportverein fortsetzen, wo er eine führende Funktion bekleidete und es ebenfalls zu Übergriffen auf unmündige Buben oder minderjährige Burschen gekommen sein könnte. Eine Opfer-Anwältin hatte am vergangenen Montag im Zusammenhang damit eine Sachverhaltsdarstellung gegen die zwei engen Bekannte bzw. Freunde des Sportlehrers eingebracht.

(APA)