Austria
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Nur über meine Leiche.

Bei den Klimakonferenzen ging es in den ersten Jahren nur um das Thema Mitigation, also das Versprechen der Regierungen, ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken.

Muss ich Ihnen nicht mehr erklären, wie das heute zu bewerten ist, wenn die Emissionen seit Beginn der Klimaverhandlungen 1992 bis heute mehr sind, als alle davor in der Geschichte der Menschheit. Und sie steigen noch immer, wenn auch etwas gedämpft.

Nach so 15 Jahren wurde dann die zweite Schiene der Klimakonferenz-Verhandlungen richtig eröffnet, Adaption, Anpassung an den Klimawandel. Das war eh schon ein trauriges Eingeständnis, dass das mit der Mitigation nichts wird. Also bei Adaption geht es um die Frage, wie können wir einander helfen, uns für die kommenden "klimatischen Veränderungen" besser vorzubereiten.

Und jetzt, im 27. Jahr der Klimaverhandlungen, war das einzige Ergebnis, dass man einen Akut-Katastrophenfonds einrichtet, für bereits eingetretene Klimaschäden. Loss an damage. Das erklärt doch sehr viel, wie die Verhandlungen so laufen. Erst nur weniger CO2, bitte, dann okay, wir müssen uns doch mit Dämmen und Warnsystemen anpassen, und jetzt, ok, wir zahlen was für die Katastrophen. Habe ich erwähnt, dass in Teilen Pakistans die siebenfache Menge eines normalen Monsunregens gefallen ist?

Kurz noch zu loss and damage: Ich halte es für Unsinn, anzunehmen, dass die Europäer hier über den Verhandlungstisch gezogen wurden. Es stimmt, sie haben Forderungen erhoben, auf die dann eigentlich nicht eingegangen wurde. Aber erstens steht ja im Text, dass dieser nur für die vulnerabelsten Staaten offenstehen soll, und da werden Saudi-Arabien oder China nicht dazuzählen. Zweitens sei daran erinnert, dass – ganz UNO-Tradition – das alles freiwillig ist. Haben die Europäer Bedenken, dass der Fonds nicht sinnvoll eingesetzt wird, werden sie einfach kein Geld einzahlen. Und drittens hatten die Europäer schon immensen Druck, da mitzumachen, weil ihre engsten Verbündeten so einen Fonds von Anfang an wollten, nämlich die Allianz der kleinen Inselstaaten, AOSIS.

Als nächstes könnte eine weitere Verhandlungsebene eingeführt werden, eine zu Klimaflüchtlingen, wenn das eigene Land kaputt ist oder im Ozean untergegangen ist. Über das Thema wurde bisher aber nicht gesprochen, verwunderlich, eigentlich, wenn man bedenkt, dass Staaten wie die Malediven (durchschnittlich 1,5 Meter über Meeresspiegel), Tuvalu (1,8m), Kiribati (2m) oder die Marshallinseln (2m) bald ein vitales Interesse haben werden.

Während die österreichische Innenpolitik eifrig nach Unterkünften für die aktuell in Österreich lebenden Geflohenen sucht, sich die Landesregierungen deshalb gegenseitig Unfreundlichkeiten ausrichten, und Österreich mit Ungarn, das seine Flüchtlinge zu uns durchwinkt, Allianzen schließt, darf ich schon mal mein Gespräch mit dem D-A-Chef der Welthungerhilfe vorwegnehmen, das morgen, Montag, im KURIER erscheinen wird. Die UNO-Organisation rechnet, dass auch an diesem Morgen weltweit inzwischen eine Milliarde Menschen chronisch hungrig ist, und davon etwa 350 Millionen akut hungern. Die Situation habe sich seit dem 2. Weltkrieg nur verbessert, und seit 2016 verschlechtert, seit 2019 in einem beschleunigten Ausmaß.

Ein Klimaforscher erzählte mir mal, dass man grob rechnen könne, dass bei einer 1,5°C-erwärmten Welt mit etwa einhundert Millionen Klimaflüchtlingen gerechnet werden muss, bei 2°C-Erwärmung aber eher mit einer Milliarde.

Morgen, Montag, darf ich über eine Veranstaltung berichten, die eigentlich ganz unglaublich ist. Acht Tage, nachdem die 27. UNO-Klimakonferenz mit Vertretern von 195 Staaten zu Ende gegangen ist, wird in der Wiener Wiedner Hauptstraße nämlich die, kein Witz, „1. WKÖ-Klimakonferenz“ stattfinden. (Link zum Programm). Irgendwer muss also der Wirtschaftskammer von der Klimakrise erzählt haben.

Die Panels klingen alle interessant, besonders jene am Nachmittag zu „Wie finanzieren wir die Transformation“ und „2030 – sind wir auf Kurs?“. Das Fragezeichen da macht mir ein bisschen Angst, weil mir der Kurs bis 2030 gar nicht klar ist, nicht beim Verkehr und nicht bei der Wirtschaft und der Industrie, wie in den verbleibenden sieben Jahren die Hälfte aller Emissionen verschwinden sollen. Aber da wird die Wirtschaftskammer (also der Wirtschaftsbund), die ja seit dem 21. Jänner 1987 durchgehend das Land regiert und den Klimakurs maßgeblich bestimmt, sicher eine Lösung haben. (Zwinkersmiley, Trauersmiley).

Die WKÖ könnte sich aber von den Österreichern beraten lassen, können Sie sich erinnern, von unseren Klimaräten, die im Juli der Regierung und dem Parlament ihr Schlussdokument mit 93 Vorschlägen übergeben haben.

Nun sind diese von der Regierung offenbar akribisch durchleuchtet worden, auf Sinnhaftigkeit und Machbarkeit, und nicht nur vom Klimaministerium, sondern auch vom Ministerium für Wirtschaft, Finanzen, Bildung, Soziales, Landesverteidigung und vom Kogler. Die Klimaministerin wird eine Abordnung der Klimaräte dazu Anfang der Woche empfangen, dann wird auch berichtet werden, was die Analyse so alles ergeben hat. Zur Sicherheit werde ich auch Herrn Mahrer das 131-seitige Dokument schicken.

Achja, zum Schluss noch zum martialischen Titel dieses Klimareports. Ich konnte mir in Sharm el-Sheikh eine Person, die aktiv verhandelt hat, zur Seite nehmen und fragen, wie denn die ganzen Vize-Despoten der Öl-Staaten (keine davon ist eine Demokratie) eigentlich so entre nous auf die Frage reagieren, dass wir langsam die fossilen Energien in die Schlussdokumente reinschreiben sollten, weil es ja nur darum geht.

„Over my dead body“, wurde mir als Antwort berichtet.

Wir werden sehen.

Bleiben Sie gesund,

Ihr Bernhard Gaul

bernhard.gaul@kurier.at