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Reichsbürger: Mehr als nur ein paar harmlose Spinner

Ein grauhaariger Mann im Tweed-Jacket, eine Juristin, mehrere frühere Offiziere der deutschen Bundeswehr: Die aktuellen Ermittlungen und Festnahmen im sogenannten Reichsbürger-Milieu in Deutschland zeigen, dass Verschwörungserzählungen und staatsfeindliche Ideologien kein Randgruppen-Phänomen sind. Einige der 25 Männer und Frauen, die auf Geheiß der Bundesanwaltschaft jetzt festgenommen worden sind, besaßen legal Waffen, zum Beispiel weil sie Sportschützen waren. Es sind Menschen mit Beruf und Besitz, das, was man im Polit-Jargon gerne die "Mitte der Gesellschaft" nennt. Details zum Einsatz im Video und im Artikel weiter unten: 

Die Verschwörer waren gut organisiert, trafen sich in kleinen Gruppen, kommunizierten über einen Messenger-Dienst und hatten sich schon genau überlegt, wer von ihnen nach dem von ihnen angestrebten Umsturz welche Aufgabe übernehmen sollte. Was für die Ermittler erschreckend war: Die Mitglieder der Gruppe, die wuchs wie bei einem Schneeball-System, sprachen in den vergangenen Monaten etliche Menschen an, die sie für ihre Pläne gewinnen wollten.

Viele der Angesprochenen winkten ab, aber keiner von ihnen meldete sich bei den Behörden, um vor der Gruppe zu warnen. Dass die Sicherheitsbehörden auf die Verschwörer aufmerksam wurden, hängt vielmehr mit früheren Ermittlungen zu Angehörigen einer anderen Gruppe zusammen, zu denen es Verbindungen gab.

21.000 Menschen in Deutschland

"Reichsbürger und Selbstverwalter" sprechen nicht nur den staatlichen Institutionen Deutschlands die Legitimität ab, sondern verbreiten oft auch krude Ideen. Diese Ideen wirken auf Außenstehende meist so verrückt, dass sie diese Menschen als harmlose Spinner wahrnehmen. Die Sicherheitsbehörden tun das nicht. Im vergangenen Jahr schätzte der Verfassungsschutz das Personenpotenzial der Szene in Deutschland auf 21.000 Menschen. In diesem Jahr ist diese Zahl noch einmal gestiegen. Etwa jeder Zehnte gilt als gewaltbereit.

Diese Entwicklung deckt sich mit einem Befund aus der Wissenschaft. Die Autoren der Leipziger Autoritarismus-Studie stellen in ihrer aktuellen Veröffentlichung fest, rechtsextreme Einstellungen träten zwar in den Hintergrund, andere "antidemokratische Motive" gewännen gleichzeitig aber an Bedeutung. Die Corona-Pandemie und das Protestmilieu, das während der Phase der staatlich verordneten Maßnahmen zu ihrer Eindämmung entstanden sei, wirkte hier wie ein Brandbeschleuniger. In der Studie heißt es, wie "Ausländerfeindlichkeit, Antifeminismus und Antisemitismus" so seien auch die mit der Pandemie verbundenen "Verschwörungserzählungen eine Brückenideologie, welche verschiedene antidemokratische Milieus miteinander verbindet".

Was passiert an "Tag X"?

Für die Sicherheitsbehörden, die in jedem einzelnen Fall entscheiden müssen, ob es sich nur um Sofa-Revolutionäre und Maulhelden handelt, oder ob es konkrete Terrorpläne gibt, geht es immer auch um die Frage, wie die Extremisten auf den sogenannten Tag X blicken.

Mit "Tag X" wird ein erwarteter Zusammenbruch der staatlichen Ordnung bezeichnet. Wer so ein Szenario befürchtet, und deshalb beispielsweise große Lebensmittel- und Benzinvorräte anlegt, mag harmlos sein. Wer sich Waffen beschafft und Vorbereitungen trifft, um einen Umsturz selbst herbeizuführen, ist es nicht.

Die Festnahmen und Durchsuchungen hätten gezeigt, "welche enorme Gefahr von Rechtsextremen und Reichsbürgern ausgehen kann", sagt der deutsche Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. Gerade die selbsterklärten Reichsbürger seien in den vergangenen Jahren häufig als harmlose Spinner abgetan worden, "was ein großer Fehler war". Die Razzia zeige, "dass unsere Demokratie und der Rechtsstaat wehrhaft sind".

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