Austria
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Warum muss immer alles so schwierig sein? [premium]

Ich denke an die kleinen Mercati in Italien, die alles haben, was man braucht, aber halt nur eine Sorte Salz und nicht ein Dutzend, nur zwei Shampoo-Marken, nicht zwanzig.

Im Supermarkt auf dem Weg nach Hause. Vor mir legt eine Kundin Marillenmarmelade, Kopfsalat, Sekt, Katzenfutter und Shampoo aufs Band. Ich kenne sie. Sie kauft häufiger hier ein. Diesmal ist sie unzufrieden, sie hat nämlich keine Servietten gefunden, jedenfalls nicht die richtigen. Richtig heißt: dreilagig und weiß. „Das passiert immer öfter, dass Sie etwas nicht haben“, rügt sie die Kassiererin. „Wir haben noch rote und blaue und cremefarbene“, sagt die. „Ich brauch' aber weiße.“ – „Weiße gibt es schon auch, aber die sind dünner“, sagt die Kassiererin. „Einlagig!“, ruft die Frau. Sie ist empört: „Was soll ich mit einlagigen Servietten? Warum muss immer alles so schwierig sein?“

Dutzende Gänge. Sie zahlt, sie geht. Ich denke an die kleinen Mercati in Italien, die alles haben, was man braucht, aber halt nur eine Sorte Salz und nicht ein Dutzend, nur zwei Shampoo-Marken und nicht zwanzig, die Einkaufswagerln sind verzogen und die Sackerln noch aus Plastik, aber der Billigkäse heißt dort Asiago und schmeckt himmlisch. Ich glaube nicht, dass die dort irgendetwas Dreilagiges haben.

Ich denke an den Leclerc auf der grünen Wiese in Korsika mit seinen zehn Kassen und Dutzenden Reihen, in denen die Kinder schnell verloren gingen, und daran, wie ich mit meinem Sommerkleid in der Klimaanlagen-Luft fror. Die Tomaten schmeckten nach bemehlter Pappe. Dafür konnte man vom Parkplatz aus das Meer sehen und es gab ein größeres Tisch-Deko-Angebot als beim Ikea Westbahnhof.

Kundenkarte. Und das ist offensichtlich wichtiger. Dreilagige Servietten in Weiß. Oder welche mit lila Punkten, weil die zum Service passen. Oder welche mit Schmetterlingen, die über einer Herde Brontosaurier schweben? Ich mache mich hier lustig, dabei ärgere ich mich doch auch, wenn kein Pfirsichkompott im Regal steht.

Ich frage mich, ob wir für unseren Wunsch, alles haben zu können, und das sofort, zu viel bezahlen. Dass uns die Geschäfte, die immer größer werden und größer und zu denen wir immer weiter laufen oder fahren müssen, in Wirklichkeit überfordern. Wir betreten sie gehetzt, weil wir den Bus versäumt haben oder an der Ampel warten mussten, sind von der Masse der Angebote erschlagen, suchen ewig, weil schon wieder einmal umgeräumt worden ist, irren durch die Gänge, vertippen uns an der Obstwaage und finden die Kundenkarte nicht. Und dann sind wir grantig, weil eine halbe Stunde vergangen ist – und wir haben noch nicht einmal gezahlt.

Die Kassiererin anschnauzen geht trotzdem nicht. Die kann am allerwenigsten dafür.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

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