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Was Österreichs erster Physik-Nobelpreisträger seit 1945 mit Star Trek zu tun hat

Die Meilensteine von Anton Zeilinger haben ihm unter anderem den Spitznamen "Mr Beam" eingebracht.

von Elisabeth Gerstendorfer

Der Nobelpreis für Physik, den unter anderem schon die Österreicher Erwin Schrödinger und Victor Franz Hess gewonnen haben, geht in diesem Jahr an den 77-jährigen Anton Zeilinger. Er ist der erste Österreicher seit Wolfgang Pauli 1945 der den Physik-Nobelpreis verliehen bekommt.

Zeilingers Karriere begann dabei indirekt mit einer Science-Fiction-Serie. 1997 veröffentlichte der Physiker im Fachjournal "Nature" seine bisher meistbeachtete Arbeit über die erste Teleportation eines Teilchens, die ihn auch in der Öffentlichkeit berühmt machte. Dabei war dieser rasch mit "Beamen" aus der TV-Serie "Star Trek" verglichene Erfolg "nur" ein Spin-off seiner grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Quantenphysik.

Auf den Spuren von Schrödinger

Eines der zentralen quantenphysikalischen Phänomene, mit denen sich Zeilinger beschäftigt, ist die sogenannte Verschränkung, die von Erwin Schrödinger (1887-1961) als "Essenz der Quantenphysik" bezeichnet wurde. Albert Einstein sprach dagegen abwertend von "spukhafter Fernwirkung" - und tatsächlich ist das Phänomen mit dem Erfahrungshorizont des Alltags kaum nachvollziehbar.

Denn in der Quantenwelt bleiben zwei oder mehrere verschränkte Teilchen auch in der Entfernung stark miteinander verbunden und teilen ihre physikalischen Eigenschaften. Was immer man mit einem Teilchen tut, beeinflusst scheinbar augenblicklich auch den Zustand des anderen Teilchens - gleich wie weit es weg ist.

"Spukhafte Fernwirkung"

Ausgangspunkt für Zeilinger waren Diskussion mit den US-Physikern Daniel Greenberger und Michael Horne über das Phänomen ab den späten 1970er-Jahren am Massachusetts Institute of Technology (MIT). 1986 beschrieben die drei dann in einem kleinen, nur vierseitigen Konferenzbeitrag eine bestimmte Art der Verschränkung von drei Teilchen. Heute wird dies nach den Anfangsbuchstaben ihrer Namen "GHZ-Zustand" bezeichnet.

Zu dieser Zeit wurde noch heftig diskutiert, ob die "spukhafte Fernwirkung" nicht doch durch Eigenschaften erklärt werden kann, die verschränkte Teilchen in sich tragen und die man nur noch nicht kennt - die Physiker nennen das "verborgene Variablen". 1964 stellte der Physiker John Bell (1928-1990) ein Theorem ("Bell'sche Ungleichung") auf, das es ermöglichte, durch Experimente festzustellen, ob es tatsächlich verborgene Variablen gäbe: Zahlreiche genau definierte Messungen an zwei verschränkten Teilchen würden einen klaren Unterschied zwischen klassischen Systemen und Quantensystemen zeigen.

Pionierarbeit

Dagegen reicht bei dem von Greenberger, Horne und Zeilinger entworfenen Gedankenexperiment mit drei verschränkten Teilchen eine einzige Messung, um diesen konzeptuellen Unterschied zwischen klassischer und Quantenphysik klarzulegen. Ausgehend von dieser Theoriearbeit "war es dann über die nächsten zehn Jahre mein Ziel, diese GHZ-Zustände mit drei verschränkten Teilchen experimentell zu realisieren", erklärte Zeilinger im Gespräch mit der APA.

Doch dafür war Pionierarbeit notwendig, "es hat ja überhaupt nichts existiert: die Art der Photonenquellen war nicht klar, wir wussten nicht, wie man die GHZ-Zustände erzeugt, wie man sie manipuliert usw.", erinnerte sich Zeilinger. 1999 war es dann so weit: Sie publizierten den Durchbruch im Fachjournal "Physical Review Letters" ("Observation of three-photon Greenberger-Horne-Zeilinger entanglement").

Berühmt geworden

Doch schon zwei Jahre zuvor war Zeilinger berühmt geworden: Begonnen hat es 1993, als die Physiker Charles Bennett und Gilles Brassard erstmals theoretisch die Möglichkeit der Quantenteleportation beschrieben. "Für mich war das damals ein typisches Paper von reinen Theoretikern, die nicht sehen, dass das nicht gehen kann - nicht wissend, dass wir in meiner Gruppe bei der Arbeit an den GHZ-Zuständen schon die Methoden dafür entwickelten", so Zeilinger. "Wir haben dann gesehen, dass Teleportation einfacher ist als die von uns angestrebte Mehrteilchenverschränkungen, also machten wir das."

Die Wissenschafter übertrugen 1997 den exakten Quanten-Zustand eines Photons A auf ein beliebig weit entferntes Teilchen B. Der zu übertragende Zustand war die Polarisation, die Schwingungsebene des Lichtteilchens. Da Teilchen A bei der Messung vernichtet wird, aber B dann exakt die gleiche Information trägt wie A und nicht davon unterschieden werden kann, wurde der Vorgang als "beamen" bezeichnet - in Anlehnung an ein Materietransportsystem in der Science Fiction-Serie "Star Trek".

Seither wird Zeilinger immer wieder als "Mr. Beam" bezeichnet und muss bis heute erklären, warum wir uns auch in Zukunft nicht in den Urlaub "beamen" können. Bis heute ist es Zeilingers meistzitierte Arbeit.

Teilchen "beamen"

In den darauffolgenden Jahren reizten Zeilinger und sein Team vermeintliche Grenzen der Verschränkung bzw. Teleportation immer weiter aus. Sie verließen das Labor, "beamten" Teilchen durch Abwasserkanäle unter der Donau hindurch, sandten verschränkte Photonen durch die Atmosphäre zunächst quer über Wien und schließlich zwischen zwei kanarischen Inseln. Als 2016 China mit "Micius" den ersten Quantenkommunikationssatelliten ins All brachte, um von dort verschränkte Photonen zur Erde zu schicken, war Zeilinger als Kooperationspartner dabei, die Instrumente an Bord des Satelliten seien ursprünglich "von uns in Österreich entwickelt worden".

Ein weiteres Spin-off der quantenphysikalischen Grundlagenarbeit ist die Quantenkryptografie, die sich ebenfalls der Verschränkung bedient, um absolut abhörsichere Verschlüsselungen von Nachrichten und Datenübertragungen zu ermöglichen. 2004 demonstrierte er die erste mittels Quantenkryptografie verschlüsselte Überweisung vom Wiener Rathaus an eine Bank. Weltweit beachtet wurde 2017 das erste quantenverschlüsselte Videotelefonat, das Zeilinger als ÖAW-Präsident mit seinem chinesischen Amtskollegen führte. Die Schlüssel wurden dabei mithilfe von "Micius" ausgetauscht.

Seine Finger im Spiel hatte Zeilinger auch bei viel beachteten Erfolgen seiner Schüler und Mitarbeiter: Markus Arndt und Markus Aspelmeyer etwa mit ihren spektakulären Experimenten, an immer größeren Objekten Quantenphänomene nachzuweisen, oder Philip Walther mit seinen Konzepten für Quantencomputer. Auch diese Arbeiten sind eine Art Spin-off von Zeilingers Auseinandersetzung mit Grundfragen der Quantenphysik.

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