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Wie die Ukraine Hobby-Drohnen in Waffen verwandelt

Eigentlich sind Drohnen wie die DJI Matrice 300 als „fliegende Kameras“ konzipiert: Sie filmen spektakuläre Panoramen für Videoproduktionen, werden von Feuerwehren und anderen Blaulicht-Organisationen zur Suche nach Vermissten oder in der Industrie für Inspektionsaufgaben verwendet.

Hobby-Drohnen ergänzen Bayraktar-TB2-Flotte
In der Ukraine dienen sie einem anderen Zweck: Mit Teilen aus dem 3D-Drucker bauen Tüftler sie in effektive Waffen um, die Granaten und Minen abwerfen oder sich, mit Sprengstoff beladen, ins Ziel stürzen.

Die vom Arbeits- ins Kriegsgerät umgebauten zivilen Drohnen sind Teil einer „Drohnen-Armee“, die sich aus Geld- und Sachspenden speist. Sie dient als Ergänzung zu den türkischen Bayraktar-Kampfdrohnen, die Kiew einsetzt.

„Drohnen-Armee“ soll 1200 Fluggeräte umfassen
Auf einem Gelände nahe Kiew führten ukrainische Soldaten diese fliegende Streitkraft kürzlich Reportern, unter anderem von „Radio Free Europe“, vor. Rund 1000 zivile Drohnen aus dem Hobby- und Profi-Bereich, darunter 78 Matrice 300, habe man zur Verfügung, erklärt Yuriy Shchihol im Video.

Hinzu kommen rund 200 Aufklärungsdrohnen mit höherer Reichweite - teils ukrainische Eigenbauten, die man seit Kriegsbeginn verfeinert hat und die nun „globalen Standards“ genügen, teils Spenden aus dem Ausland. Bedient werden die Drohnen von IT-affinen Soldaten, teils mit Videobrille am Kopf.

Abwurfvorrichtungen aus dem 3D-Drucker
In sozialen Netzwerken wie Telegram haben ukrainische Soldaten zahlreiche Videos veröffentlicht, die tödliche Umbauten zeigen. Mit 3D-Druckern fertigen sie laut „France 24“ Abwurfvorrichtungen für Granaten, Minen und andere Sprengkörper. Solche Selbstbau-Bomber hätten diverse Vorteile, verrät der US-Militärberater Mark Cancian.

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Auch der IS hat kommerzielle Drohnen genutzt, weil es das war, was sie bekommen konnten. Und die Leute sind sehr schlau und einfallsreich, verwandeln sie in nützliche Waffen.

US-Militärberater Mark Cancian

Kommerzielle Drohnen „sind weit billiger als militärische. Man kann eine Menge davon kaufen und sie als Einweg-Produkt sehen, das man ein oder zweimal benutzt und dann sind sie weg.“ Das mache Privatdrohnen zur guten Wahl für weniger finanzkräftige Gruppen. „Auch der IS hat kommerzielle Drohnen genutzt, weil es das war, was sie bekommen konnten. Und die Leute sind sehr schlau und einfallsreich, verwandeln sie in nützliche Waffen.“

Ukraine setzt seit 2014 auf kommerzielle Drohnen
Das Know-how war bereits vorhanden, so Ex-Kampfpilot und Drohnenexperte Xavier Tytelman: In der Ostukraine, wo prorussische Separatisten und die Ukraine seit 2014 in Kampfhandlungen verwickelt sind, werden kommerzielle Drohnen seit Jahren eingesetzt - etwa von der Drohnentruppe „Aerorozvidka“.

Zwei Soldaten der Drohnentruppe „Aerorozvidka“ befestigen Sprengkörper an einem ihrer Fluggeräte. (Bild: Aerorozvidka)

Zwei Soldaten der Drohnentruppe „Aerorozvidka“ befestigen Sprengkörper an einem ihrer Fluggeräte.

(Bild: Aerorozvidka)

Dabei wurden Pläne für Abwurfvorrichtungen erstellt, die mit 3D-Druckern nun schnell und in großer Zahl hergestellt werden können. In sozialen Medien berichtet die Einheit zudem, mittlerweile selbst Drohnen mit bis zu fünf Kilo Traglast zu bauen.

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Der Feind fürchtet immer die Bedrohung - selbst weit weg von den Kämpfen.

Xavier Tytelman, Ex-Kampfpilot

Tytelman zufolge können kommerzielle Drohnen bei den Kampfhandlungen durchaus einen Unterschied machen. „Drohnen verbessern die Effizienz der Artillerie. Sie können Soldaten bei Aufklärungsmissionen ersetzen, sie sind superpräzise und sie sind schwer zu entdecken und zu zerstören. Der Feind fürchtet immer die Bedrohung - selbst weit weg von den Kämpfen.“

„Wir schicken Drohnen, die jedermann kaufen kann“
Einer der Spender, die Kiews Drohnen-Armee ermöglichen, ist Raivo Olev aus Estland. Der Arbeiter startete kurz nach Kriegsbeginn eine Spendenaktion mit dem Ziel, schusssichere Westen an die Ukraine zu liefern. Mittlerweile sammelt seine Organisation Vests for Ukraine auch Geld für Drohnen. Olev erzählt von einem Freiwilligenbataillon, das seit 2014 in der Ostukraine kämpft. „Die haben Westen, Helme, Autos und Maschinen von uns und senden uns Fotos und Videos. Drohnen waren eines der Dinge, nach denen sie gefragt haben. Wir schicken ihnen Drohnen, die jedermann kaufen kann.“

Kommerzielle Drohnen werfen Mörsergranaten ab
Neben kleinen, teils nur 250 Gramm leichten Drohnen für die Aufklärung seien vor allem die etwas größeren Videodrohnen wie die Matrice 300 interessant für die Ukraine. „Industriedrohnen können leicht umgebaut werden, sodass sie 82-Millimeter-Mörsergranaten abwerfen. Sie können bis zu sechs Kilo tragen, haben fünf bis sieben Kilometer Reichweite, werfen die Granate ab und kehren zurück.“

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Mit ein paar Tausend Euro können sie russische Maschinen im Wert von Hunderttausenden Euro zerstören.

Raivo Olev, Vests for Ukraine

Die Zerstörungskraft ist nicht zu unterschätzen: Bei der Detonation fliegen in einem Radius von 60 Metern Splitter durch die Luft. Selbst gepanzerte Fahrzeuge können schwer beschädigt oder zerstört werden. Olev zufolge würden die Spenden sinnvoll verwendet. „Mit ein paar Tausend Euro können sie russische Maschinen im Wert von Hunderttausenden Euro zerstören.“

Wie die Drohnen verwendet werden, ist in Social-Media-Postings zu sehen:

Russen lassen sich jetzt vom Iran beliefern
Im Krieg um die Ukraine rüsten sich allerdings nicht nur die Verteidiger mit Drohnen. Auch Putins Armee hat neue unbemannte Luftfahrzeuge erhalten - und zwar aus dem Iran. Laut dem US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW), das online tägliche Lageberichte aus der Ukraine veröffentlicht, sollen die russischen Truppen 46 Kampfdrohnen aus iranischer Produktion erhalten haben und diese bereits in der Ukraine einsetzen.

Die Information habe man von einem Berater des ukrainischen Präsidenten erhalten. Bei den Drohnen soll es sich um den Typ Shahed 129 mit 16 Metern Spannweite und bis zu 24 Stunden Flugdauer handeln. Das Modell wurde 2013 in Dienst gestellt und erinnert im Aufbau an die US-amerikanische Predator-Drohne. Sie kann bis zu acht Antischiffsraketen tragen und hat einen Einsatzradius von rund 1700 Kilometern.

Die einmotorige Kampfdrohne Shahed 129 erinnert an die US-Drohne Predator. Sie gilt als Rückgrat der iranischen Drohnenflotte. Russland soll vom Iran 46 Stück erhalten haben. (Bild: Wikimedia Commons / Fars Media Corporation)

Die einmotorige Kampfdrohne Shahed 129 erinnert an die US-Drohne Predator. Sie gilt als Rückgrat der iranischen Drohnenflotte. Russland soll vom Iran 46 Stück erhalten haben.

(Bild: Wikimedia Commons / Fars Media Corporation)

Beim Thinktank ISW geht man davon aus, dass die russischen Streitkräfte die Kampfdrohnen zur Zerstörung westlicher Waffenlieferungen nutzen wollen. Mit dem aus den USA gelieferten Mehrfachraketenwerfer HIMARS gelangen der Ukraine militärische Erfolge gegen russische Depots und Versorgungslinien.