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"Wir brauchen ein Safety Car für den Energiemarkt"

Normalerweise ist es Aufgabe der Behörde E-Control, den Wettbewerb auf dem Energiemarkt anzustoßen und zu regeln. Davon sei in Zeiten von exorbitanten Preisen keine Rede. Alle müssten über ihren Schatten springen, um das Problem zu lösen, sagt Geschäftsführer Wolfgang Urbantschitsch, den die OÖNachrichten am Energietag der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Oberösterreich interviewt haben.

OÖNachrichten: Sie haben im Frühsommer ein gemeinsames europäisches Vorgehen gefordert, um die Energiepreise in den Griff zu bekommen. Hat die Politik schon etwas erreicht?

Wolfgang Urbantschitsch: Es gibt wichtige Diskussionen und eine Entscheidung auf europäischer Ebene darüber, dass Gewinne der Stromanbieter, die über 180 Euro je Megawattstunde hinausgehen, abgeschöpft werden. Um die Preisbildung zu beeinflussen, gibt es Einsparungsziele. Wenn die Nachfrage geringer ist, sinkt der Preis.

Fehlt da nicht noch einiges?

Es ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Man muss weiter diskutieren und das Marktmodell krisensicher machen. Dieses war bis zuletzt gut, aber es hat sich in der Krise nicht bewährt.

Man hat den Eindruck, jetzt wird den Unternehmen Geld weggenommen, dann schauen wir, wie wir es verteilen. Man weiß nicht, wie viel man einnehmen wird. Dazu stellt sich die Frage, wie lange es dauert, bis die Bedürftigen Geld bekommen.

Die Staaten versuchen, die Auswirkungen auf die Kunden möglichst gering zu halten. Es wird Beschränkungen bei den Preisen geben wie in Österreich die Stützung des Strompreises für Haushalte bis 2900 kWh im Jahr. Das Geld, das über die Steuer hereinkommt, wird dafür verwendet.

Die Staaten haben aber Spielraum, wie sie das handhaben.

Es gibt Flexibilität, man kann Investitionen in Erneuerbare berücksichtigen. Aber die Details werden gerade abgeklärt.

Großgewinner wie der Verbund investieren derzeit in Erneuerbare, etwa in Spanien. Wenn man diese Investitionen abzieht, was bleibt dann an Übergewinnen?

Diese 180-Euro-Grenze ist derart hoch, dass man damit auskommt, um in Erneuerbare zu investieren. Als die Windkraft mit Einspeisetarifen gefördert wurde, lag der Fördertarif bei 91 Euro, das reichte locker, um die Investitionen in zehn bis zwölf Jahren zu verdienen.

Wie viel kommt herein mit der Übergewinnsteuer?

Das ist schwer zu sagen, weil man nicht weiß, wie viel Strom vorab auf längere Frist verkauft wurde.

Das Merit-Order-Prinzip hat über Jahrzehnte funktioniert. Jetzt ist es böse. Was wäre die Alternative?

Es hat tatsächlich als Preisbestimmungsmodell gut funktioniert. Das hat ökonomische Vorteile, weil es Kraftwerksbetreiber zwingt, billiger zu produzieren. Das Problem waren aber jetzt die hohen Gaspreise. Eine Alternative wäre ein Modell, bei dem man das bekommt, was man als Preis anbietet. Aber auch hier gleichen sich die Preise wieder an. Eine Möglichkeit, den Preis zu senken, wäre eine Subventionierung von Gas. Spanien und Portugal haben das gemacht. Die Folge sind niedrigere Preise, aber ein sehr hoher Gasverbrauch. Und der subventionierte Strom fließt ins Ausland. Ein Alleingang ist also unmöglich. Leider gibt es kein Modell, das nur Vorteile hat.

Teuer werden sie alle?

Leider. Tatsache ist, in dieser Lage müssen wir alle von unseren Dogmen abweichen und gemeinsam versuchen, das Problem zu lösen und in den Markt einzugreifen. In der Formel 1 gibt es das Safety Car, das nach einem Unfall das Feld einfriert und das Rennen geordnet fortführt. Wir brauchen ein Safety Car für den Energiemarkt.

Wie lange?

Schon ein Jahr.

Wie viel Markt ist noch im europäischen Energiemarkt, oder ist er ein Spielball der Politik?

Was ist denn die Ursache für die Verwerfungen? Krieg, politische Maßnahmen und ganz bewusste Verknappungen des maßgeblichen Gutes Gas. Rein wettbewerblich würde ich sagen, das ist Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, der Marktbeherrscher liefert um die Hälfte weniger. Das kann das beste Marktmodell nicht lösen. Darum muss man staatlich intervenieren, vor allem, was die Auswirkungen betrifft. Jetzt zu sagen, die Liberalisierung war einer der größten Fehler, halte ich für falsch. Sie hat sehr viel für die Volkswirtschaft gebracht.

Wie sollen Preise sinken – mehr Angebot, weniger Verbrauch?

Was mich zuversichtlich stimmt, ist, dass die Akzeptanz für den Ausbau in erneuerbare Energieträger nun größer geworden ist. Verfahren müssen hier beschleunigt werden. Energieeffizienz hat in der Vergangenheit außer im industriellen Bereich keine große Rolle gespielt, weil Energie günstig war. Jetzt hatten wir beim Gasverbrauch im Juli minus 15, im August minus 25, im September minus neun Prozent – im Vergleich jeweils zum Fünf-Jahres-Mittel. Quer über alles sind 15 Prozent machbar. Auch bei Haushalten und beim Strom sind zweistellige Reduktionen möglich.

Es gibt auch Warnungen vor einer Stromknappheit im Winter.

Die Prognosen werden gerade erstellt. Es gibt Gegebenheiten, die nicht gut sind, wie bei den AKWs in Frankreich und niedrige Wasserstände. Aber man weiß das und wird Maßnahmen setzen, damit es zu keiner Mangellage kommt.